Andräplatz, gestern kurz vor 18 Uhr: Ein älterer Mann hockt neben der Säule eines Heiligen, drei Buben spielen Fußball, und im Hintergrund sitzen mehrere Leute um einen Tisch, tratschen und trinken Tee. Alles scheint wie immer, aber im Zentrum des kleinen Platzes hat sich etwas verändert: Ein Stahlgitter hängt, durch Drahtseile befestigt, zwischen vier Bäumen. Niemand beachtet es.
Es ist Teil des Kunstprojektes Responsive Public Space, das für die nächsten zwei Abende am Andräplatz installiert wurde. Ziel des Projektes ist es, miteinander in Kontakt zu kommen und gemeinsam die sich verändernde Umwelt bewusst zu erleben. Ein Bild, das durch Lichtpunkte am Stahlgitter erzeugt wird, und die Musik des Systems reagieren dazu auf das Verhalten der Menschen.
Für diese Reaktion gibt es Regeln. Eine Person alleine ist zum Beispiel als kleiner weißer Punkt am Stahlgitter über ihr zu erkennen. Rote Punkte sind Passanten, die keine Gruppe gebildet haben, grüne wolkenähnliche Gebilde symbolisieren eine Gruppe und eine blaue Verfärbung der Lichtpunkte zeigt eine Gruppe, die gerade wächst oder kleiner wird. „Außerdem wird eine Komposition je nach Verhalten der Gruppe eingespielt“, erklärt Ivan Redi, ein Mitarbeiter des Projektteams.
Eine Kamera nimmt dazu das Geschehen unter der Stahlkonstruktion auf. Ein Metasystem erkennt, durch die Daten der Kamera, welche Person wo steht und den Bezug zu anderen Personen. Daraufhin wird Bild- und Klangraum der realen Raumsituation virtuell angepasst. Die Passanten lösen dabei das Event aus. Durch den fehlenden Zusammenhang halten sich die Menschen länger auf und kommen miteinander in Kontakt. „Sie sollen merken, dass sie im öffentlichen Raum voneinander abhängig sind.“
Konzipiert wurde das Projekt von der Organisation ORTLOS. Erstmals gezeigt wurde der Entwurf des Projekts 2008 auf der Biennale in Venedig. Zwei Jahre später wurde der erste Prototyp im Kunsthaus Mürzzuschlag ausgestellt. Im Vergleich zu früheren Projekten ist am Andräplatz die Lichtumsetzung nicht mehr durch Projektoren sondern durch LED-Punkte aufgelöst. „Außerdem ist der Schritt ins Freie für das Projektteam ein großer gewesen, auch wenn es immer dafür konzipiert war“, meint Andrea Redi, eine Mitarbeiterin.
„Aneinander vorbeigehen soll durch unser Projekt zu einem Erlebnis werden“, erklärt Redi. Am zweiten Tag der Testphase ist dieses Ziel erreicht worden. Kaum wurde das System eingeschaltet, hat sich das Interesse der Passanten stark zentralisiert. Bis zu zwölf Leute sind unter der Stahlkonstruktion stehen geblieben und haben sich von Lichtern und beruhigender Musik zu einem Gespräch mit den anderen Passanten verleiten lassen. Anker der Gespräche war immer die Kunstaktion. Nach einer Zeit sind manche Gespräche aber auch persönlicher geworden. Berufe, frühere Kunstaktionen oder kleine Anekdoten aus dem Alltag waren Thema.
Auch wenn viele Menschen zuerst skeptisch sind, versuchen sie doch gemeinsam den Hintergrund des Kunstwerks zu erkennen und kommen miteinander ins Gespräch. Renata Baumgartner, eine Passantin, beschreibt das Kunstwerk als zeitgenössisch und außergewöhnlich: „Mir gefällt‘s!“