Enge Gehsteige, Baustellen und viel Verkehr: So präsentiert sich die Annenstraße. Für die Grazerin Daniela Grießbauer stellt sich aber noch eine weitere Herausforderung: Sie ist auf beiden Augen voll blind. Gemeinsam mit annenpost.at spazierte sie durchs Annenviertel und berichtete von Stolpersteinen im Leben.
von Sonja Radkohl
Klapp, klapp, klapp dazwischen ein Scharren. Es hört sich an wie ruhige Musik, die Daniela Grießbauer Sicherheit vermittelt. Klapp, klapp, klapp. Das Plappern der Menschen und das Rauschen der Straßenbahnen treten in den Hintergrund. Daneben ein Bohren. Klapp, klapp, klapp. Das Bohren wird plötzlich lauter, beginnt zu dröhnen und das Klappern erlischt mit einem dumpfen Aufprall. Die ruhige Musik ist am Ende – genauso wie Daniela Grießbauers Orientierung.
„Ich bin von Geburt an blind.“ Daniela Grießbauer gehört zu den rund 4.600 Personen in Österreich, die auf beiden Augen voll blind sind, und sich so anders orientieren, als der Rest. Als kleines Kind fiel ihr das leicht. Schwierigkeiten entstanden für sie erst beim Umstieg auf den Blindenstock: „Es war mir peinlich, weil es niemand gegeben hat, der mir gesagt hat, das sei normal.“ Von diesem Zeitpunkt an, versperrten ihr einige Stolpersteine den Weg.
Daniela Grießbauer ist von Geburt an blind
Ein kurzer Weg in völliger Konzentration
Klapp, klapp, klapp. Auf dem Weg vom Südtirolerplatz bis zum Roseggerhaus scharrt der Blindenstock von Daniela Grießbauer über den Asphalt und gibt bei jedem Stoß an die Gehsteigkante ein Klackern von sich. Zur Orientierung verwendet sie meist die Gehsteigkante; das taktile Leitsystem neben sich ignoriert sie. „Meistens steht ein Radl, ein Ständer oder ein Verkaufskorb am Leitsystem. Außerdem kann ich den Linien schon nachgehen, weiß aber oft nicht, wo ich ankomme. Wenn ich ein Ziel habe, muss ich schon wissen, wo das liegt.“ Bei jedem vorbeizischendem Radfahrer oder Skateboarder zuckt sie unmerklich zusammen und ihr Kopf ruckt in die Richtung des Geräusches. Daniela Grießbauer erinnert sich nur zu gut an unliebsame Begegnungen mit Ellbogen oder Lenkstangen. Im Hintergrund ist ein Bohren zu vernehmen, das langsam lauter wird.
Alles andere als ein einfacher Werdegang
Seit ihrem 18. Lebensjahr kann sich Daniela Grießbauer in Graz allein orientieren. Da könnte man meinen, dass es für sie auch kein Problem wäre, ihren Traumberuf zu erlernen: Fachsozialbetreuerin. Die Ausbildung drohte allerdings zu scheitern. Grund dafür waren die Lehrkräfte: „Die Leiterin für den Pflegekurs hat noch nie mit Blinden zu tun gehabt, hat aber trotzdem gewusst: So jemandem würde sie nie ein Zeugnis geben.“ Beendet hat sie ihre Ausbildung an einer anderen Schule. „Es passieren so oft Dinge, die mir locker meine Zukunft kosten könnten.“
Klapp, klapp, klapp, im Hintergrund Bohren, das immer lauter wird. Zwischen Südtirolerplatz und Roseggerhaus befindet sich eine Baustelle, die sich zwar rechtzeitig akustisch ankündigt, aber allerlei Gefahren birgt. „Bei den Schildern passiert es meistens, dass ich sie mit dem Stock nicht bemerke, sondern erst mit dem Gesicht.“ Je weiter sich das Klackern des Blindenstocks der Baustelle nähert, desto leiser wird es, verstummt schließlich ganz. Daniela Grießbauer bleibt nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben. „Bei dem Lärm merke ich nicht einmal, ob jemand vorbei kommt, den ich um Hilfe bitten könnte.“
auch mit dem Blindenstock fällt die Orientierung im Annenviertel nicht leicht
Pläne für die Zukunft
Beruflich strebt sie nach der abgeschlossenen Ausbildung neuen Ufern entgegen. Nach 6 Jahren beim Odilieninstitut, einem Grazer Blinden- und Sehbehindertenverband, will sie kündigen und sich einen Job als Fachsozialbetreuerin suchen. „Ich bin gerne unabhängig und froh über jeden Weg, den ich alleine zurücklegen kann.“ Aus der Misere bei der Baustelle hilft ihr ein Passant, der bemerkt hat, dass sie nicht weiter kann. Die vielen Baustellen sind ein weiterer Grund, warum sie nicht gerne die Annenstraße entlang spaziert. „Da ist der Gehsteig so eng und es steht so viel herum. Das ist dann so anstrengend, dass ich nicht vom Gehen, sondern vom Konzentrieren fertig bin, so dass ich es gleich lasse.“ Das ist auch, was sie sich für Graz wünscht – nicht nur für Blinde, sondern für alle Verkehrsteilnehmer: Eine Regelung, in der Gehsteige einfach Gehsteige sind und nicht mit Schildern, Körben oder parkenden Fahrrädern und Autos blockiert werden. „Dass es Dinge gibt, auf die man sich verlassen kann.“