Werner Schenk, Chefinspektor der Polizeidienststelle Lend berichtet von Gasexplosionen, Selbstmördern und Opferstockdieben und erklärt, wo sich der „Drogenhotspot von Graz“ befindet.
Interview von Sonja Radkohl
Chefinspektor Werner Schenk kennt Graz wie seine Westentasche: Seit über 30 Jahren ist er auf Streife durch die Stadt unterwegs, davon die letzten fünf Jahre als Chefinspektor vom Bezirk Lend. Dieser ist aus polizeilicher Sicht speziell durch den Volksgarten eine Herausforderung. Erst vor ein paar Monaten gelang es der Polizei, dort drei Gruppen von Suchtgifthändlern festzunehmen. Schenk spricht mit annenpost.at über den Bezirk und erzählt von brenzligen Situationen und Erfolgen aus 30 Jahren Polizeiarbeit.
Chefinspektor Werner Schenk
Herr Schenk, sind Sie mit Leib und Seele Polizist?
Da habe ich eine Geschichte: Einmal war ich mit meiner Familie in Bärnbach bei der Kirche. Da ist mir in einem Seitenaltar etwas aufgefallen. Beim Nachschauen habe ich einen Opferstockdieb entdeckt. Dem bin ich durch die halbe Stadt nachgerannt und im Endeffekt habe ich ihn erwischt. Das war in meinem Urlaub.
Warum meldet man sich als Polizist für den Bezirk Lend?
Alle, die bei der Polizei weiter kommen wollen, bewerben sich speziell bei Dienststellen, wo es rundgeht. Da können sich vor allem junge Kollegen in kürzester Zeit sehr viel Wissen und Können aneignen.
Wie unterscheidet der Bezirk Lend sich von anderen Bezirken in Graz?
Hier gibt es mehr Kriminalität, speziell Drogenkriminalität.
Ist der Bezirk Lend also der Drogenhotspot von Graz?
Ja, gewisse Bereiche davon sind Drogenhotspot von Graz, vor allem die Parkanlagen. Natürlich gibt es Suchtgifthandel auch in der Schmiedgasse oder im Stadtpark, aber nicht so konzentriert wie im Bezirk Lend.
Laut Caritas Kontaktladen ist es im Volksgarten mit dem Suchgiftmittelhandel nach den Einsätzen der Polizei ruhiger, nach einer Zeit ist allerdings alles wieder beim Alten – kann die Polizei diesen Teufelskreis nicht mittels Prävention eher durchbrechen?
Wir sind eine Organisation, die auf Tatbestände reagieren muss. Prävention ist nur ein Teil der Arbeit. Außerdem ist sie nicht messbar. Wenn Polizisten durch den Volksgarten gehen, könnten sei dadurch zwei Raubüberfälle verhindert haben. Das können wir aber nicht wissen. Grundsätzlich gilt: Die Nachfrage regelt das Angebot. Solange es also Bedarf an Drogen gibt, wird es Anbieter geben.
Ist das nicht frustrierend, wenn all das immer wieder aufs Gleiche hinausläuft?
Wenn es frustrierend wäre, dann würde ich nicht hier sitzen.
Was hat sich in den Jahren, seit Sie im Bezirk Lend tätig sind, verändert?
Vor allem weil die Wohnungen hier sehr günstig sind, steigt der Anteil der Ausländer. Die ganze Welt ist zu Gast im Bezirk Lend. Wir sehen das aber nicht negativ, sondern versuchen, jeden gleich zu behandeln.
Hat sich in den Jahren schon die eine oder andere brenzlige Situation ergeben?
Ja, zum Beispiel wollte sich am Hauptbahnhof ein Selbstmörder mit einem Messer selbst töten. Er hat das Messer schon in der Hand gehabt, bereit zum Zustechen. Da war Handlungsbedarf – mein Kollege und ich haben nicht auf das Verhandlungsteam warten können. Ich habe ihn abgelenkt und der Kollege hat zugegriffen und konnte ihm das Messer abnehmen.
Was würden Sie als Erfolgserlebnis bezeichnen?
Wenn man jemandem helfen kann, ist es ein großes Erfolgserlebnis. Vor ca. drei Jahren hatten wir eine Gasexplosion, da haben zwei Kollegen eine Dame aus ihrer Wohnung ziehen müssen. Das war lebensgefährlich, weil das Gas noch gebrannt hat. Die Dame lebt heute noch.
Haben Sie manchmal das Gefühl, dass österreichisches Recht nicht gerecht ist?
Ich glaube, dass das österreichische Gesetz sehr durchwachsen ist. Als Österreicher habe ich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten und an die muss ich mich halten und an die muss sich auch der andere halten. Dass aber konkrete Hürden aufgebaut werden, daran möchte ich nicht glauben.
Würden Sie einem jungen Menschen raten, zur Polizei zu gehen?
Schon, weil er eine sehr große Lebenserfahrung im täglichen Leben sammeln kann. Man hat Umgang mit verschiedenen Menschen und die Perspektive ist größer, als in anderen Berufen. Man erlebt einfach mehr.