Auf Spurensuche im Annenviertel

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Letzten Dienstag war es wieder soweit. Der vorletzte der vier Spaziergänge durch das Annenviertel fand statt. Anton Lederer, Mitgründer des Kunstvereins <rotor> Graz, begab sich mit seinen Gästen auf die Suche nach besonderen Zeichen, Schriften, Orten und Verkehrszeichen, die oft nicht wahrgenommen werden.

Pünktlich um 17 Uhr sind bereits interessierte Spaziergänger aller Altersgruppen im Baustellenbüro in der Annenstraße 40 eingetroffen. ,,Wie sich Menschen in das Stadtbild schreiben fasziniert mich“, so Anton Lederer in seiner Begrüßung. ,,Zeichen, Statements werden einfach hingeklebt oder gemalt. Dass diese vergänglich sind, macht wohl den Reiz aus.“

Schon die erste Station des Spazierganges sorgt für Schmunzeln. Grund dafür ist eine auf den ersten Blick relativ uninteressante Namensunterschrift in kyrillischer Schreibschrift, die sich direkt vor dem Eingang des Baustellenbüros befindet. Denn lustigerweise enthält dieser Vorname einen Schreibfehler, den auch eine teilnehmende Spaziergängerin bestätigen kann. Was ursprünglich „Nikolai“ heißen sollte, wurde zu „Njkolaj“.

Wir wechseln auf die andere Straßenseite. Dort befindet sich der Verein zur Förderung von Jugend, Kultur und Sport (Jukus). Im Schaufenster des nebenan liegenden Lebensmittelladens für Produkte aus Indien, Pakistan, Afghanistan und Afrika stechen drei große Aufkleber ins Auge. Diese verweisen auf Geldversand ins Ausland. Lederer hat zu diesem Thema recherchiert und berichtet, dass Migranten jedes Jahr rund 780 Millionen Euro in ihre Heimat schicken. Oft handle es sich dabei um ihr einziges Einkommen; um ihre Familien zu unterstützen stürzen sich viele selbst in die Schuldenfalle. Da beim Geldtransfer ins Ausland stets hohe Spesen anfallen, verschicken viele Migranten  ihr Geld oft einfach im Reisegepäck in die alte Heimat oder geben ein Kuvert an einen Busfahrer weiter.

Der Spaziergang führt nun in die Idlhofgasse. Wir stoppen bei einem bunt beklebten Verkehrsschild. Auf diesem sind Werbesticker für einen Radiosender und ein Hip-Hop Festival angebracht. Besonders merkwürdig erscheint ein auf dem Schild mit Klebestreifen angebrachter, bunter Zettel, auf dem sich die Signatur einer Person befindet. ,,Da das Sprayen und Beschriften nicht legal ist, ist das eine beliebte Form um sich auszudrücken“, sagt Lederer. Schräg gegenüber befindet sich ein türkischer Feinkostladen, bei dem er uns ein über dem Eingang angebrachtes „Open“ Leuchtschild zeigt, das hinter einer Scheibe über der Tür hängt. Nur bei genauerem Hinsehen kann man die auf der Scheibe klebenden Schriftzüge “Herzlich Willkommen“ auf Türkisch und Deutsch erkennen.

Weiter geht es in die Niesenberger Straße. Die lange Mauer, die dort an das Spitalsgelände der Elisabethinen grenzt, offenbart wahre Kunstwerke der Graffitiszene wie beispielsweise ein buntes „Findet Nemo“ Graffiti und eine gewagte Beschriftung auf dem Tor, das zum Krankenhaus führt: „Der Herr gibt’s… der Herr nimmt’s“. Die Mauer wurde vor zwei Jahren für Sprayer freigegeben. Auf der linken Straßenseite befindet sich ein eingezäunter Garten. Auf einem schwarzen Schild über dem Eingangstor steht: „1. Grazer Psst Zone“. Hinter diesem aussagekräftigen Schild verbirgt sich ein Gemeinschaftsgarten, der zum Kulturzentrum Niesenberger gehört.

Wir befinden uns nun vor der St. Andrä Kirche. Bei Touristen löst deren Fassadengestaltung immer viele Fragen aus. 50 Wörter in verschiedenen Farben wie „Skepsis“ oder „Schafherde“ schmücken diese. Lederer erklärt: “Unter der Gestaltung von Gustav Troger wurde die einst triste Fassade saniert und kreativ gestaltet.“ Troger ließ sich dabei von der Farbkarte der Firma Adler inspirieren und ordnete jede Farbe einem bestimmten Begriff und einer speziellen Typografie zu.

Das nächste Kunstwerk erwartet die Spaziergänger in der Dominikanergasse. Bereits im Mai letzten Jahres bekam das Kinderparlament Graz dort eine Wand zur Verfügung gestellt, die die Kinder nach Belieben mit Graffitis gestalten konnten. Ein beinahe lebensgroßer Wal schmückt jetzt diese Mauern.

Die letzte Station des Spazierganges befindet sich in der Marschallgasse. Wir werden auf ein besonderes Highlight aufmerksam gemacht. Lederer deutet auf eine Hauswand, in der sich ein unscheinbarer Schaltkasten befindet. Heute ist er leer. Früher jedoch wurde der Kasten als Ausstellungsraum für Kunstprojekte genutzt oder schlichtweg um Dinge hineinzugeben oder herauszunehmen. Vielleicht lässt künftig wieder der eine oder andere etwas Geheimnisvolles darin zurück.

 

 

Angela Mader über mich: Dunkelblonde Lockenpracht, vollmondförmige, blau-graue Augen und Lachfalten, die bei ihrem häufigen Grinsen gut zur Geltung kommen. Ihr Charakter zeichnet sich durch ihre gnadenlose Hilfsbereitschaft aus. Egal wie verworren und unlösbar die Situation erscheint, sie hält stets mehr oder weniger ernst gemeinte Ratschläge parat. Die Kommunikation ist ihr Metier, Klatsch oder Tratsch wird stets auf Facebook diskutiert, selbst zu späten Nachtstunden. Ihr Organisationstalent bei Partys und auf Reisen in spanische Länder steht in Kontrast zu ihrer Angewohnheit, Aufgaben erst kurz vor der Deadline zu erledigen. Ohne raffinierte Glitzerelemente auf ihren heiß geliebten Sneakers sowie auf Shirts geht nichts. Mode und Styling werden zur Religion erklärt, der Satz „Jo des geht jo goar ned.“ bezieht sich auf Outfits der Mitmenschen, Musikrichtungen, in denen weder House noch ein DJ vorkommen, sowie die Tatsache, dass gewisse Leute nie auf ihr Handy blicken. Das ist sie.

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