Let there be rock

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Das Narrenschiff sticht wieder in See, die rollende Tocoshow kommt wieder in unsere Stadt!

Sonntagabend vor dem Orpheum. Eine Menschenmenge aus Hipsters und grau melierten Alternativen sammelt sich. Seelenruhig wartet man auf das Konzert der deutschen Indie-Rock Legenden Tocotronic. Von gespannter Erwartung und jugendlicher Hysterie, wie vor anderen Rock-Konzerten ist keine Spur. Beinahe jeder weiß was auf ihn zukommt und ist genau deshalb hier. Tocotronic ist keine Band, die die großen Massen anspricht, geschweige denn mobilisiert  – zu ironisch sind die Texte, zu intellektuell der Touch für das gewöhnliche Publikum . Die Hamburger können auf eine treue Fan-Schar zählen, für kaum einen ist dies das erste Tocotronic-Konzert.

Gespanntes Warten im Foyer

20:00 – Der Beginn der Show ist noch lange nicht in Sicht, Hunderte haben es sich auf den flachen Stufen im Orpheum bequem gemacht. Kiddies, die versuchen, sich frühzeitig Plätze in der ersten Reihe zu reservieren? – Fehlanzeige. Der Altersschnitt liegt, wie auch später zu Konzertbeginn, jenseits der dreißig. Der Autor dieser Zeilen wirkt, mit seinen zarten zwanzig Jahren, wie ein Fremdkörper. Der viel zitierte Song „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“, wirkt angesichts des Publikums, das sich teilweise schon im Midlife-Crisis-fähigen Alter befindet, brillanter denn je. Jung sind hier nur sehr wenige, jung geblieben fast alle.

20:20 – Die Vorband „It’s a musical“ betritt die Bühne. Verhaltener Höflichkeitsapplaus begleitet das eher unbekannte deutsch-schwedische Duo heraus. Der liebliche Indie-Sound mit elektronischen Einflüssen scheint jedoch zu gefallen. Dass der Applaus nach jeder Nummer lauter wird, liegt nicht nur daran, dass ständig mehr Leute in die Halle kommen. Überschwänglicher Jubel brandet dennoch nicht auf, zu groß ist die Vorfreude auf Tocotronic.

It’s a musical

21:10 – Die Lichter gehen aus, es folgt ein unüblicher und umso eindrucksvollerer Auftritt. Ein Video der NGO „Pro Asyl“ läuft auf der Leinwand, es wird mucksmäuschenstill. Nach großem Applaus für das bedrückende Video kommt unter noch größerem Applaus die Band auf die Bühne. Schnörkellos betritt Dirk von Lowtzow mit seinen Konsorten die Bühne, nimmt das Mikrophon, streckt die Faust himmelwärts und sagt schlicht: „Hallo Graz!“ Was folgte, war das übliche Wechselspiel von parolenhaftem Punk und tiefsinnigen Hymnen. Dazwischen stets ironische und kryptische Ankündigungen, wie etwa „Dieses Lied handelt von der Wiedergeburt als Geranie im Keller“ oder „Das ist ein  Protestsong gegen den Tod… Das wird man doch mal sagen dürfen.“ Die Reaktionen im Publikum reichten von Lachen bis Unverständnis.

Seit 20 Jahren auf Tour: Tocotronic

Besonders erfreut waren die Fans über die Ansage zu „Drüben auf dem Hügel“. Da hieß es: „Diesen Song haben wir erstmals 1994 hier in Graz gespielt, als Vorband von Blumfeld, und seitdem bei keiner Show nicht.“
Die inzwischen zwanzig Jahre alte Band und ihre Fans haben inzwischen Falten bekommen, die Lieder hingegen sind zeitlos und haben nichts an Ihrer Bedeutung verloren. Zustimmend nickte das Publikum zu jedem Song. Während der ganzen Show blieb es aber alles in allem sehr ruhig. Kein Gekreische, kein Mitklatschen, kaum Mitsingen. Man war hier, um eine großartige Band zu sehen und zu hören, richtig laut wurde es nur zwischen den Songs.

22:45  – Nachdem sich die Band mehrmals verabschiedet hat, leert sich langsam der Saal. Der erfahrene Konzertbesucher weiß aber, dass so lange das Saallicht nicht eingeschaltet wird, noch etwas kommen muss. Etwa die Hälfte der rund 1.500 Zuseher war noch in der Halle, als es kurz vor 23 Uhr erneut laut und die Bühnenbeleuchtung erneut hell wurde. Doch die Band kam nicht, vorerst. Stattdessen tönte über die Lautsprecheranlage „Die großen weißen Vögel“ von der deutschen Chansonnière Ingrid Caven. Nach dieser Einlage mit Gänsehautatmosphäre erschien Tocotronic ein letztes Mal auf der Bühne, um alle, die gewartet haben, mit ihrem wohl größtem Hit zu belohnen – „Let there be Rock!“

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Let there be Rock

Geboren, aufgewachsen und wohnhaft in Graz. Seit jeher Sturmfan, seit Jahren in der Kurve, erste Reihe, 90 Minuten mit der Fahne. Zwischen den Spieltagen schreibt er für den großen Fußballblog Sturm12.at. Seine zweite große Leidenschaft neben Fußball ist, klar ersichtlich an seinem vielbehangenen Handgelenk, die Rockmusik. So sicher wie bei ihm die Festivals im Sommer sind, sind im Unterricht die frechen Kommentare.

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