Wäre die Diagonale ein Fußballmatch, dieser Herr wäre wohl der „Mann des Spiels“ gewesen: Dem Dokumentarfilmer Nikolaus Geyrhalter war eine Personale gewidmet, am Ende räumte er den Großen Dokumentarfilmpreis ab.
Fabrik geschlossen, Angestellte entlassen – nicht nur das Annenviertel kann einige solcher Geschichten erzählen. Auch das Schicksal einer Textilfabrik im niederösterreichischen Waldviertel lautete ähnlich, deren Konkurs und die Zeit danach Nikolaus Geyrhalter dokumentiert hat.
Der 42-jährige Wiener hat eine Eigenart: Ein Thema interessiert ihn erst, wenn es die Medien längst vergessen haben. In seinen unkommentierten Dokumentarfilmen zeigt der Regisseur das Danach: Menschen, die Jahre nach dem Atomunfall von Tschernobyl noch immer in der verstrahlten Stadt wohnen (Pripyat, 1999). Die Rallye Dakar, die er mit der Kamera durch Afrika verfolgt, ohne sie ein einziges Mal ins Bild zu bringen (7915 km, 2008). Und jüngst: Das Schicksal der letzten Angestellten in der „Anderlfabrik“ im Waldviertel, die er über zehn Jahre hinweg bei der Arbeitssuche begleitet. Über die Jahre lautet der passende Titel des Dokumentar-Epos: Eine Langzeitstudie in Filmform. Und das dauert auch auf der Leinwand seine Zeit. Fesselnd und abwechslungsreich erzählt er die Schicksale der sieben letzten „Anderl“-Angestellten. Die Diagonale-Jury: „Ein Film, der Empathie zeigt, sich aber auch auf Diskretion versteht.“
Eine „Personale“ war Geyrhalter dieses Jahr gewidmet – alle seine Kinofilme flimmerten über die Diagonale-Leinwand, bei einigen Vorstellungen war er selbst anwesend: „Das war für mich wie eine Zeitreise.“ Besonders berührt hätten ihn die Reaktionen der Zuschauer, so Geyrhalter: „Filme, die früher ja kaum jemand gesehen hat, waren jetzt ausverkauft. Das sind lauter Wiedergeburten gewesen.“ Den Großen Preis sehe er daher nicht nur als Auszeichnung für Über die Jahre, sondern auch für die anderen Filme, die gezeigt wurden. Geyrhalter zufrieden: „Man könnte es resümieren mit: Es war eine schöne Diagonale.“
[box]Bis 29.03. kann man einige Geyrhalter-Filme gratis anschauen – unter diesem Link.
Über die Jahre läuft österreichweit in folgenden Kinos (Auswahl):
Stadtkino im Künstlerhaus Wien − ab 20.3.2015
Cinema Paradiso St.Pölten − ab 23.3.2015
Leokino Innsbruck − ab 24.3.2015
Waldviertler Kino Gmünd − ab 26.3.2015
Moviemento, Linz − ab 27.3.2015
Kino Freistadt − ab 27.3.2015
Das Kino, Salzburg − ab 28.3.2015
Programmkino Wels − ab 1.4.2015
Schrems Kulturhaus − 10.−14.4.2015
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