Das neue Islamgesetz hat für scharfe Kritik unter österreichischen Muslimen gesorgt. Was sagen die Imame im Annenviertel dazu? Die Annenpost hat Fevzi Karatas, Imam der türkischen Gemeinde, und Imam Süleyman, Vorbeter des islamischen Jugendvereins in der Josefigasse, zum Interview gebeten.
Für Gesprächsstoff mit den beiden Gelehrten ist gesorgt, hat doch der Gesetzesentwurf für ein neues Islamgesetz österreichweit für Aufruhr unter der muslimischen Bevölkerung gesorgt. Das Papier enthält Beschränkungen, die laut Kritikern in keinem anderen Religionsgesetz enthalten sind. Darunter ein Verbot regelmäßiger ausländischer Finanzierung der Gemeinde; besondere Berufungsbedingungen für Universitätsprofessoren eines mit Jänner 2016 an der Uni Wien angebotenen islamisch-theologischen Studiums; oder strikte Vorgaben für den Religionsunterricht, die islamische Lehrer verpflichten, den Lehrplan lückenlos preiszugeben. Das Islamische Kulturzentrum Graz, der größte islamische Verein der Steiermark, schreibt in einer kritischen Stellungnahme von Anfang der Woche, die Muslime Österreichs seien über den Gesetzesentwurf „schockiert“.
„Wir sind keine Terroristen“
„Wir brauchen ein neues Gesetz“, stellt Fevzi Karatas, Imam der türkischen Gemeinde in der Josef-Huber-Gasse, gleich am Anfang des Gesprächs fest. Die Gesetzesnovelle sei nötig, um zeitgerecht und auf Augenhöhe mit dem Islam umzugehen. Diese Meinung teilt auch Imam Süleyman, Vorbeter des islamischen Jugendvereins in der Josefigasse und bis vor kurzem als Imam in England tätig. Gerade im internationalen Vergleich sieht er für Österreich Verbesserungspotenzial im Umgang mit Muslimen. „Das Land muss uns auch akzeptieren“, meint Süleymans Übersetzer, der nötig ist, da der Imame erst seit einem Jahr in Graz lebt und aus seiner Zeit als Vorbeter in Southampton nur wenig Englisch spricht. In Sachen Akzeptanz sieht Süleyman in Österreich noch Spielraum nach oben. „Alle sehen, was im Irak und in Kobane passiert, und denken, alle Muslime sind wie diese Leute“, sagt Süleyman. „Wir sind keine Terroristen, aber die Leute nehmen uns so wahr.“
Obwohl sich die beiden Imame bezüglich der Notwendigkeit eines neuen Islamgesetzes einig sind, so gibt es für Karatas noch einige Verbesserungsmöglichkeiten, die bis jetzt noch nicht berücksichtigt wurden. In den Verhandlungen wünscht sich Karatas „mehr Zusammenarbeit“ zwischen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und dem Staat Österreich. „Außerdem“, so der Imam der türkischen Gemeinde, „soll kleineren Kulturvereinen, wie wir einer sind, die Chance gegeben werden, ihre Meinung mitzuteilen.“ So soll das Gesetz „einen großen Rahmen festlegen, in dem sich alle Gruppierungen frei bewegen können – aber nicht darüber hinaus.“
Ausländische Finanzierung nicht nötig
Stark kritisiert wurde das im Gesetzesentwurf verankerte Verbot der laufenden Finanzierung von Religionsgesellschaften aus dem Ausland unter anderem von Fuat Sanac, Präsident der IGGiÖ, der den Absatz als „naiv“ bezeichnete. Die beiden Imame hingegen sehen keine große Problematik hinter diesem Paragraphen, da die meisten Kulturvereine in Österreich von der Gemeinde selbst finanziert werden. „Es gibt zwar Vereine, die Geld aus dem Ausland bekommen, aber das ist ein kleiner Teil“, erklärt Karatas.
Auch Imam Süleymans Kulturverein wird durch Eigenfinanzierung am Leben gehalten. „Wir bekommen das Geld, das wir brauchen, aus Spenden unserer Mitglieder.“ Außerdem werden bei Veranstaltungen wie dem „Tag der offenen Tür“, der in beiden Kulturvereinen jährlich stattfindet, mediterrane Köstlichkeiten angeboten, der Verkaufserlös wird für die Erhaltung der Moscheen verwendet.
Bildung gegen den Dschihad
„Wir haben zur Zeit ein großes Problem mit der Schule“, stellt Süleyman fest. Für den Religionsunterricht fehlt seiner Meinung nach der richtige Zugang. Der Staat solle weniger kontrollieren, sondern dem Islam mit Offenheit gegenüberstehen. Außerdem soll die österreichische Regierung berücksichtigen, dass es Muslimen aufgrund ihres Glaubens verboten ist, bestimmte Anforderungen im Unterricht zu erfüllen. Als ein Beispiel nennt Süleyman den Turnunterricht.
„Mädchen ab 9 Jahren ist es verboten, gemischt mit Jungen in einem Bad zu schwimmen, aber wenn sie nicht schwimmen, bekommen sie keine Note und können nicht in die nächste Klasse aufsteigen“, bemängelt Süleyman.
Fevzi Karatas sieht im Religionsunterricht sogar ein wirksames Mittel, um junge Muslime vor der IS-Propaganda zu schützen. „Durch die Vorurteile, die in der Welt kursieren, bekommen die Menschen ein falsches Bild vom Islam.“ Durch regelmäßigen Unterricht könne da gegengesteuert und den Menschen der „wahre“ Islam näher gebracht werden. Jedoch scheitere dieses Vorhaben nach Karatas, wie viele nötigen Reformen, an der Zusammenarbeit zwischen IGGiÖ und der österreichischen Regierung, die in Zukunft forciert werden soll.
Einheitskoran möglich
Auf den Vorschlag des Außen- und Integrationsministers Sebastian Kurz, einen einheitlichen deutschsprachigen Koran zu erarbeiten, reagiert Karatas offener als beispielsweise die IGGiÖ, welche sich skeptisch dazu äußerte. „Im Prinzip sind sich alle Versionen ähnlich“, meint Karatas, jedoch sollte die österreichische Regierung Experten engagieren, um dann mit ihnen gemeinsam eine einheitliche Version zu bestimmen, und nicht „über die Köpfe der Muslime hinweg.“