60 Quadratmeter Integration in Bewegung

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Graz, eine kleine Stadt mit Großstadtflair. Das spiegelt sich vor allem in den verschiedenen Nationalitäten, die hier leben, wider. Eine kunstvoll gestaltete Straßenbahn soll ein Jahr lang Bewusstsein dafür schaffen.

von Christoph Berger-Schauer

 

Remise - Bim 09.12.2011
In der Remise der Holding Graz Linien wird noch mit Hochdruck an der Bim gearbeitet

 

Dass Erwin Talker einiges an Herzblut in sein Projekt fließen hat lassen, merkt man an der Fülle an Gedanken, die er sich dazu gemacht hat. „Die kreisrunden Motive der Künstler werden grafisch zu Kugeln geformt. Denn eine Kugel ist ständig in Bewegung, sucht immer einen Platz“, beschreibt der Lehrer der Meisterklasse für Malerei an der Ortweinschule die symbolische Darstellung der Integration. Er hat wohl länger über der künstlerischen Umsetzung des Projekts „Graz ein buntes Gesicht geben“ gebrütet als so manch einer über der Planung seines Eigenheims.

 

Erwin Talker ist gemeinsam mit Fred Ohenhen, Projektleiter beim Verein Innovative Sozialprojekte (ISOP), und der Holding Graz einer der Hauptverantwortlichen des Projekts. Die Idee zur Gestaltung einer bunten Straßenbahn kam von Fred Ohenhen. „Wir haben in der Vergangenheit verschiedene Projekte zur Integration gemacht. Zum Beispiel Theaterstücke mit Kindersoldaten aus Zimbabwe.“ Das Thema Kindersoldaten werde zwar gemeinhin als Problem erkannt, konkret habe es die Grazer aber herzlich wenig berührt. Etwas alltäglicheres, auf die Murmetropole Bezogenes, musste her. „Zuerst wollte ich ja eine Straßenbahn und einen Bus machen“, sagt Ohenhen. „Gut, dass es jetzt nur eine Straßenbahn ist, denn das Projekt ist auch so schon größer als Fred!“

 

Remise - Bim 09.12.2011
InteGRAZion wird auf Schiene gebracht

 

Und was genau könnte eine Straßenbahn nun zu besserer Integration beitragen? Fred Ohenhen stört vor allem der negative Kontext, in den Integration sonst in der Öffentlichkeit gerückt wird. Auf Werbeplakaten sind kaum Menschen anderer Hautfarbe zu sehen, und wenn doch, dann meist in Verbindung mit den Worten „Hunger“, „Hilfe“ oder „Spenden“. Dabei sei Integration etwas Positives und Graz als Heimat für Menschen aus 160 verschiedenen Nationen sehr bunt. Eine künstlerisch gestaltete Bim solle das auch sichtbar machen.

Die Künstler für das Projekt waren mit Kindern und Jugendlichen aus dem Kindergarten Himmelgrün, der Volksschule Triester, dem BG GIBS und Studierenden der Meisterklasse Malerei Ortweinschule schnell gefunden. Rund dreißig Teilnehmer, viele mit Migrationshintergrund, trafen sich regelmäßig im Oktober zur Umsetzung des Großprojekts. Ihre unterschiedlichen Ideen wie Landesflaggen, Gesichter, abstrakte Motive und Textstücke platzierten sie auf runde Kartonscheiben. Im Anschluss an den kreativen Prozess wurden die auf Pappe gebrachten Kunstwerke eingescannt, grafisch aufbereitet, auf Folie gedruckt und Anfang Dezember auf einer Straßenbahn der Holding Graz Linien aufgeklebt.

Graz ein buntes Gesicht geben
Die Künstler mit Ihren verschiedenen Ideen zu Integration (c) Meisterschule

 

Die Holding Graz Linien sind es auch, die dafür sorgen, dass die sechzig Quadratmeter „InteGRAZion“ – eine Wortkreation, die ebenfalls an der Ortweinschule entstanden ist – ein Jahr lang auf verschiedenen Strecken durch die Landeshauptstadt unterwegs sind. Auch zahlreiche weitere Grazer Unternehmen unterstützen das Projekt. Viele von ihnen haben erkannt, dass auch ihre eigene Mitarbeiterschaft einem kleinen Weltdorf gleicht und darum Integration einen immer wichtigeren Stellenwert für ein friedliches Zusammenleben hat.

Graz ein buntes Gesicht geben
Die auf Pappe gebrachten Kunstwerke sind 1 Jahr lang auf einer Bim zu sehen (c) Meisterschule

 

Präsentiert wird die Straßenbahn gemeinsam mit dem Künstler-Team und einiger politischer Prominenz am 10. Dezember, passender Weise dem Tag der Menschenrechte. Fred Ohenhen und Erwin Talker sind gespannt auf die Reaktionen der Grazerinnen und Grazer. Vor allem, weil die Straßenbahn bei näherer Betrachtung noch eine kleine Überraschung bietet: im Hintergrund der Kugeln befindet sich ein Stadtplan von Graz, auf dem alle Straßennamen gegen Ländernamen getauscht wurden. „Da werden sicher einige schauen, wenn sie anstatt in der Jakoministraße in Argentinien wohnen“, schmunzelt Erwin Talker.

 

Und so war die Präsentation der „InteGRAZion“-Straßenbahn: storify-Bericht

 

[box type=“info“]Präsentation der Straßenbahn
10. Dezember 2011 – Tag der Menschenrechte, 11 Uhr
Steiererhof, Jakominiplatz[/box]

Direkt-Import aus Kirchdorf an der Krems, der bereits vehement an einer Vertiefung seiner Annenviertel-Kenntnisse arbeitet - bevorzugt auf zwei Rädern. Sein Leben funktioniert nicht ohne Kaffee, gelegentliches Abreisen und Wiederkommen, Nachrichten, Buch und Ton. Damit ist die Palette favorisierten Annenpost-Rubriken natürlich ein ziemlich weit gestecktes, im Ernstfall gilt aber: aktuell ist immer gut.

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