Die Grazer Politik denkt laut über Überwachungskameras im Volksgarten nach. Lässt sich dadurch der Drogenhandel im Park wirklich eindämmen? Und zu welchem Preis?
Vor zwei Wochen wurde publik, dass der Grazer Gemeinderat plant, weitere Überwachungskameras in der Stadt zu installieren. Treffen soll es dabei den Volksgarten im Bezirk Lend, der immer wieder als Drogenumschlagsplatz Schlagzeilen macht. Kurt Hohensinner, Klubobmann der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), hat den Antrag eingebracht und rechtfertigt die Bespitzelungsaktion mit den dort herrschenden „untragbaren“ Zuständen: Gedealt werde am helllichten Tag und in Gegenwart von spielenden Kindern, dazu würden Drogen in Mülleimern und unter Bänken versteckt.
Das berichten zumindest Anrainer und Eltern, die sich mit ihrem Anliegen direkt an die Partei gewandt hätten. In letzter Zeit sei das vermehrt der Fall gewesen, bemerkt Hohensinner. Ihm gehe es aber nicht darum, das komplette Areal in einen „Überwachungspark“ zu verwandeln. „Es ist wichtig, gewisse sensible Punkte zu stützen, wie etwa den Spielplatz oder den Skatepark. Wir wollen die Plätze schützen, an denen Kinder und Jugendliche spielen und sich aufhalten. Gerade da muss man Starthilfe geben.“
„Stoßrichtung des dringlichen Antrags war, dass das Präsidialamt Graz mit der Wiener Datenschutzkommission in Kontakt tritt“, erklärt Hohensinner auf Nachfrage der Annenpost. Mit diesem „ersten Schritt“ soll geprüft werden, ob die Aufstellung von Kameras datenschutzrechtlich überhaupt möglich wäre. Hier geht es vor allem um Persönlichkeitsschutz und mögliche Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre der Volksgartenbesucher.
Im Vorfeld sei bereits ein Expertenkreis vor Ort einberufen worden, der das „Für und Wider“ diskutiert habe, so Hohensinner. Dieser Gruppe gehörten Beamte der Exekutive an, wie etwa Wolfgang Hübel, Sicherheitsbeauftragter der Stadt Graz. Ebenso wohnten diesem Treffen betroffene Eltern, „die tagtäglich vor Ort sind“, und Anrainer bei. Schon jetzt versuche man den Volksgarten und insbesondere sensible Punkte wie den Kinderspielplatz oder den Skatepark von Drogen freizuhalten. Neben verstärkter Polizeipräsenz sollen künftig die Mülleimer so gebaut werden, dass keine größeren Drogenmengen mehr versteckt werden könnten. Zusätzlich soll im Herbst das Laub schneller entsorgt werden, denn auch die abfallenden Blätter würden als Verstecke für Drogenpakete genutzt.
Viele Anzeigen würden wegen zu geringen Suchtmittelmengen fallen gelassen, denn wer bloß mit einer „geringen Menge“ erwischt wird, geht in der Regel straffrei. Mit der Videoüberwachung will Hohensinner dem ein Schnippchen schlagen. „Eltern erzählen, es werde offen vor Kindern gedealt“, rechtfertigt Kurt Hohensinner seinen Antrag. Würden die Eltern die Dealer auffordern, ihr Geschäft anderweitig zu verrichten, zeigten die ihnen den „Stinkefinger“. „Damit haben wir einen Punkt erreicht, wo es so nicht weitergehen kann“, entrüstet sich der Klubobmann. Zuerst aber müsse man auf das Ergebnis aus Wien warten. „Der erste Schritt ist die Prüfung, ob ein Aufstellen rechtlich überhaupt möglich wäre“, so Hohensinner. Danach müsse man in einem zweiten Schritt über die Installation im Gemeinderat diskutieren. Sollte die Datenschutzkommission ihr Ok geben, „wird die ÖVP darauf drängen“. Dass Kameraüberwachung kein Allheilmittel ist, weiß Kurt Hohensinner aber auch.
In der FPÖ hat die ÖVP in punkto Überwachungskameras einen Befürworter gefunden. Die Sozialdemokraten (SPÖ) sprechen dagegen Bedenken aus: „Bevor man sich zu einem solchen gravierenden Schritt entschließt, ist nicht nur die Datenschutzkommission zu kontaktieren. Aus unserer Sicht müssen ebenso die Exekutive sowie ExpertInnen aus dem Bereich Drogenbekämpfung eingebunden werden, wie sie die Situation abschätzen, was aus ihrer Sicht für beziehungsweise gegen eine Videoüberwachung spricht, welche Folgen das hätte“, wird etwa Vizebürgermeisterin Martina Schröck in einer Aussendung der SPÖ zitiert.
Ein mögliches Problem im Zusammenhang mit dem Anbringen von Überwachungskameras im Volksgarten haben Studierende der FH Joanneum im Rahmen des diesjährigen Elevate Festivals geortet. Die Studierenden wirkten dabei am Projekt Graz, offene Stadt? zusammen mit Sozialhistoriker Joachim Hainzl mit. Die Aufgabe: potentielle Drogenverstecke im Volkgarten durch das taktische Platzieren von Kameras auszuschalten. Dabei platzierten sich die TeilnehmerInnen an verschiedenen Punkten im Park, um als lebendige Kameras alle nur denkbaren toten Winkel und blinden Flecken zu eliminieren. Alleine um den Bereich des Stupa, eines buddhistischen Bauwerks, stellte sich heraus, dass mindestens fünf der technischen Wachposten nötig wären, um alle Schlupfwinkel auszuleuchten. Umgemünzt auf das gesamte Areal mit all seinen Bäumen bräuchte es eine Unsumme an Überwachungskameras, um total control zu garantieren. „Theoretisch müsste man alle Bäume umschneiden“, kommentierte Joachim Hainzl. Und im Fall des Stupa gehe es möglicherweise auch um eine Einschränkung des Rechts auf freie Religionsausübung.