Verhetzung, Aufruf zum Terrorismus und Verherrlichung des Drogenhandels – diese Straftaten soll Yasser Gowayed in seinen Rapsongs begangen haben, sagt das Grazer Srafgericht in erster Instanz. Doch wer ist der Mensch hinter dem Rapper? Ein Portrait.
Schwarze Haube, Silberkette, weiter Pullover und fünf Minuten Verspätung. Yasser Gowayed betritt das Café Skurril in der Heinrichstraße, das er als Treffpunkt ausgewählt hat. Der Rapper macht einen höflichen Eindruck, schüttelt zur Begrüßung die Hände und entschuldigt sich für die Verspätung. Anlass für das Gespräch sind drei seiner Rap-Songs, für die er – nicht rechtskräftig – Mitte Jänner zu elf Monaten bedingt und einer Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt wurde. Die Annenpost hat darüber berichtet.
Kurswechsel
Eigentlich wollte Yasser gar kein Interview geben, da ihn die Medien ungerecht behandeln würden. Ein paar Telefonate später willigte er aber ein – und im Laufe des Gesprächs entwickelte sich eine vertraute Atmosphäre. „Ihr seid die ersten, denen ich ein offenes Interview gebe.“ In diesem sprach der 23-Jährige, ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen, mitunter wild gestikulierend und mit hartem Blick. Er meint, er habe sich zurückgezogen. „Ich bin jetzt öfters zu Hause bei meinem Vater, denn ich habe gemerkt, der braucht mich dringender.“ Mit 16 Jahren verließ Yasser sein Zuhause – ohne einen Cent in der Tasche. Dann begannen die Probleme mit den Drogen. „Ich wollte einfach Geld verdienen.“ Dabei habe ihn sein Vater aber nie im Stich gelassen, auch nicht, als er dafür im Juni 2011 ins Gefängnis ging.
Seinem Vater, so scheint es, fühlt sich Yasser sehr verbunden. Immer wieder spricht er von ihm und lächelt dabei. Er erklärt, er würde ihm einiges verdanken und dass er immer zu ihm gestanden sei. Auch in seinen Texten singt er von seinem Vater: „… bin umgeben von Problemen, die mich und vor allem meinen lieben alten Vater quälen“. Unter anderem bereut der Rapper, dass sein Vater enttäuscht von ihm sei – nicht wegen der Musik oder dieser Verhandlung, viel mehr wegen der Drogen und anderer „Blödsinnigkeiten“, wie Yasser sie nennt.
Ein Jahr Gefängnis
„Ich habe meine Strafe abgesessen.“ Insgesamt ein Jahr saß Yasser damals im Gefängnis und findet es absurd, erneut elf Monate, wenn auch „nur“ bedingt, auszufassen – und zwar wegen Musik. „Ich habe der Richterin gesagt, dass ich es sehr schade finde, dass ich jetzt sozusagen mehr Feind bin als damals, wo ich wirklich etwas gemacht habe. Nur weil ich jetzt Musik mache. Ich bin raus gekommen (aus dem Gefängnis, Anm.) und habe versucht, meinen Weg zu ändern. Wo ist da die künstlerische Freiheit? Wo ist bitte die Demokratie?“ Er schüttelt ungläubig den Kopf, kann die Entscheidung nicht nachvollziehen.
Verändert hat ihn die Musik nicht, sagt Yasser. Mit ihr konnte er seine „Wut rauslassen“, die sich in seiner Zeit im Gefängnis aufgestaut hatte. „Ich habe mehr als genug Gangsta-Scheiße erlebt, sodass ich darüber rappen kann.“ Früher war Sport seine Antwort auf Probleme und Aggression. „Fußball war mein Leben. Doch jetzt bin ich körperlich fertig, es wäre das einzige, was mich glücklich machen würde: wenn ich wieder kicken könnte.“ Yasser holt tief Luft, er wirkt wehmütig und enttäuscht.
