In der Idlhofgasse im Bezirk Gries toben sich Künstler im Verein „Roter Keil“ kreativ aus. Der Rote Keil will nicht jedem gefallen, das muss er auch nicht. Er ist ein Ort für Kunstschaffende und Interessierte, für Querdenker und Andersmacher, für Freigeister und vielleicht auch etwas für Träumer.
Es ist abends und draußen bereits dunkel. Biegt man von der Josef-Huber-Gasse in die Idlhofgasse ein, ist es in dieser ruhig, doch nach ein paar Schritten dringt dem Passanten aus einer kleinen Einfahrt ein Leuchten entgegen. Auf einem hell erleuchteten Innenhof sitzt um eine Kochstelle auf offenem Feuer eine Gruppe von sich angeregt unterhaltenden Menschen. Neuankömmlinge werden freundlich begrüßt, die Atmosphäre ist familiär – man merkt, hier kennt man sich untereinander. Der Kunstverein „Roter Keil“ gibt eines seiner Feste. Hier tut sich einem eine etwas andere Welt auf, oder besser: etwas, das wie ein Splitter einer anderen Welt scheint. Fast mutet der Rote Keil wie ein verloren gegangener Teil von Christiania, einer Freistadt, die unter anderem von Künstlern in Kopenhagen geschaffen wurde, an.
Ein bisschen Stolz kann man aus der Stimme von Eero Teuschl, einem der Gründungsmitglieder des Roten Keils, heraushören, während er eine Gruppe gerade angekommener Besucher durch die Räumlichkeiten des Keils führt. Im Mikrokosmos Roter Keil stolpert man dabei über alle möglichen Arbeiten aus vergangenen Ausstellungen und Projekten. Zwar scheint die Anordnung der Werke auf den ersten Blick eher willkürlich zusammengewürfelt, doch ergeben sie, von weiter weg betrachtet, eine wilde Komposition, wie aus einem wirren Fiebertraum entsprungen – wie die dänische Freistadt eben.
In jedem Winkel befinden sich Objekte, über die Eero meist einiges zu erzählen hat. Über eine Skulptur vom Rostfest in Eisenerz etwa, bei dem der rote Keil 2014 dabei war „Die Skulpturen entstanden eigentlich aus Altmetall. Die Bewohner waren begeistert vom Fest. Auf diese Weise kam wieder etwas Leben nach Eisenerz“. Nachdem die Führung im Fanshop geendet hat, startet Eero gleich wieder los. Am Ende der Tour sind noch Gäste hinzugekommen. Es sind nur zwei, dennoch wiederholt Eero die Führung auf der Stelle.
Bei der Optik endet dann allerdings auch schon die Ähnlichkeit mit Christiania, denn anders als die Bewohner der Freistadt zahlen die Mitglieder des Roten Keils natürlich Miete für ihren Grund und Boden. Der 2012 gegründete Verein finanziert sich hauptsächlich selbst durch einen monatlichen Mitgliedsbeitrag. Darüber hinaus wird das Projekt noch gefördert, doch ist man von dieser Förderung nicht abhängig. Das hat auch den Vorteil, sich politisch nicht einordnen zu müssen. „Prinzipiell sind wir freidenkerisch“, erklärt Eero „Wir wollen uns in einer bipolaren Welt nicht einordnen.“
Idyllisch und heimelig ist es draußen am Vorhof bei schummrigen Licht und Gesprächen in angenehmer Lautstärke allemal. Entstanden ist der Rote Keil aus der Not heraus, weil nach dem Abschluss der Ortweinschule wieder ein Werkplatz hermusste. Die Anzahl der fünf Gründungsmitglieder hat sich über die Jahre auf momentan 15 Mitglieder erweitert. Für neue Mitglieder bietet der Kunstverein ein offenes Netzwerk, an dessen gemeinsamen Projekten man mitwirken und bestehende Kontakte nutzen kann. Junge und noch unerfahrene Künstler können durch die Gemeinschaft praktisch lernen, wie man sich organisiert. „Man hat das Gefühl, dass durch die Gruppe mehr möglich wird. Es ist selten, dass so etwas autonom funktioniert“, sagt Eero. Natürlich ist man mit dem Beitritt zum Roten Keil noch lange kein gemachter Mann bzw. keine gemachte Frau. Es gilt der Versuch seine Werke an den Mann zu bringen. „Die meisten machen auch nebenbei etwas“, meint Eero. Geld ist hier nicht die Grundintention. „Es wird nicht etwas produziert, weil jemand dafür zahlt.“
Anders als der Name vermuten lässt, ist der Rote Keil unpolitisch. Die Namensgleichheit mit El Lissitzkis bolschewistischem Propagandaplakat ist Zufall.
Die Frage bei den Mitgliedern, wie denn der Name nun entstanden sei, endet in äußerst unterhaltsamen Antworten – man bekommt sicher nicht zwei Mal die gleiche. „Ein Keil schafft einfach dort Platz, wo keiner ist, und wir haben keinen Platz gehabt um zu arbeiten“, erklärt Paul, ein anderes Gründungsmitglied des Roten Keils, dessen Namen. Auch das Aufbrechen von alten Strukturen wird genannt. „Es gilt, die Grenzen zu weiten in der Kunst.“