Christian Dobnik, um die fünfzig, ist der Chef des Café Foyer. Sein Äußeres lässt unwillkürlich den Eindruck entstehen, er sei furchtbar müde und leide an Schlaflosigkeit. Tatsächlich hat er eine gewisse Art in seinem Café von Tisch zu Tisch zu wandeln, dennoch steckt dahinter eine agile Zielstrebigkeit und eine bodenständige Freundlichkeit. Er ist Chef, aber auch Freund und Kumpel. Er bringt das bestellte Bier, kassiert und schreitet zurück hinter den Tresen. Er hört zu, unterhält sich mit Gästen über Gott und die Welt, schwadroniert und artikuliert. Manchmal klar, zeitweise verträumt klingend.
Im März werden es acht Jahre. So lange gibt es das Café bereits. „Hab das ganze bisher dreimal umgebaut. Jetzt ist’s so, wie’s ist.“ Dobnik greift zu seinen Zigaretten, hinter ihm reiht sich Glas an Glas. Grinsend blickt er als zusammengesetztes Puzzle von der Wand, anscheinend ein Geschenk zu einem vergangenen Geburtstag. Er steckt sich eine Zigarette an. Der Beginn des heute einigermaßen florierenden Café-Betriebes war schwierig, in der Früh kamen einige Gäste, zu Mittag ein paar, dann saß er alleine da, bis in den Abend. „Ein stures Volk in der Annenstraße, bis sie dich akzeptieren.“ Das erste Jahr kann man durchaus als Bewährungsprobe bezeichnen, so gab es viele Probleme mit Alkoholikern und „Tschecheranten“, erinnert sich der Chef und äscht in den gläsernen Aschenbecher. „Die wollten erst mal austesten, was ist da, wo bekommt man was zum trinken. Da muss man halt am Anfang sehr radikal sein. Die können auch eine Gaude haben, aber wird‘s ungut, tut‘s mir leid.“ Das Annenviertel gefällt ihm dennoch sehr. „Es sind sehr interessante Menschen in der Gegend, und jo, es ist nicht so ein schlechtes Viertel.“
Der Zigarettenrauch schwebt dem riesigen Kristallluster, der von der Decke hängt, entgegen, scheint den Kronleuchter umarmen zu wollen, verflüchtigt sich schließlich. Durch die großen Auslagenfenster blickt man auf die Annenstraße, Passanten eilen draußen vorbei, eine Straßenbahn rumpelt zur Station. „Wenn die Annenstraße früher wirklich so schlecht gewesen wäre,“ betont Dobnik, „dann wär‘ ich jetzt nicht mehr da. Es hat immer funktioniert.“ „Noch eins“, meint ein rotgesichtiger, hagerer Gast und deutet auf das leere Bierglas vor ihm. Er zieht einen zerknautschten Geldschein aus einer braunen speckigen Geldtasche. „Zahlen tu ma nachher“, weist ihn Dobrik freundlich zurecht. Die restlichen Gäste murmeln miteinander, die Köpfe zusammengesteckt. Ab und an lacht ein Anwesender auf. Prominente aus längst vergangenen Epochen lächeln einen von der Wand aus zu. Unvergängliche Aufnahmen von Errol Flynn, Steward Granger, Ingrid Bergmann und vielen mehr. Dass (noch lebende) Prominente schon das Café besuchten und hin und wieder vorbei schauen, verwundert ob der gemütlichen Atmosphäre und dem unbeabsichtigten Berliner Charme nicht. „Zucchero war da und Stermann und Grissemann. Der Mundl, wie heißt er, Sackbauer. Dann haben wir noch ein paar Schriftsteller da gehabt.“
Die Glastüre geht auf, herein tritt eine Frau in den 30ern, sie trägt eine Winterjacke und mehrere Plastiktüten in der Hand. Zielstrebig geht sie zu einem Tisch am Fenster. „Hallo Süße!“, begrüßt sie der Chef und erkundigt sich nach ihren Wünschen. Etwas später nimmt sie einen Schluck vom Bier und Dobnik, lässig an die Bar gelehnt, meint, dass es schon sehr viele Stammgäste gebe. „Am Tag sind Stammgäste da, von den umliegenden Firmen. Am Abend ist‘s hauptsächlich Kinopublikum.“ Er deutet mit der Zigarette auf den Herren mit dem rotem Gesicht. „Sehr nette Gäste am Tag.“ Der Mann blickt auf, lächelt gequält. „Na, das stimmt schon, mit den netten Gästen“ schiebt Dobnik augenzwinkernd nach. „Muss ich jetzt sagen.“ Er bedient die Kaffeemaschine, es schäumt und zischt. Der Keks oder die kleine Schokolade zum Kaffee sind obligatorisch. Einmal gab der Chef sogar gratis Brötchen aus, „bevor ich sie wegschmeiß'“, murmelte er damals.
Eine andere Kaffeemaschine steht stumm am Fenster, Pflanzen in kleinen Blumentöpfen lassen ihre langen grünen Arme auf die verstaubten Bedienungselemente und Hähne hängen. „Die gehörte dem Vorgänger“ meint Dobnik. Der Vorbesitzer hätte auch den mächtigen Luster an der Decke montiert. „Ich wollt‘ im Grunde genommen ein Wohnzimmer schaffen. Wo man ganz einfach herein kommt, relaxen und blöd reden kann. Was manche machen.“ Der seltsamste Gast bisher bestellte ein Bier, rannte in die Toilette und begann zu schreien. „Der ist auf’s Klo gegangen und hat am Klo geschrien. Dann hab ich ihm das Bier weggenommen, sein Geld zurückgegeben und hab ihm gesagt, er kann gehen.“ Der Gast kam noch dreimal, beharrte jedes Mal darauf, noch nie im Café gewesen zu sein. Eine Anekdote, die sich immer wieder gut erzählen lässt.
Dobnik dämpft die Zigarette aus. „Es ist nicht so dass ich im Reichtum schwimme, muss meine Groschen auch zusammenhalten. Im Winter geht‘s, im Sommer ist‘s schwerer.“ Eventuell wird er einmal ein zweites Café aufmachen. „Wenn der Kredit dann mal weggezahlt ist“, ergänzt der Chef. Die Tür geht auf, wieder fährt eine Straßenbahn vorbei, die Kaffeetassen klirren auf den Tellern. „Schauen wir mal, lassen wir uns überraschen.“
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www.cafefoyer.at
www.facebook.com/cafe-foyer
Annenstraße 29, 8020 Graz
Öffnungszeiten:
Mo bis Sa 06.00 – 24.00 Uhr
So und Feiertage 17.00 – 24.00 Uhr
[…] meinem absoluten Lieblingscafé, dem Café Foyer in der […]