Die Ungergasse hat ab sofort das, was Kunst in Graz am dringendsten braucht: viel Platz und freie Flächen.
Von Nina Bedlivy und Christoph Berger-Schauer
Die Europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2003 verliert an künstlerischer Vielfalt. Das behaupten zumindest die Leute vom Schaumbad. Und die müssen es wissen, denn seit September ist dieses „freie Atelierhaus“ wieder eine ganz ordinäre Lagerhalle. Nach etwas mehr als drei sehr erfolgreichen Jahren, in denen die Zahl der mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler auf bis zu fünfzig gewachsen war, musste der Verein die rund 1.500 Quadratmeter große Halle heuer wieder räumen. Selfstorage, der Mieter, mit dem man sich zuvor den Keller geteilt hatte, ist nun Alleinpächter und kann wohl doch eine Kleinigkeit mehr als nur die Betriebskosten flüssig machen.
Schaumbad: vormals Oase für KünstlerInnen, seit September wieder triste Lagerhalle.
Der Verein Schaumbad und zahlreiche Künstlerinnen und Künstler in Graz sehen die Ursache derartiger Entwicklungen in der städtischen Kulturpolitik verankert. Zu viel Geld würde an die großen Einrichtungen und Institutionen fließen, zu wenige Mittel an die junge und weniger bekannte Grazer Kunst- und Kulturszene. So gehen laut Positionspapier vom 07.11. (unterzeichnet und erstellt von involvierten Grazer Kulturkennern) 90 Prozent aller Förderungen unter dem Namen „Bildende Kunst“ an eine einzige Institution: das Kunsthaus. Unbestritten eines der Highlights der Stadt – allerdings gilt zu beachten, dass dort fast ausschließlich Exponate von Leuten gezeigt werden, die nicht aus Graz stammen.
So kommt es wohl gerade zur rechten Zeit, dass in der Ungergasse 24, im ehemaligen Lager von Büro + Papier Wurzer, der Kunstfreiraum Papierfabrik seine Pforten öffnet. Auf 800 Quadratmetern findet sich dort ab sofort das, was Künstler und Künstlerinnen in Graz so dringend brauchen: Atelier- und Proberäume sowie Räumlichkeiten für Ausstellungen und Veranstaltungen.
Die neue Adresse für künstlerischen Freiraum: Papierfabrik in der Ungergasse.
Während bis zur letzten Minute an allen Ecken fleißig Hand angelegt wird (der Verein verlässt sich weder auf Subventionen noch auf die Arbeit Dritter), wurde am 25. November bereits die Voreröffnungsparty „Almost Open“ gefeiert. Am 2. Dezember geht’s dann aber richtig los: Mit „Das Karussell“ gastiert eine Veranstaltungsreihe des Vereins Screaming Bonsai in den neu geschaffenen Räumlichkeiten und startet gleichzeitig die erste große Ausstellung. Vernissage ab 17 Uhr, Party ab 21 Uhr. „Der Übergang ist jedoch fließend“, lässt Arnold Verderber von Screaming Bonsai wissen.
Das Karussell dreht sich um alles, was mit junger Kunst zu tun hat.
– Arnold Verderber
„Das Karussell versteht sich als Plattform, die Leute zusammenbringt: Künstler mit Künstlern sowie Besucher mit Künstlern,“ so der Vereinsobmann. Die Kombination aus Ausstellung, Buffet mit Glühwein und Maroni sowie anschließender Clubnacht mit DJs kam bereits in der Vergangenheit gut an – im Kulturzentrum Niesenberger etwa, wo sich das „Karussell“ zuvor drehte – und soll für einen angemessenen Einstand der Papierfabrik sorgen. Fünfzig Personen sind an der Eröffnungsveranstaltung beteiligt, der Fokus liegt vor allem auf jungen Kunstschaffenden aus Graz. Die Exponate sind bunt zusammengewürfelt, neben surrealistischen Gemälden von Michael Birnstingl, abstrakten Zeichnungen von Max Kaiser und Fotografien von Andrea Kurtz finden sich außerdem Klanginstallationen, Kurzfilme und sogar Theaterimprovisationen.
Die Ausstellung läuft dann bis 21. Dezember und ist jeden Donnerstag und Freitag von 18 bis 20 Uhr geöffnet. Live-Painting und die Gelgenheit, Ausstellungsstücke direkt bei Kurator Helmi Mubarak – der übrigens in Kürze seine eigene Galerie am Lendkai eröffnet – zu erstehen, ist aber ausschließlich am Eröffnungstag möglich.