Stadtpolitik wird nicht nur im Rathaus gemacht. Bei der letzten Stadtteilversammlung des Bezirksrats Gries diskutierten die Bewohner über Sitzbankdiebe, Mülltonnen aber vor allem über einen stinkenden Schlachthof.
„Der Geruch ist unerträglich!“ Der Mann in der letzten Reihe wirkt aufgebracht. Mit seinem Ärger sitzt er nicht alleine da, auch viele andere frustrierte Besucher befinden sich in den Räumen des Verlags Keiper, wo eine offene Bezirksratssitzung zusammen mit einer Stadtteilversammlung stattfindet.
Grund für das Treffen waren Beschwerden im Vorfeld, die nicht abreißen wollten. Der Aufschrei des Mannes in der letzten Reihe gab dann auch den Anstoß zu einem wahren Schwall an Unmutsäußerungen seitens anderer Anrainer. Im Mittelpunkt der Kritik: der Schlacht- und Zerlegebetrieb Marcher. Auf der „Anklagebank“ hatten an diesem Abend der Prokurist des Betriebes, Jörg Mai, und der Umweltbauftragte, Werner Höfer, Platz genommen. „In der Karlau ist der Gestank teilweise kaum auszuhalten“, sagt ein anwesender Justizwachbeamter.
Es ist nicht das einzige Thema, das den Bewohnern unter den Nägeln brennt. Über eine Rabenplage klagen sie ebenso wie über zu schnell fahrende Lastwagen, die in der Nacht auch noch zu hupen pflegen. Und dann noch dieses geheimnisvolle, laute Surren, das vielen Anrainern den Schlaf raubt. Die Beschwerden der offensichtlich zerknirschten Herrschaften, meist ältere Damen und Herren, häufen sich. Das Friedensbüro, das den Abend moderiert, muss immer wieder um Diskussionsdisziplin bitten.
Aber zuerst der Schlachthof. Jörg Mai, der Prokurist, führt zur Verteidigung haufenweise technische Erklärungen und Zahlen an. Zum Beispiel habe der Schlachthof schon 500.000 Euro investiert. In Styroporschallschutzwände für die Kühlkompressoren und eine neue Flotationsanlage, die das stinkende Abwasser reinigt. Obwohl er von zwei Pensionisten unterbrochen wird, setzt Mai sein Plädoyer fort. Der Betrieb nehme die Beschwerden der Anrainer sehr ernst, tagtäglich versuche er, die Geruchs- und Lärmbelästigung zu minimieren. Ganz versteht er aber die Aufregung nicht: Die Tiere hätten nun einmal einen Eigengeruch, daher rieche es nach Stall.
Zwischendurch verlassen einige Anwesende den Raum. Sie meinen das mysteriöse Surren zu hören. „Es klingt wie eine Säge, die Knochen durchschneidet“, murrt ein älterer Herr. Vor allem in der Nacht nehme er den Lärm wahr. Aber nachts, wendet der Prokurist ein, werde doch gar nicht produziert, da würde nur verladen. Ein anderer Anrainer macht sich in der Zwischenzeit auf die Suche nach der Quelle des Lärms und ist sich sicher: „Der Lärm kommt vom Schlachhof!“ Die Ursache der sägenden Geräusche bleibt vorerst ungelöst. „Niederreißen und raus damit!“, hört man wieder, wütend, aus der vorderen Reihe. Vielen Bewohnern wäre es lieber, der Schlachthof würde gleich ganz aus der Stadt verschwinden.
Um zu beweisen, dass man den Anliegen der Anrainer Gehör schenkt, gibt Jörg Mai eine „Kummernummer“ bekannt. Dort können sich die Betroffenen jederzeit melden, sollten sie weiterhin fremde Geräusche oder Gerüche wahrnehmen. Außerdem ladet er alle Besucher zu einer „Schnupperprobe“ in den Betrieb ein, Hupverbotsschilder sollen aufgestellt werden. Die Anrainer dürfen hoffen. „Die Nummer werde ich bestimmt anrufen, wenn wieder um drei in der Früh gehupt wird oder dieses Surren beginnt“, kündigt Herr Rodler an, der direkt neben dem Betrieb wohnt.
Aber auch mit einfacheren Themen beschäftigt sich der Bezirksrat an diesem Abend. Die Sitzbänke an den Haltestellen am Griesplatz sollen verankert werden. Seit geraumer Zeit verschwinden diese nachts auf ungeklärte Weise oder werden ein paar Ecken weiter wiedergefunden. Ebenso werden Mülltonnen im Bezirk Gries immer populärer – der Bezirksrat hat sich dafür eingesetzt, dass die Griesgasse seit Neustem zwei Stück davon, anstatt keinem hat. Ungeklärt bleibt die Rabenplage im Bezirk. Die Vögel kreisen rund um das Gebiet des Schlachthofes und machen dabei viel Lärm. Zwar wurde bereits die Jagdgesellschaft um Mithilfe gebeten, diese hat sich aber nicht gemeldet. Ein junger Besucher merkt an, dass das Schießen im urbanen Raum ohnehin nicht legal sei. „Aber vielleicht könnte eine Katze Abhilfe schaffen.“ Das lässt die Menge schmunzeln.