So kann es gehen: Da lebt man viele Jahre lang in Graz – einen guten Teil dieser Zeit sogar im Annenviertel – mit der naiven Überzeugung, sich hier bestens auszukennen. Doch dann bekommt man eines Tages von einem Kollegen die Frage gestellt, ob man denn das Schloss- und Schlüsselmuseum kenne. Wie bitte? Wo soll das sein? Und was könnte man sich darunter wohl vorstellen? Sofort tauchen Bilder vor dem inneren Auge auf, die ein winziges Hütterl zeigen, in dem unter einer dicken Staubschicht ein paar einzelne Schlüssel und daneben, um den Namen zu rechtfertigen, zwei oder drei rostige Schlösser liegen. Vielleicht noch das eine oder andere erklärende Kärtchen („Das ist ein alter Schlüssel“) dazu – fertig. Am Eingang (natürlich eine knarrende, tonnenschwere, spinnwebenverhangene Schmiedeeisen-Tür) wird man von einem uralten, buckligen Männlein empfangen, das den Portier, den Direktor und den Sammler in Personalunion verkörpert – der Schlüsselmeister also. Stumm deutet er ins Innere der Hütte, in der anderen Hand eine Petroleumlampe, auf der Schulter eine schwarze Katze…
So viel zu den spontanen Kopfbildern. Wenige Tage später aber passiert Folgendes: Man begibt sich mit besagtem Kollegen zur Wiener Straße 10 und wird in mehrerlei Hinsicht schwerst überrascht. Erstens: Von wegen Hütte. Es erwartet uns ein dreistöckiger, moderner Bau, in dem problemlos eine Sporthalle Platz hätte. Zweitens: Von wegen altes Hutzelmännchen. Nachdem wir artig geläutet haben, wird uns die Tür von einer jungen, äußerst freundlichen Dame geöffnet, die uns in den ersten Stock zur Kassa bittet und danach einen kleinen, feinen Schwall an Informationen über uns ergießt.
Unter anderem erfahren wir, dass der Fokus mitnichten nur auf Schlösser und Schlüssel beschränkt ist: Wir befinden uns im Museum für Schloss, Schlüssel, Kästchen, Kassetten und Eisenkunstguss. Aufgrund des langen, etwas sperrigen Namens könnte der Verdacht aufkommen, dass während des Museumsrundgangs Langeweile aufkommt. Dem ist aber keineswegs so! Unter den 13.000 Exponaten, die auf drei Stockwerke verteilt sind, befinden sich nämlich auch Dinge, die man auf den ersten Blick nicht unbedingt erwarten würde – Totenköpfe, Folterinstrumente und Keuschheitsgürtel inklusive.
Da hat sich also jemand wirklich etwas angetan! Wie durch einen Palast geht die Wandertour, vorbei an eisernen Grabkreuzen, wunderschön gearbeiteten Kisten und Kästchen, Nussknackern in Eichhörnchenform, Büsten berühmter Österreicher/innen oder Schildern mit wahrhaft lyrischer Beschriftung: „Wer nicht opfert, der wird kropfert.“
In der dritten und damit obersten Etage wird es exotisch. Hier gibt es afrikanische, indische, islamische oder japanische Metallkunst.
Als nächster Besuchstermin sei an dieser Stelle dringend der morgige Samstag erwähnt. Denn das Schloss- und Schlüsselmuseum ist neben einigen anderen Austragungsort der „Langen Nacht der Museen 2012“.
Ein vielsagender Blick ins Gästebuch
Im Rahmen der Langen Nacht der Museen wird der in Graz lebende Künstler Oskar Stocker in der Hanns Schell Collection zu Gast sein und unter dem Titel „Stage of Change“ Porträts vorstellen. Welche weiteren Highlights noch auf die Besucherinnen und Besucher warten, wird an dieser Stelle noch nicht verraten.
Neben dem Schloss- und Schlüsselmuseum werden auch andere Kulturinstitutionen wie der „Medienturm“, das Grazer Kunsthaus oder „Druckzeug – die Druckwerkstätte im Annenviertel“ im Zuge der Langen Nacht der Museen ihre Türen geöffnet haben. Und zwar abseits der üblichen Öffnungszeiten, nämlich von 18:00 bis 01:00 Uhr früh.
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HANNS SCHELL COLLECTION
Museum für Schloss, Schlüssel, Kästchen, Kassetten und Eisenkunstguss
A-8020 Graz | Wiener Straße 10
Weitere Informationen:
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Erfrischend, so einen positiven Bericht über das Schloss- und Schlüsselmuseum zu lesen – leider ist dieses bestausgestattete und hochinteressante Museum medial völlig unterbewertet –