Die Realitydoku-Serie „24 Stunden – Polizeieinsatz in Graz“ auf ATV gewährt den ZuseherInnen jeden Montag Einblicke in den Arbeitsalltag der Inspektion Karlauerstraße und stilisiert deren Einsatzgebiet – darunter das „verschriene Platzerl“ namens Griesplatz – zum „multikulturellen Brennpunkt“.
„Wir sind dafür verantwortlich, dass ma unsren Bezirk sauber halten“, sagt Dienstleiter Robert R. gleich zu Beginn der ersten Folge von „24 Stunden – Polizeieinsatz in Graz.“ Schnell wird klar: Das Zentrum des Grazer Bezirks Gries ist eine echte Problemzone. „Der Griesplatz ist bekannt für den Handel mit Suchtgift. Während die Gegend früher von Rotlicht-Lokalen dominiert wurde, wird sie mittlerweile vom Suchtgift-Handel beherrscht“, klärt der ATV-Reporter auf. Dann machen sich die Beamten der Karlauerstraße, die als Robert, Patrick, Lisa oder Manuela vorgestellt werden und ein fast schon verdächtig freundliches Auftreten an den Tag legen, an die Arbeit um ihren Bezirk sauber zu halten. In der mittlerweile 9. Staffel des Formats bekommen es die Grazer PolizistInnen mit „kuriosen“ Fällen wie einer Massenschlägerei in einer Siedlung, einem potenziellen Selbstmörder, Verkehrsunfällen oder Lärmbelästigung bei einer kurdischen Hochzeit zu tun.
Gleich der erste Einsatz führt die Beamten undercover in ein amtsbekanntes Wettcafé, in dem Drogenhandel angeblich keine Seltenheit ist. Anschließend diskutieren sie das zunehmende Problem des illegalen Suchtgifthandels auf der Inspektion. Eine der Ermittlerinnen trägt dabei einen schwarzen Pullover – als Logo das Adidas-Signet zum grünen Hanfblatt stilisiert. Die Uniform der verdeckten Gries-Ermittler?
Nächster Einsatz: Alarm an einem Trafikstand am Griesplatz. Der diensthabende Beamte weiß sofort, was geschehen ist: „Denn nachdem das ein amtsbekannter Platz für Dealer ist“, meint er, „kann’s sein, dass da wer einbrechen wollt’.“ Gestohlen wurde nichts. „Wie is des da auf dem Platzerl, des is ja a verschrienes Platzerl, wie is des da als Gewerbetreiber? Was habens da alles erlebt?“, will der ATV-Reporter von der Trafikantin wissen. Die wurde gerade aus dem Schlaf gerissen und über den misslungenen Einbruch informiert, entsprechend wortkarg ist die Dame, wildes, blondes Haar, Pelzmantel: „Ich komm´ immer um 4 in der Früh, da sieht man alles – Gsoffene, Lustige .“
Halblustig und ziemlich „angsoffen“ geht es bei den meisten Einsätzen zu. Folge vier: Ein schwules Pärchen soll sich am helllichten Tag im Metahofpark, „irgendwo unter einem Baum“, in „unzüchtigen Handlungen“ ergangen sein. „Wir haben ihnen erklärt, dass auch die freie Liebe ihre rechtlichen Grenzen hat“, sagt der Einsatzleiter dem Reporter, während sich die Kollegen mit den beiden Männern abmühen. Hoffentlich hat er ihm auch die rechtlichen Grenzen journalistischer Arbeit erklärt. Denn die beiden Männer, offensichtlich schwer „berauscht“ und der deutschen Sprache kaum mächtig, werden unverpixelt und daher gut erkennbar ins Bild gesetzt, während sie wiederholt die Hosen runterlassen, um gegen die Störung zu protestieren.
Dieses freizügige Delikt ist nur eines von 2500 gerichtlich strafbaren Handlungen, die jährlich im Bezirk Gries verzeichnet werden, wie man im Laufe der Dokumentation erfährt. Aber nicht, ob das in Relation zum übrigen Stadtgebiet viel oder wenig ist. Generell setzt das Format zwischen den „spannenden“ Einsätzen auf willkürliche Statistiken, untermalt mit dramatischer Musik, die der ATV-Reporter mit noch dramatischerer Stimme in den Raum wirft. Wie etwa die banale Information, dass sich die steirische Hauptstadt Graz über eine Fläche von 127,58 Quadratkilometern erstreckt, welche die fünfte Folge einleitet.
„Der Griesplatz gilt als Problemzone, hier kommt es besonders häufig zu Einsätzen in Zusammenhang mit Drogen und Gewalt.“ Gut, das wissen die SeherInnen mittlerweile. Eine Schlägerei in einem Wettlokal bietet Gelegenheit, die These erneut zu testen. Die Bilanz des Ermittlers beim Einsatz: „Offensichtlich gab´s einen Streit zwischen einem Afghanen und einem Albaner. Da kann Suchtgift im Spiel sein – muss aber nicht.“ Nur selten liefert die „Doku“ mehr Hintergrund zu den gezeigten Fällen. „Den wahren Grund haben wir jetzt nicht mitgekriegt“, kommentiert etwa die Inspektorin den Einsatz bei einer „Massenschlägerei“ in einer Siedlung in Eggenberg. Eine Gruppe von Frauen offenbar afrikanischer Herkunft, ebenfalls unverpixelt, läuft hysterisch durch´s Bild, ein tätowierter Eggenberger darf sie „Neger“ nennen. Niemanden stört´s, niemand erklärt´s.
Ab 12. Jänner kann man die Beamten das nächste Mal auf ihren Einsätzen im Grazer „Gangsterviertel“ begleiten. Ob die Reality-Doku auch irgendetwas sichtbar macht, das mit der sozialen Wirklichkeit im Bezirk zu tun hat? Nicht wirklich. Wie hat das Patrick, der Polizist aus Folge eins, am Rande eines Tumultes in einem Wohnhaus ausgedrückt? Ein verwirrter Mann randalierte da auf der Suche nach einer Schnapsfabrik: „Der Mann hat seine eigene Wahrheit, ihn von unserer zu überzeugen ist nicht einfach, also sinnlos.“ Sehr wahrscheinlich, dass auch ATV seine eigene Wahrheit hat.