Ein Gemeindebau in Floßlend am Rande des Kalvariengürtels. Hinter den gelben Mauern leben 420 Menschen. 12 verschiedene Sprachen werden gesprochen. Der älteste Bewohner ist 95 Jahre alt, der jüngste 2 Monate. Bei so viel Verschiedenheit ist das Zusammenleben nicht immer einfach. Am Freitagnachmittag versammeln sich viele dieser Nachbarn im Innenhof des Wohnbaus. Sie feiern das Nachbarschaftsfest, das zugleich der Auftakt für ein dreijähriges Projekt ist: „NaNet – Nachbarschaftsnetzwerk Floßlend“ soll das friedliche Zusammenleben fördern.
Die Kinder spielen gemeinsam im Hof des Gemeindebaus
Durchgeführt wird das Projekt vom Friedensbüro Graz und finanziert vom Fonds Gesundes Österreich. „Die Gesundheit hängt auch mit guter Nachbarschaft zusammen“, erklärt Ursula Hauszer vom Friedensbüro. Wer zuhause nicht entspannen kann, weil er sich mit Nachbarschaftskonflikten herumschlagen muss, lebt ungesund. Damit soll in Floßlend jetzt Schluss sein.
Ursula Hauszer vom Friedensbüro
Barbara Degen ist seit 1994 Hausbesorgerin in der Siedlung und kennt die Schwierigkeiten im Zusammenleben. Generationenkonflikte, Unachtsamkeit in der Benutzung des Innenhofs und die unterschiedlichen Nationalitäten zählen zu den Herausforderungen im Alltag.„Probleme in der Siedlung müssen immer miteinander gelöst werden“, sagt sie. An die Regeln haben sich aber alle zu halten. Da müsse auch manchmal durchgegriffen werden.
Für Projektleiterin Marlies Wiltsche ist es wichtig, die Menschen selbst entscheiden zu lassen, was gemacht werden soll und sie dann dabei zu unterstützen. Deshalb führte sie im Zuge des Projekts auch eine Umfrage zur jetzigen Nachbarschaftssituation durch. Die befragten Nachbarn werteten den Kontakt untereinander als gut, Unzufriedenheit herrschte bei Themen wie Hofgestaltung oder beim fehlenden Angebot für die Jugend. Viele Bewohner sind auch mit der Wohnsituation nicht glücklich. „Manche Dinge können natürlich auch wir nicht lösen. Wenn die Wohnung zu klein ist, können wir sie nicht aufblasen“, sagt Ursula Hauszer. Trotzdem versuche man überall zu vermitteln. Gerade diese Mediatorenfunktion sieht auch Bezirksrat Otto Trafella als Kernpunkt des Projekts: „Für die Bewohner ist es wichtig, eine Ansprache zu haben – jemanden, an den sie sich wenden können“.
Projektmitarbeiterin Jasmina Keser, Hausbesorgerin Barbara Degen und Projektleiterin Marlies Wiltsche (v.l.)
Um den Menschen einen gemeinsamen Raum zu geben wurde auch ein Nachbarschaftszentrum in einem ehemaligen Geschäftslokal eröffnet. Es soll Treffpunkt und Anlaufstelle für die Siedlungsbewohner werden.
Noch sieht es etwas leer aus: Das Nachbarschaftszentrum soll nach den Bedürfnissen der Siedlungsbewohner eingerichtet werden
Auch Bürgermeisterstellvertreterin Martina Schröck sowie Stadträtin Elke Kahr und Landesrätin Bettina Vollath waren am Nachbarschaftsfest anzutreffen. Vom Land Steiermark werden insgesamt 78 Projekte zum Thema Nachbarschaft seit Mai gefördert. „NaNet“ ist eines davon. „Heute wird so viel delegiert. Man muss den Menschen ihre Probleme quasi wieder zurückgeben, um sie lösen zu können“, so Vollath.
Bettina Vollath im Kreise der Nachbarn
Auch Martina Schröck schaute am Fest vorbei
Das Nachbarschaftsnetzwerk schließt an das Vorgänger-Projekt „Hallo Nachbar“ des Friedensbüros an, das in fünf Siedlungen durchgeführt wurde. Es ging darum, neue Nachbarn im Wohnbau zu begrüßen. Wie „NaNet“ sollte auch dieses Projekt nachhaltig wirken. „Wir geben den Anstoß, dann müssen die Leute selbst aktiv sein. Wenn das Projekt nach drei Jahren vorbei ist, soll etwas davon bleiben“, erklärt Hauszer. Das Projekt lenke die Aufmerksamkeit auch einmal in eine Gegend von Lend, die oftmals vergessen wird. „Hier sind wir außerhalb der Kreativ-Wirtschaft rund um den Lendplatz“, so Hauszer. „Hier leben Menschen wie du und ich – im Gemeindebau.“
Elke Kahr besuchte das Fest mit ihrem Sohn