Schrill, vielfältig und unkonventionell. Willkommen im „Lehrerzimmer 8020″. Die Gemeinschaftsproduktion des TiB (Theater im Bahnhof) und des Schauspielhaus Graz entführt die Besucher in den knallharten Lehreralltag. Unter der Leitung von Textautor Lorenz Kabas und Regisseur Helmut Köpping feierte das Theaterstück am 9. März auf der Probebühne des Grazer Schauspielhaus seine Premiere. Die Annenpost besuchte die Vorstellung am 27. Mai, um gemeinsam mit Helmut Köpping eine Zwischenbilanz zu ziehen.
„Die Idee zum Stück hatte eine Schauspielerin, die jetzt auch mitspielt. Sie schlug vor, einmal hinter die Kulissen zu schauen und hat dadurch das Stück angeregt“, berichtet Köpping von der Motivation zum Stück. „Lehrerzimmer 8020“ bedient sich gekonnt der gängigen Klischees und schreckt auch nicht vor komplexen Themen wie Integration und Burnout zurück. „Wir haben uns entschieden, „8020“ als Teil des Titels des Stückes zu verwenden. 8020 ist ein Bereich in Graz, in dem Integration ein präsentes Thema ist. Da wir vorher ein Stück auf der anderen Murseite gemacht haben (Die Kaufleute von Graz), wollten wir auch die Kontraste zwischen den Stadtteilen aufzeigen“, erzählt Köpping. Der Reiz, sich mit dem Lehrerthema auseinanderzusetzen, war groß. „Jeder hat Schulerlebnisse. Lehrer haben ein ziemlich schweres Standing, haben mit vielen Faktoren zu kämpfen. Deshalb haben wir uns so bemüht. Wir sehen jetzt, dass ganz viele Lehrerinnen und Lehrer kommen“, so Köpping.
Der Fokus des Stücks sei laut Köpping nicht eindeutig definierbar. Die Herausforderung und Überforderung der Lehrer stehe im Vordergrund. Angesprochen auf die Kernaussage des Textes erzählt Köpping, dass es um existenzielle Fragen gehen würde, die diese Berufsgruppe beschäftigen. „Es geht nicht darum, ob das System schuld ist oder die Einzelmenschen, die da drinnen sind. Es ist eher eine Spiegelung des Themas. Wir verwenden die Motive, die uns in der Recherche untergekommen sind.“
Das Feedback zum „Lehrerzimmer 8020“ sei laut Regisseur größtenteils positiv: „Das Feedback kommt über kleine, spontane Reaktionen nach der Vorstellung. Lehrer fühlen sich verstanden, weil sie in derselben Situation sind. Diese Wiedererkennung steht im Fokus. Dieser Abschnitt ist gut gelungen. Im Schulkontext würde ich mir und dem Team ein Gut als Note geben.“
Der Blick in den Mikrokosmos eines Lehrerzimmers ist gelungen. Daran ist maßgeblich das Ensemble beteiligt. Monika Klengel, als überengagierte Schuldirektorin, die Dialekt liebende und aggressive Englischlehrerin Beatrix Brunschko sowie der verwegene Mathematiker Florian Köhler stechen hervor. Begleitet werden die Akteure von einem Gesangstrio (Juliette Eröd, Pia Hierzegger und Seyneb Saleh), das das Gewissen der Direktorin spielt. Norbert Wally und Albrecht Klinger runden das Stück mit schwungvoller Saitennmusik ab.
Interview mit Regisseur Helmut Köpping
Kritik zu „Lehrerzimmer 8020“
„Alle Aufführungen ausverkauft“, liest man, sobald man sich im Internet über „Lehrerzimmer 8020“ informiert. Und das, zu Recht.
Eine Lehrerin, die nervlich am Ende ist, stürzt gleich zu Beginn des Stückes von der Bühne – und rein in eine Erholungskur. Burn-outs unter Lehrern und die Integrationsthematik in Schulen, vor allem im Bezirk 8020, werden in zwei Stunden so humorvoll, realitätsgetreu und unglaublich ergreifend dargestellt, dass man zum ersten Mal im Leben Mitleid mit seinen eigenen Lehrern bekommt.
Alle der acht Schauspieler brillieren in ihren unterschiedlichen Lehrercharakteren, und schaffen es, das Leid des Lehrerdaseins unverblümt darzustellen. Der eine als unbeholfener und verunsicherter Mathelehrer, der andere als lockerer Englischlehrer, der versucht auf die Wünsche der Schüler einzugehen und dafür nichts als Spott erntet. Eine andere Englischlehrerin kann sich wiederum nicht vom strikten Frontalunterricht trennen. Abgerundet wird das Lehrerteam von einer überengagierten und zielstrebigen Direktorin, die für ihre Schule mittels Pilotprojekten nach den Sternen zu greifen versucht.
Belohnt für die Mühen und Strapazen, die sowohl die Lehrer als auch die Direktorin auf sich nehmen, werden sie mit Stress, Undankbarkeit und Streitigkeiten untereinander.
Neben den acht Hauptakteuren in der Schule findet man auf der Bühne drei schwarzhaarige Damen in paillettenbesetzten Kleidern, vor, die die „inneren Stimmen“ der Direktorin darstellen. Diese reden ihr, meist mit einer Zigarette im Mund, immer wieder mittels klangvollen Liedern und spitzen Kommentaren ins Gewissen. Einmal als guter Engel, ein anderes Mal als böses Teufelchen. Musikalisch wird das ganze Spektakel von einem Musikerduo, bestehend aus einem Bassisten und einem Gitarristen, begleitet.
Pointierte Spitzen gegen das österreichische Schulsystem, unangenehm realitätsnahe Szenarien aus dem Lehrerzimmer und eine absolute Spitzenleistung der Schauspieler machen es zu einer Freude, sich das in der Realität bedauernswerte Schauspiel anzusehen.
Interview und Text von Angela Mader und Lisa Putz
Fotos von Angela Mader