Natürlich war die Annenpost auch am Sonntag, dem dritten Lendwirbel-Tag, vor Ort. Am „Tag des Herrn“ hat sich der Wirbel zwar ruhig gezeigt und mit Programm gegeizt, aber doch besondere Erlebnisse beschert.
Von Isabella Scheucher
Neugierig von den Erzählungen meiner Kolleginnen und ausgestattet mit ein paar Notizen zu den Programmpunkten, für die ich mich besonders interessiere, mache ich mich auf den Weg zum Lendplatz.
Es ist halb 12 und ich möchte mir den „fröhlichen Zebrastreifen“ der laut Programm am „Hier-ist-Platz“, dem kleinen Platz zwischen Lend- und Mariahilferplatz, um 11 Uhr stattfindet, anschauen. Mehr als ein paar abgeklebte Streifen auf der Straße kann ich aber noch nicht finden, und auch das Lendwirbel-Büro ist momentan leer.
Macht nichts, ich will mir ohnehin noch den Arc de Triomphe, einen Torbogen aus Altbrot, am Mariahilferplatz ansehen. Dort angekommen bietet sich mir dieser Anblick:
Der (noch) leere Torbogen
Das Gerüst, bestehend aus Metallgittern, ist noch leer und mit Holzplatten und Planen abgedeckt. Noch während ich mich wundere, dass die bereits für Freitag geplante Torbogen-Aktion nicht schon am Samstag, an dem bestes Altbrot-Gebäude-Bau-Wetter geherrscht hatte, nachgeholt worden ist, kommt mir mein 13 Uhr-Termin – der Floribus – entgegen. Er ist zur eigentlich falschen Zeit am eigentlich falschen Ort und daher ein perfektes Beispiel für die Verlässlichkeit, mit der am Lendwirbel Aktionen laut Programm stattfinden.
Aus dem Bus steigen ein paar Leute, ich geselle mich zu ihnen und ein ziemlich eigenartiges Erlebnis nimmt seinen Lauf…
Reiseführer Miriam, Martin und Busfahrer Herr Erwin
Meine Erwartungen an die angekündigte Stadtrundfahrt stellen sich als falsch heraus –ich finde mich in einer „Wallfahrts-Tour“ wieder. Die Reiseleiter Miriam und Martin sind nach ihren Vorstellungen als „streng gläubige Katholiken“, Busfahrer Herr Erwin als Feuerwehrmann verkleidet.
Außer mir sind noch fünf Personen mit von der Partie. Die Reiseleitung hat mehrere Schachteln Backoblaten dabei. Diese werden Sorte für Sorte wie der Leib Christi verteilt und die „Oblaten-Verkostung“ nimmt ihren Lauf. Kommentiert werden die verschiedenen Sorten mit Sätzen wie „Hier bei der Vollkornvariante schmeckt man ganz deutlich, dass sie aus ganz reinen und vollkommenen Körnern von Gottes prächtigen Feldern hergestellt wurde.“
Nach der Oblatenverkostung sollen wir uns in einer Reihe vor der Mariahilferkirche aufstellen. Hostien-Wettessen steht auf dem Programm. Miriam und Martin stehen den Reiseteilnehmer/innen gegenüber und beginnen das Vaterunser zu singen, während die anderen die Oblaten in sich hineinstopfen. Ich bin überrascht, wie sehr mich diese Aktion direkt vor dem Haupteingang der Mariahilferkirche stört, obwohl ich mich eigentlich nicht als einen sehr gläubigen Menschen bezeichnen würde. Obwohl ich lieber gehen möchte, bleibe ich. Einerseits aus Neugier, andererseits weil ich nach der Tour mit den Reiseleitern sprechen möchte. Das Vaterunser ist vorbei, das Mädchen neben mir hat am meisten Oblaten gegessen. Zur Belohnung darf sie als Erste das Blut Christi – in diesem Fall Tetrapack-Rotwein – aus einem goldenen Kelch – hier ein Fußballpokal – trinken.
Martin überreicht „das Blut Christi“
Wieder sprechen die Reiseleiter ein paar „rühmende“ Worte über Gott, dann steigen wir in den Bus und machen uns auf den Weg zur nächsten Station, der St. Andrä-Kirche.
Dort angekommen sollen wir mit Martin und Miriam die Kirche besichtigen. Als wir uns der Kirche nähern und ich hören kann dass darin gerade eine Messe stattfindet, hoffe ich, dass sie sich in der Kirche zurückhalten werden. Die Messe entpuppt sich als eine Tauffeier der afrikanischen Gemeinde. Die ganze Kirche ist gefüllt mit Frauen in farbenfrohen, sehr körperbetonten Kleidern und voluminösen Tüchern auf dem Kopf. Die Männer tragen ebenfalls bunte, afrikanische Gewänder.
„Gehn die einfach mit dem Pyjama in die Kirchn, aber schön singen tun´s die Negerlein“, ist Martins Bemerkung als wir die Kirche wieder verlassen. Zum Abschluss stellen sich alle im Kreis auf, Martin und Miriam beginnen „Gottes Liebe ist so wunderbar“ zu singen und ich bin froh über das Ende der Tour.
Ich bleibe noch und spreche mit Miriam, Martin und Herrn Erwin (der eigentlich Robin heißt) über die Tour. Was sie damit aussagen wollen, können sie mir nicht sagen. Nur, „dass die Kirche ruhig ein bissl verarscht g’hört“ und man das schon aushalten muss. Auch als gläubiger Mensch. Robin meint, dass er sich beim Wettessen direkt vor der Kirche schon eher unwohl gefühlt hat, ich stimme ihm zu und ernte ablehnende Blicke von Martin und Miriam. Die Stimmung droht zu kippen, deshalb frage ich nach dem Floribus. Martin erklärt mir, dass sie den Bus eigentlich nur für einen Urlaub gekauft haben und er jetzt ihnen, ihren Freunden und jedem, der ihn braucht, zur Verfügung steht. Während des Lendwirbels haben sie noch eine „Copacabana-Tour“ und eine „Der Bus im Bus- Tour“ vor. „Und am Abend parken wir den Bus hinter dem Kunsthaus, holen die Sitze raus und stellen eine Leinwand davor auf. Dann schauen wir uns Stummfilme an. Kannst auch kommen, wenn du magst“, erklärt Robin. Ich sage danke und verabschiede mich.
Der Florisbus als Stummfilmkino
Um einer Lendwirbel-Übersdosis zu entgehen, beschließe ich am Abend wieder herzukommen. Ich muss über diese – für meinen Geschmack an Blasphemie grenzende – Tour nachdenken.
Um 21:30 ist dann die Videoinstallation „Masken des Alltags“ nirgendwo zu sehen, dafür finde ich das:
Der Torbogen kurz vor der Fertigstellung
Der Triumphbogen von den Künstlern Markus Jeschaunig und Wolfgang Oeggl ist mit 7 Kubikmetern Altbrot gefüllt und soll ein Statement zum „Triumph der Überflussgesellschaft auf Kosten unserer Umwelt und zulasten anderer“ sein.
Immerhin sehe ich eine durchdachte Aktion an diesem Tag…