Wäre vor dem Geschäft nicht eine überdimensionale Eistüte aus Plastik aufgestellt, man würde nicht vermuten, dass hier Eis verkauft wird. Schon gar nicht „das beste Eis Venedigs“. Der Laden ist modern eingerichtet, ein kitschiger Luster hängt von der holzvertafelten Decke. Der Italiener Doriano Bortoletto begrüßt uns freundlich mit „Ciao!“ und gibt uns zu verstehen, dass wir auf seinen Mitarbeiter Franco warten müssen, der dolmetschen wird. Seit diesem Frühjahr betreiben die beiden die Gelateria „L’Originale“ in der Annenstraße. Schließlich plaudert Doriano mit uns in Italienisch-Deutsch-Kauderwelsch über Politik, seine schlechten Deutschkenntnisse, seine Freizeit als Pilot und natürlich über sein Eis.
Eisverkäufer Franco (links) übersetzt für die Annenpost, was sein Chef Doriano sagt
Doriano, woher aus Italien kommen Sie?
Doriano: Aus Venetien. Dort besitze ich fünf Eissalons.
Was ist ihr Lieblingseis?
Doriano: Tiramisu ist die mit Abstand beste Sorte, die es gibt.
Haben Sie in Graz schon einmal wo anders Eis gegessen?
Doriano: Bei Charly Temmel und bei Luis. Das war aber nicht so gut.
Essen sie jeden Tag ein Eis?
Doriano: Nein, ich esse es vielleicht drei bis vier Mal die Woche, aber nicht jeden Tag. Man muss auch mal etwas anderes essen als Eis.
Das Jolly, das wir ihm mitgebracht haben, schmeckt dem Eis-Spezialisten nicht besonders
Warum sind sie nach Graz gekommen?
Doriano: In Italien laufen Wirtschaft und Politik gerade ziemlich schlecht. Das ist eine Katastrophe. Die Steuern sind auch so hoch, wir müssen sieben Monate arbeiten, um sie abzudecken. In Österreich muss ich weniger Umsatz- und Mehrwertsteuer bezahlen.
Franco, warum sind auch Sie nach Graz gekommen?
Franco: Ich dachte, ich habe in Österreich mehr Chancen. In Italien ist es sehr schwierig.
Was macht ihr Eis so besonders?
Doriano: Wir machen Eis auf die italienische Art, das heißt ohne Konservierungsstoffe und nur mit natürlichen Produkten. Unser Eis ist auch zum besten Eis Venedigs gekürt worden!
Fahren sie oft nach Venedig?
Doriano: Ja, aber ich wohne in Graz. Nach Italien fahre ich jede Woche, um Produkte für den Eissalon zu kaufen. Hier gefällt es mir sehr gut. Es gibt viel Kultur zu sehen. Ich war schon in ein paar Museen.
Warum haben Sie gerade hier den Laden eröffnet?
Doriano: Das war der erste Platz, den ich gefunden habe. Wir wollen auch ein Restaurant in der Heinrichstraße aufmachen. Graz ist ein guter Ort dafür, weil es hier noch nicht so viele Italiener gibt. Wir werden hauptsächlich Nudeln anbieten – Spaghetti, Macaroni, Lasagne, Tortellini, etc. Und natürlich verschiedene Vorspeisen. Im September wird es eröffnet.
Wie läuft das Geschäft im L’Originale?
Doriano: Momentan kommen nicht so viele Leute, aber in den nächsten Jahren werden es mehr werden, glaube ich. Vor allem auch, wenn die Baustelle weg ist. Das Geschäft läuft nicht außergewöhnlich gut, aber ganz passabel.
Wie lange haben sie in Deutschland gelebt?
Doriano: 18 Jahre. Ich hatte drei verschiedene Eisläden.
Warum sprechen Sie dann nicht besser Deutsch?
Doriano: Ich habe eben viel im Labor und nicht im Verkaufsraum gearbeitet. Lieferanten und Verkäufer sprechen besser Deutsch.
Und sie, Franco? Sie sprechen besser Deutsch, weil sie verkaufen?
Franco: Ich habe 14 Jahre lang in Deutschland gelebt. Ich habe schon viel mit den Leuten zu tun gehabt. Vermutlich spreche ich deshalb besser Deutsch, ja.
Wie nehmen Sie die österreichische Mentalität war?
Franco: In Italien sind die Menschen offener, in Bayern ist es auch so. Die Österreicher sind verschlossener. Wenn man die Leute kennen gelernt hat, öffnen sie sich allerdings.
Sie sagen, in Italien ist die politische Situation schlecht. Wer ist denn ein guter Politiker?
Doriano: Berlusconi.
Warum?
Doriano: Er hat gute Ideen, schaffte Arbeitsplätze und hat eine gute Politik gemacht. Aber seine Gegner sehen das anders. In Italien ist die Hälfte der Leute für Berlusconi und die andere eben dagegen.
In Österreich hat er keinen guten Ruf.
Doriano: Berlusconi hat viel Geld, die Leute sind neidisch auf ihn, aber er hat gute Politik gemacht. Gegen Ende hin war er dann gierig. Das ist das Problem, warum Berlusconi auch in Italien nicht mehr so beliebt ist.
Was machen Sie im Sommer noch? Fahren sie Urlaub?
Doriano: Nein, ich habe viel Arbeit mit dem Eisgeschäft und dem Restaurant.
Sind Sie überhaupt schon einmal im Sommer auf Urlaub gefahren?
Doriano: 10 Jahre lang habe ich keinen Urlaub gemacht, auch nicht im Winter.
Kaufen die Leute denn im Winter Eis?
Doriano: Naja, ich biete da auch andere Dinge wie Glühwein und Kaffee an. Aber Eis wird auch gekauft. Im Winter haben wir die Vitrine zwar nicht ganz gefüllt, aber wir bieten circa die Hälfte des Sortiments an.
Wie wird man Eishändler?
Doriano: Man muss eine Leidenschaft dafür haben. Man muss es einfach gerne machen. Ich habe mir alles selber beigebracht.
Wohin würden sie gerne Urlaub fahren?
Doriano: Ich würde sofort nach Miami, Florida fahren! Ich habe Freunde dort.
Woher kennen Sie Leute in Florida?
Doriano: Ich kenne sie vom Fliegen. Ich bin Hobby-Pilot.
Haben Sie denn Zeit zum Fliegen?
Doriano: Jetzt weniger, aber früher bin ich oft geflogen.
Wohin fliegen sie da?
Doriano: In Venedig. Eigentlich in ganz Italien. Früher auch nach Deutschland oder Amerika.
Vielen Dank für das Gespräch und schönen Sommer!
Doriano Bortoletto in seinem Flugzeug, Foto © Doriano Bortoletto
Das Interview führten Ines Abrahan und Adrian Engel