Schmuckkunst, was ist das? Diese Frage werden sich die meisten stellen, ist Schmuck als Kunstmedium national doch noch eher eine Seltenheit. Hineingeduckt in den Schatten der Mariahilferkirche befindet sich das Atelier Schmuckes, wo tragbare Kunst entsteht, ausgefallenen Materialien neue Aufgaben zugedacht und teils abstrakte Ideen verwirklicht werden.
Zwei Männer stehen gebeugt über etwas. Der eine dreht und wendet es, während der andere dieses kleine Etwas von allen Seiten aufmerksam beäugt. Es ist ein Ring, mit Hilfe von Wachs gegossen. Er sieht aus wie ein zerfließendes Meer aus grauen Silberperlen. Der eine Mann mit dem Metallperlenring in der Hand ist Oliver Mauerhofer vom Atelier Schmuckes, der andere sein Kunde. Sie besprechen eine mögliche Auftragsarbeit.
„Eröffnet wurde das Atelier im Juni 2012 von drei Leuten: der Doris Feichtinger, der Katja Sauter und dem Wolfgang Löffler“, erzählt Oliver noch eine Stunde davor, entspannt in einem roten Stoffsessel sitzend. „Katja Sauter ist auf unbestimmte Zeit auf Reisen gegangen. Michaela Puhr und ich sind erst eingezogen im Geschäft. Also ich bin seit letztem Oktober dabei und Michaela seit Dezember. Wir teilen uns alle die Miete hier und vom Preis- Leistungsverhältnis ist es einfach sehr gut.“ Kennengelernt haben sich die fünf über die Ortwein-Meisterschule.
Olivers neuer Auftrag soll ein Geschenk werden. Der Auftraggeber: ein noch junger Mann, leger gekleidet. Die Hände hat er zumeist in den Taschen, während er mit Oliver über das zukünftige Design des Ringes spricht, der einer von Olivers bereits bestehenden Arbeiten nachempfunden werden soll – dem grauen Silberperlenring. Um den rechten Unterschenkel des Auftraggebers windet sich ein Metallreif. „Unsere Kundschaft ist sehr unterschiedlich. Von Studenten bis Pensionisten ist alles dabei“, beschreibt Oliver sein Klientel.
Im vorderen Teil des Ausstellungsraumes befinden sich zwei Werktische, ein weiterer Arbeitsplatz ist in einem Zwischengeschoss im Verkaufsraum eingerichtet. Zu ihm führen schmale Holzstufen – der Weg nach oben ist mit einem Seil versperrt. Doch der Ring für den Metallreif-Mann, Olivers Kunden, wird nicht in den Räumlichkeiten des Atelier Schmuckes gefertigt werden. „Für mich ist es mehr Verkaufsraum, da ich eine eigene Goldschmiedewerkstatt habe.“ In den Räumlichkeiten des Ateliers benutzt Oliver nur die Drehbank oder emailliert seine Werke. Die anderen Mitglieder nutzen das Schmuckes jedoch gleichzeitig als Werkplatz.
„Schmuck ist einfach ein anderes Medium von Kunst. Entweder steht eine Geschichte oder eine Stimmung im Vordergrund, irgendein Ausdruck oder das Material“, versucht Oliver das Fach der Schmuckkunst zu erklären. „Ein Schmuckstück ist kein Ding für sich selbst. Es muss immer an den Körper angepasst sein.“ Auch die Verwendung ausgefallener Materialen sei Teil der Schmuckkunst. So erzählt Oliver belustigt von einem seiner ehemaligen Projekte, bei dem er mit dem Drahtseil einer Seilbahn arbeiten wollte. Seine Anfrage bei der Produktionsfirma stieß auf große Verwunderung „Wenn ich irgendetwas zweckentfremden will, verstehen fremde Firmen das meist nicht. Das ist dann in etwa so wie: Mit einem Hammer schlägst du einen Nagel ein. Den Nagel hängt man sich nicht um und aus dem bastelt man sich auch keine Gabel.“
Schmuck oder Schmuckkunst?
Der Verkauf von Arbeiten liegt in etwa gleichauf mit dem Anfertigen von Auftragsarbeiten. Beide würden je 50% des Geschäfts ausmachen, meint Oliver. Doch ist Schmuck, wenn er von jemand anderem in Auftrag gegeben wird, überhaupt noch Schmuckkunst? „Schwierig“, der gelernte Goldschmied hat sich über diese Frage bereits selbst eingehende Gedanken gemacht. „Wo man da die Grenze zieht, ist nicht leicht.“
Laufkundschaft zählt für das Atelier nicht zu den Hauptabnehmern. „Oft ist es Mundpropaganda. Das Geschäft ist ja sehr unauffällig“, erklärt Oliver. Da das Atelier nicht auf herkömmliche Weise beworben wird und auch etwas abseits des Fußgängerstromes liegt, verirren sich eher wenige Neugierige in den Ausstellungsraum. Auch der Metallreif-Mann hat zuvor von ihnen gehört. Auf Werbung wurde bisher vermutlich verzichtet, um das Atelier nicht zu kommerzialisieren, meint Oliver. „Ich bin dafür, dass man das Geschäft etwas bekannter macht.“
Es dauert lange, bis zwischen Oliver und dem Metallreif-Mann die ersten Einzelheiten geklärt sind. Von der Beschaffenheit verschiedener Metalle bis hin zur endgültigen Ringform wird viel besprochen. Bevor sich die beiden Männer verabschieden, tauschen sie noch Visitenkarten aus. Ein passender Edelstein muss noch ausgewählt und die richtige Ringgröße abgenommen werden. Sobald alle Details festliegen, wird Oliver damit beginnen, einen neuen Ring zu schaffen. Ein Unikat und vielleicht auch ein Kunstwerk.