Das Mikrofon nimmt ihr so leicht keiner weg – nein, bei Jennifer Weist würde sich das so schnell niemand trauen. Zusammen mit ihrer Band Jennifer Rostock hat sie sich in den letzten fünf Jahren zu einer der Top-Bands im deutschsprachigen Raum gemausert. Vor drei Monaten brachten die Norddeutschen ihr drittes Studioalbum heraus, „Mit Haut und Haar“ belegte in den österreichischen Charts den beachtlichen siebten Rang. Grund genug für eine Tour durch Deutschland und Österreich, da war auch ein Zwischenstopp in Graz absolute Pflicht.
Die Indie-Rocker hatten in den vergangenen eineinhalb Jahren hier schon im p.p.c und auf den Kasematten gespielt, nun war das Orpheum dran. In 90 Minuten präsentierten die Wahl-Berliner dabei einen Großteil der Auskopplungen aus den drei Alben, da war sowohl für langjährige Fans als auch für Neuzugänge etwas dabei. Angefangen beim ersten Hit „Kopf oder Zahl“ über „Du willst mir an die Wäsche“ bis hin zu Auszügen aus dem neuen Album. Aus diesem fanden sich, wenig überraschend, die meisten Songs auf der Playlist, darunter auch „Ich kann nicht mehr“. Mit dem Lied waren Weist & Co. noch vor vier Wochen beim Bundesvision-Song-Contest angetreten, da reichte es allerdings nur zum achten Platz, beim ersten Antreten 2008 war man noch am fünften gelandet.
In der Gunst ihrer Fans, die sich mit ihren schrillen Haarfarben und auffälligen Tattoos eindeutig ein Beispiel an der Frontfrau genommen haben, stehen sie natürlich wesentlich höher, das Konzert war schon Tage zuvor ausverkauft. Man konnte an diesem Abend spüren, dass es Weist, Walter, Voigt, Deckert und Kohl wirklich Spaß macht, einmal wieder zusammen auf Tournee zu sein. Vor fünf Jahren hatten sie sich in Berlin kennengelernt und mussten sich erst einmal als Vorgruppen durch etliche Clubs der deutschen Hauptstadt spielen. Mittlerweile hat alleine ihre Facebook-Seite über 127.000 Likes.
Weil ein Live-Konzert auch von der Interaktion mit dem Publikum lebt, durfte dieses am Dienstag reichlich mitmachen. Und mittrinken. So schickte Weist eine 16-Jährige als Stage-Diverin bei „Der Kapitän“ im Schwimmreifen samt Sektflasche – frei nach dem Motto: „Ich pfeif drauf, ich pfeif mir lieber noch ’nen Sekt rein“ – über das Meer aus Zusehern. Bei „Feuer“ ließ sie sich von einem jungen Mann gesanglich unterstützen, ehe sie sich für „Ich will hier raus“ ein paar weibliche Teenager auf die Bühne holte.
Kritiker behaupten ja, dass Jennifer Rostock mehr vom Aussehen ihrer Frontfrau als von der gesanglichen Performance lebt. Wenngleich man auch nicht behaupten kann, sie hätte ihre zahlreichen Tattoos und Piercings an diesem Abend mit viel Textilstoff verhüllt, so kann man diese Kritik dennoch zurückweisen. Dafür waren die fünf Musiker an diesem Abend in Graz musikalisch eindeutig zu gut unterwegs, optischer Aufputz hin oder her.
Nach zwei Zugaben hat sie letztlich dann doch das Mikrofon abgegeben. Für Jennifer Rostock ging es weiter nach Wien, den Fans bleibt die Erinnerung an ein tolles Konzert.