Heimatlos
Heute fühlt sich der gebürtige Ägypter nirgendwo zuhause – weder in seinem Geburtsland Ägypten, noch in Österreich. Mit sieben Jahren verließ Yasser seine Heimat und kam nach Österreich, verbrachte einen Teil seines Lebens sowohl hier, als auch in Ägypten. Heute besitzt er die Doppelstaatsbürgerschaft. „Meine ganze Familie ist in Ägypten“, erzählt er, „nur mein Vater, ein Bruder und eine Schwester sind hier.“ Obwohl der Rapper verloren wirkt, sind seine Botschaften klar formuliert, denn selbst im Volksgarten, der früher quasi seine zweite Heimat war, fühlt er sich nicht mehr heimisch. „Es ist scheiße geworden. Wir waren nie dort wegen den Drogen, es war einfach chillig. Volksgarten war wie ein Jugendzentrum, für Leute, die nicht zu Hause sind oder nichts haben. Aber die Bullen haben das komplett kaputt gemacht. Stimmt schon, es wird mit Drogen gehandelt, aber trotzdem war es ein cooler Ort.“
Damit spielt er unter anderem auf die Überwachungskameras an, deren Installation die Grazer ÖVP im Herbst angedacht hatte. Auch die Omnipräsenz von Polizei und Ordnungswache scheint dem Musiker aufzustoßen. „Ich denke, wenn sie das machen, wird wie früher auf der Straße verkauft. Es wird nichts helfen. In meinen Augen ist es ein Blödsinn“, hält Yasser die angedachten Videokameras für sinnlos. Des Volksgartens beraubt, spielt Yasser mit dem Gedanken, in Zukunft selbst ein Jugendzentrum zu eröffnen. „Ich will eine Familie gründen und mich für Dinge einsetzen. Ich will nicht schweigen!“ Auch mit der Musik will Yasser weiter machen – obwohl ihm die Verurteilung seinen Glauben an die Musik genommen hat. Er fühlt sich in seiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt, und das merkt man ihm im Gespräch an.
Matura für den Vater
Nichtsdestotrotz ist ein weiterer Song mit Osman B. im Gespräch, in dem die beiden die Thematik rund um ihre Verurteilung verarbeiten wollen. Zwei weitere Songs hat der Rapper schon fertig aufgenommen, er wartet nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, um sie zu „releasen“. Im Moment, so meint Yasser, hat er eine Schreibblockade – möglicherweise auch auf Grund von Zeitmangel: „Nächste Woche mache ich die Matura nach. Mein Vater ist enttäuscht von mir, ich habe viel Scheiße gebaut. Mit der Matura kann ich ihm etwas zurückgeben. Ich mache sie für ihn.“ Zum Zeitpunkt des Interviews hatte der Musiker die Reifeprüfung noch ausständig, Anfang dieser Woche konnte er sie erfolgreich ablegen.
Den Kurswechsel hat Yasser offensichtlich geschafft. Wenn da nicht erneut die drohende Haftstrafe wäre – dieses Mal aber wegen der Musik, die ihm eigentlich dabei helfen sollte, sein Leben in eine andere, bessere Bahn zu lenken. „Ich wollte mit der Musik weg davon“, meint er und spricht dabei die „Blödsinnigkeiten“ an, die ihn 2011 ins Gefängnis brachten: Drogen, Waffen. „Ich habe es auch wirklich geschafft, ich bin wirklich weggekommen. Aber dass man mir so Steine in den Weg legt, dass man mir elf Monate bedingt gibt…“ Unter anderem hat ihm das Gericht diese saftige Strafen wegen des Tatbestands der Verhetzung gegeben. Von anti-jüdischer Propaganda sprach der Staatsanwalt, ein Vorwurf, den Yasser dezidiert von sich wies (siehe Link unten). Sein Unmut richte sich gegen den Staat Israel und nicht dessen zivile Bürger. Gegen die Glaubensgemeinschaft der Juden habe er nie gerappt. Er beruft sich auch auf den Koran, im dem stehe, man solle andere Religion respektieren und der Koran hat für Yasser absolute Gültigkeit.
Paradoxe Strenggläubigkeit
Yasser bezeichnet sich selber als gläubigen Moslem. Das äußert er auch in seinen Songtexten, in denen man religiöse Passagen wie „Geh nie auf die Knie, Sahbi (mein Freund), außer beim Beten“ findet. Allerdings weiß er auch, dass er viele Dinge in seinem Leben gemacht hat, die dem Koran nicht entsprechen: „Ich bin zwar strenggläubig, aber paradox. Einerseits habe ich Kriminelles gemacht und Dinge, die ein Strenggläubiger nicht macht, aber ich glaube trotzdem, dass nur Gott mich richten kann. Ich liebe den Glauben, er ist etwas Schönes – aber nicht den radikalen Glauben. Die Religion soll etwas Schönes sein.“
Hier geht´s zum Bericht über den Prozess am Grazer Straflandesgericht.
von Gunnar Zlöbl und Katharina Siuka
Fotocredits: Lucas Kundigraber
Mann, der redet als wäre er Mohammed Ali, als hätte er schon ein Leben hinter sich, irgendwas erreicht und die Welt gesehn, dabei ist er in nem Dorf aufgewachsen, 23 und hat einfach nur ein freches Mundwerk. Unbeeindruckend absolut.Und Matura hat wohl fast jeder.