Im tag.werk an der Mariahilferstraße können Jugendliche Taschen und andere Accessoires designen, nähen und verkaufen. Das Ergebnis sind kreative Unikate und eine sinnvolle Beschäftigung für junge Leute, die sonst keine Perspektive hätten.
Eine aufwändig gestaltete Auslage voller bunter Taschen, Handyhüllen und Kleidungsstücke. Üppiger Blumenschmuck als Dekoration. Schon von außen betrachtet hebt sich das tag.werk von den anderen Geschäften in der Mariahilferstraße ab. Und auch im Inneren erwartet den Besucher ein Farbenspiel und eine Vielzahl an kreativ gestalteten Accessoires, die zum Stöbern und Shoppen einladen. Das tag.werk ist nicht einfach irgendein Designerladen, sondern ein Sozialprojekt der Caritas. In einer eigenen Werkstätte oberhalb des Geschäfts bietet das tag.werk bis zu zehn arbeitslosen Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren die Möglichkeit, Handtaschen, Rucksäcke und weitere Produkte selbst zu designen und anschließend aus alten Kleidungsstücken zu nähen. Jedes Produkt ist also ein Einzelstück.
Gegen neun Uhr beginnen die ersten Jugendlichen ihre Arbeit an den Nähmaschinen im oberen Stock. An den Wänden hängen Poster, die Arbeitsgeräte sind mit Stickern verziert, überall liegen Rohmaterialien und halbfertige Werkstücke. Man merkt: hier kreativ gearbeitet. Direkt hinter der Werkstatt befindet sich das Büro. Aktenordner, Computer und ein großes „tag.werk“-Schild an der Wand. „Es ist eine bewusste Entscheidung von uns gewesen, nicht groß Caritas draufzuschreiben“, erzählt Projektleiter Bernhard Sundl im Interview. So hätten etwa auch muslimische Jugendliche keine Hemmschwelle, im tag.werk tätig zu sein. Fast zwei Drittel der dort beschäftigten Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund, eine Vielzahl kommt aus problematischen Verhältnissen. Die Arbeit in der Werkstatt hilft ihnen, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen und nebenbei einen regulären Job oder eine Ausbildung zu suchen.
Der Erfolg gibt dem sozialen Projekt recht: Fast 60 Prozent derer, die das tag.werk 2013 verließen, haben eine Lehrstelle gefunden, sind zurück an die Schule gegangen, haben am ersten Arbeitsmarkt einen Job gefunden oder sind zumindest in eine andere Maßnahme eingetreten.„Uns ist sehr wichtig, dass die Verantwortung bei den Jugendlichen bleibt. Dass sie selber entscheiden können, was und wohin sie wollen“, erklärt Sundl. Wenn die einen Jugendlichen einen regulären Arbeitsplatz fänden, motiviere das wegen der Gruppendynamik auch die anderen. Prinzipiell sei die Arbeit am tag.werk zeitlich unbefristet, allerdings würden die meisten Jugendlichen bald wieder etwas anderes finden wollen. „Wenn sie länger hierbleiben würden, würde das für sie eine gewisse Form von persönlichem Scheitern bedeuten“, gibt Sundl zu bedenken. Dennoch wird die durchschnittliche Arbeitsdauer am tag.werk angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit in Österreich immer länger.
Maisam arbeitet schon fast neun Monate beim tag.werk. Bis zu seinem 18. Lebensjahr hat er in einem Jugendheim gewohnt und staatliche Unterstützung erhalten. Eigentlich wollte er eine höhere Schule besuchen und die Matura machen. Die Aufnahmeprüfung hat er geschafft, doch weil er vom Staat kein Geld mehr bekommt, kann er seine Ausbildung nicht finanzieren. „Jetzt kann es sein, dass ich eine Lehre beginne“, so Maisam, der sich für den IT-Bereich interessiert. Die Arbeit am tag.werk macht ihm „voll Spaß“. „Du kannst alle Motive selbst auswählen, kannst das Design selbst aussuchen, kannst von Anfang an alles selber machen. Es ist viel besser als nichts und ich verdiene auch ein wenig dazu.“ 5,39 Euro in der Stunde bekommen die Jugendlichen für ihre Arbeit am tag.werk. Ihnen wird „fallweise geringfügige“ (nicht regelmäßige) und „laufend geringfügige“ (regelmäßige) Beschäftigung angeboten. Wenn sie über einen längeren Zeitraum beim tag.werk gearbeitet haben, gibt es für zwei bis vier Jugendliche pro Jahr die Möglichkeit einer auf sechs bis achtzehn Monate befristeten, vollversicherten Anstellung über die Diözese Graz-Seckau.
Um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sollte man laut Sundl bereits in der Bildungspolitik ansetzen. Außerdem sei es wichtig, den Übergang von der Schule ins Berufsleben und die Form der Lehrausbildung zu verbessern. Letzteres sei ein Bereich, für den sich immer weniger Firmen zuständig fühlten. „Die Jugendlichen brauchen eine erste Chance zum Arbeiten und die muss man ihnen auch geben. Die meisten Firmen setzen Berufserfahrung voraus, aber dafür muss man mal die Gelegenheit haben, zu zeigen, was man kann“, kritisiert der tag.werk-Leiter.
Österreich sei im Bereich der Jugendbeschäftigung im Europavergleich laut Bernhard Sundl immer noch eine „Insel der Seligen“: „Wenn man sich die soziale Situation und die Arbeitsmarktsituation bei uns anschaut, dürften wir eigentlich verglichen mit anderen Ländern nicht klagen. Aber es ist natürlich wichtig, jederzeit auf Entwicklungen am Arbeitsmarkt zu reagieren. Außerdem brauchen wir mehr soziale Gerechtigkeit.“
Projekte wie das tag.werk tragen dazu bei, unser Land ein Stück sozialer zu machen und arbeitslosen Jugendlichen durch eine sinnvolle Tätigkeit wieder eine Perspektive zu bieten. Nebenbei entstehen einzigartige Accessoires, die nicht nur schön aussehen, sondern auch ein gutes Gewissen im Kaufpreis inbegriffen haben.
[box] Öffnungszeiten des Geschäfts:Montag bis Freitag: 10:00 bis 18:00 Uhr
Samstag: 11:00 bis 17:00 Uhr
Mariahilferstraße 13
Am 21. Juni veranstaltet das tag.werk zwischen 16:00 und 24:00 Uhr einen Nachtflohmarkt für „Design und Trödel“ im Explosiv. Von 24:00 bis 4:00 Uhr gibt es eine „Bad-Taste-Party“.[/box]
Fotos: Theresa Hartlauer