Nach einem langen Winter freut man sich in Graz über die ersten Sonnenstrahlen. Vor den Eisläden in der Herrengasse stehen die Leute Schlange, in den Gastgärten werden Wolldecken von Sonnenschirmen abgelöst und im Stadtpark fliegen wieder Fußbälle und Frisbee-Scheiben durch die Luft. Auch im Niesenberger-Gemeinschaftsgarten kamen vergangen Samstag einige Besucher zusammen, um beim Workshop „Fensterbank-Gärtnerei“ Ideen für mehr Natur in den eigenen vier Wände zu sammeln.
Beim Projekt Annengrün lautet das Motto „garteln ohne Garten“. Wie das geht, zeigen die begeisterten Hobbygärtnerinnen Johanna Reiner und Nana Pötsch. Sie präsentieren den – überwiegend weiblichen – BesucherInnen, wie man eine grüne Oase direkt auf seinem eigenen Balkon anlegen kann. „Können Pflanzen-Samen alt werden?“, will eine Besucherin wissen. Tatsächlich: Auch Pflanzen haben ein Ablauf-Datum. „Samen können aber im Tiefkühler aufbewahrt werden“, rät Johanna Reiner, „denn so wissen sie außerdem, wie sich ein kalter Winter anfühlt.“ Auch untereinander beraten sich die Teilnehmer und tauschen seltene Samen aus. Das Publikum des Workshops ist bunt gemischt; während einige noch nie etwas gepflanzt haben, entpuppen sich andere als Profi-Gärtner und helfen mit Ideen für das private Garten-Projekt auf „Balkonien“.
Nicht nur Tipps für die richtige Bepflanzung werden in Kleingruppen diskutiert, sondern es wird auch gebastelt: Was für andere Abfall ist, funktionieren die Hobbygärtnerinnen in ein praktisches Kleinbeet um. Milchpackungen, altes Zeitungspapier und leere Plastikflaschen werden auf einem Tisch mit Erde gefüllt und bepflanzt, um zu zeigen, wie man seinen eigenen Balkon mit einfachsten Mitteln aufblühen lassen kann.
Die Annenstraße soll aufblühen
Abgesehen vom Spaß am Garteln gehts beim Projekt Annengrün darum, mehr Natur in die Stadt zu bringen. Während die Idee vorgestellt wird, hat eine Besucherin ein Anliegen: „Vor allem die Annenstraße muss wieder grün werden, denn die gleicht momentan einer Kebab-Allee!“ Und genau solchen Ansichten, die vor allem seit dem Umbau der Annenstraße immer lauter werden, wollen die OrganisatorInnen entgegenwirken. „Im Nachhinein lässt sich am Umbau nichts mehr ändern, doch einiges kann man selbst in die Hand nehmen, anstatt nur zu nörgeln. Deshalb wollen wir zeigen, wie jeder für sich die Annenstraße grüner machen kann“, erzählt Nana Pötsch.
Bereits seit 2010 wirkt der blühende Niesenbergergarten der Annenviertel-„Tristesse“ entgegen: In der Niesenbergergasse gedeiht ein offener Garten. Jeder kann mitpflanzen, es gibt keine Beetzuteilung, auch kein Unkraut, nur „Beikräuter“. „Es werden viel zu viele wirksame Kräuter einfach entsorgt, weil sie nicht ins Bild passen“, erklärt Brigitte Schöpf, die sich für die Erhaltung des kleinen Stückchen Grün mitten in der Stadt einsetzt. Wie viele Leute den Niesenbergergarten tatsächlich nutzen, lässt sich nur schwer sagen. „Wir haben einen harten Kern von zehn bis fünfzehn Personen die den Garten gründlich pflegen, allerdings sind in dem Mail-Verteiler mehr als siebzig Leute angemeldet“, erklärt Brigitte Schöpf. Leider ist es ein Garten auf Zeit, wie sie wehmütig anfügt. Das Grundstück gehört nämlich einem anliegenden Immobilienbüro. Brigitte Schöpf hofft allerdings, dass der Garten den Bewohnern noch so lange wie möglich zum Graben, Pflanzen, Ernten oder einfach nur zum „Chillen“ erhalten bleibt.
In den kommenden Monaten werden vom Projekt Annengrün übrigens noch weitere kostenlose Workshops und Führungen angeboten, um das Annenviertel Stück für Stück zum Blühen zu bringen. Das Projekt eignet sich für Hobbygärtner genauso gut wie für all jene, bei denen bisher nicht einmal Kakteen überlebt haben. Denn, wie der Workshop gezeigt hat, benötigt man kein Haus mit Garten um seinen grünen Daumen unter Beweis zu stellen.
[box]Projekt ANNENGRÜN
http://annenviertel.at/
news@annenviertel.at
Nächste Termine:
16. Mai: Pflanzengefäße bauen
11. Juni: Botanisch-gärtnerischer Spaziergang: „Wildkräuter im Viertel“
20. Juni: Bokashi-Workshop
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