Kerstin Eberhard präsentiert die interessantesten Grazer „Weibsbilder“ und deren unterschiedliche Wahrnehmung der „Anne“. Vor der erstmaligen Vergabe des Annenstraßen Weibsbilder Preises diskutierten wir mit ihr darüber, wie sich das Viertel entwickelt und warum Künstlerinnen besonders gefördert werden müssen.
Die Galeristin des Blauen Ateliers verbringt viel Zeit im Internet. Bei ihren Recherchen fiel ihr auf, dass sich unter PreisträgerInnen im Kunstsektor verschwindend wenig Frauen befinden. Auch in Jurys stellen Künstlerinnen eine Ausnahme dar, klagt Kerstin Eberhard. „Was glaubt ihr? Wie viele der insgesamt 21 Mitglieder im österreichischen Kunstsenat sind Frauen?“ fragt die Wahlgrazerin frech. Die richtige Antwort ist drei.
Daraus entstand die Idee für einen Preis rein für Künstlerinnen. Durch die Lage von Eberhards Galerie Blaues Atelier fand sich auch schnell ein Thema: Wie wird die Annenstraße wahrgenommen? Somit war der Annenstraße Weibsbilder Preis geboren. „Wir wollen ein Gleichgewicht in der Szene schaffen und auf die Benachteiligung von Künstlerinnen aufmerksam machen“, so Eberhard, die selbst in der Jury sitzt. „Den Künstlerinnen soll nachhaltig geholfen werden.“ Dies geschieht durch einen Katalog, in dem alle zwanzig Nominierten vertreten sind, sowie Lesungen und Ausstellungen in der Galerie.
Thema des Bewerbes ist eine facettenreiche Darstellung der Annenstraße. Eberhard wünscht sich eine andere Wahrnehmung in Medien und Wirtschaft, die Straße sei nicht „marode“. Auch der Sanierung steht sie positiv gegenüber. „Ich bin seit 2011 hier und es hat sich einiges getan: Seit der Sanierung sind viel mehr Leute unterwegs, vier Häuserfassaden wurden bereits renoviert. Die Annenstraße ist eigentlich eine ganz normale Straße. Sie wird halt gerne von Leuten kritisiert, die immer was auszusetzen haben.“ Oft wird das Annenviertel von außen als „sehr grantiges“ Gebiet angesehen. „Dabei gibt es hier ganz viele Leute, die sich wirklich engagieren.“ Diese Ansichten spiegeln sich laut der Galeristin auch in den Nominierungen wieder. „Manche Werke beinhalten eine gewisse Kritik, es ist aber auch sehr viel Mut, Hoffnung und der Glaube an die Initiativen, wie den Annenviertelverein, zu verspüren.“
Kerstin Eberhard selbst wünscht sich investitionsfreudige Hausbesitzer, eine sachliche Berichterstattung in den Medien und mehr Unterstützung durch die Stadt, vor allem finanzieller Natur.
Die Auftaktveranstaltung mit Vernissage und Preisverleihung in der Sparte Bildende Kunst findet am 07. Oktober statt. Danach folgen bis Ende des Monats drei weitere Lesungsabende in deren Rahmen die Preisträgerinnen im Bereich Literatur verkündet werden.
Die Lieblingszitate der Annenpost
[Anna Adam – Alles bleibt anders]
Du, Annenstraße, bist wohl längst deinen Schuhen entwachsen. Steckst noch tief in den Kinderkrankheiten einer Straße, die um ihr Überleben kämpft. Zu lange beinahe dein Herz ausgeblutet. Zu lange beinahe keine fruchtbringende Saat.
[Bettina Sticher – „8020“ gibt es nicht mehr]Sie ist tot. Nach einem Jahrzehnt Demenz, die Hälfte davon in der Horizontalen verbracht, die letzten 2 in Worten zwei (!) Jahre von einer Sonde ernährt, möchte man meinen, es wäre für alle eine Erleichterung. Ist es nicht. Es tat weh, diese einst so stolze Frau langsam verfallen zu sehen und kurz vor ihrem 99. Geburtstag zu verlieren. Mit ihr ging eine Zeit fern der jetzigen, eine Welt fern meiner Welt.
[Christine Teichmann – Platz machen] [box]Die Auftaktveranstaltung findet am Dienstag 07.10.2014 um 19.00 Uhr in der Galerie Blaues Atelier statt, weitere Termine siehe Webseite[/box]So mikro ist der Kosmos gar nicht – Wir machen Platz – Wir kaufen uns eine Pizza und ein Kebab, einmal Chop Suey und ein Stanitzel mit Schlag – Wir kaufen uns eine Identität, die wir morgen schon im second hand Laden gegen eine neue eintauschen – Die wir mit Rückgaberecht zwei Wochen lang ausprobieren dürfen – Wir machen Platz – Einen Platz aus der Straße, die uns verbindet
Von Simon Michl, Lisa Mittermaier, Tristan Nikischer, Sara Plassnig