Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau. Jeder Siebte hat in Graz keinen Job. Der Tag der Arbeitslosen am 30. April soll ein Aufschrei sein und zeigen, was falsch läuft. Damit es ihn irgendwann nicht mehr braucht.
Neugierige Blicke, kurzes Innehalten und Beobachten. Während sich immer mehr Menschen an den Infoständen tummeln, hört man in der Ferne Gesang, Phrasen wie „Happy Birthday, liebe Arbeitslosen“ sind zu vernehmen. Vorgetragen wurde dieses Ständchen vom sogenannten „Heer der Arbeitslosen“, einer Gruppe von InterACT, einer Werkstatt für Theater und Soziokultur. In kurzen Vorführungen zeigen sie, wie der Alltag arbeitsloser Menschen aussieht. Und ernten dafür Applaus.
Laut einer vom AMS veröffentlichten Statistik lag die Arbeitslosenquote im März 2015 in Österreich bei 10,1 Prozent. Die Steiermark liegt im Bundesländervergleich im Mittelfeld und ist knapp unter dem Österreichschnitt. Trauriger Spitzenreiter in der Steiermark ist die Stadt Graz. Rund 13,5 Prozent waren im März ohne Arbeit. Das bedeutet, dass fast jeder siebente Grazer keinen Job hat. Seit 2011 nimmt die Zahl der Arbeitslosen immer weiter zu.
Zeigen, was falsch läuft
Seit 2006 versucht der Verein AMSEL (Arbeitslose Menschen suchen effektive Lösungen) jährlich am 30. April auf das Thema Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Probleme aufmerksam zu machen. „2000 haben die AUGE/UG (Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen) schon damit angefangen“, erklärt Margit Schaupp, Obfrau des Vereins AMSEL. Auch die AUGE/UG sind in diesem Jahr wieder mit einem Stand am Südtirolerplatz vertreten. Insgeheim hofft Schaupp darauf, dass diese Veranstaltung nicht mehr oft stattfinden muss: „Wir machen das, solange es notwendig ist. Man will ja wieder zur Vollbeschäftigung kommen.“ In den Augen der Vereinsobfrau wird dem Thema Arbeitslosigkeit in der Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das will sie mit ihrem Verein am Tag der Arbeitslosen ändern.
Das Wichtigste für Schaupp ist die Mitbestimmung: „Seit 2006 wollen wir schon eine Arbeitslosenanwaltschaft. Wir möchten bei Gesetzen mitbestimmen können.“ Sie will, dass Juristen das Beste für Arbeitslose herausholen, „wie ein Steuerberater für seinen Kunden“. Auch die Idee eines „KundInnenrats“ steht im Raum. Er soll bezwecken, dass Betroffene in den zuständigen Gremien mitbestimmen können. „Diese Menschen wissen ja, welche Probleme vorhanden sind. Nicht die Chefs. Wenn es Verbesserungsvorschläge gibt, wollen wir diese gleich auf den Tisch legen können. Uns hört niemand. Genau dafür ist der Tag der Arbeitslosen da.“ Laut Schaupp werden einige Arbeitslose in Kurse gezwungen, um die benötigten Statistiken zu erreichen. Falls sie rebellieren oder diese Kurse ablehnen, kann es zu einer „Sperre“ kommen. „Eine Sperre heißt: kein Arbeitslosengeld.“ Diese bezieht sich zuerst auf sechs Wochen und kann bis zu etlichen Jahren reichen.
Ein Zeichen der Würde
Der Verein AMSEL besteht aus rund 60 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Die „Anonyme Arbeitslosen-Hotline“ steht Hilfesuchenden rund um die Uhr zur Verfügung. BeraterInnen helfen bei der Jobsuche und stehen bei Problemen zur Seite. Der Arbeitslosenfond der Diözese Graz Seckau ist eine Unterstützung für Betroffene. Das Projekt „PatInnen unterstützen Jugendliche“ gibt jungen Menschen die Möglichkeit, Hilfe und Beistand aus dem Weg aus der Arbeitslosigkeit zu finden. „Wir sind kein Ersatz für den AMS. Wir sind ein Zusatz“, erklärt Geschäftsführer und Berater Mag. Bernhard Schwarzenegger.
Jugendlichen wird nicht nur geholfen und sie bekommen einen Berater zur Seite gestellt, sondern sie werden auch geschult, worauf es bei einem Lebenslauf oder einer Bewerbung ankommt. „Für Betroffene ist es oft einfach wichtig, dass sie wissen, dass jemand für sie da ist.“ Am Stand der Diözese Graz Seckau verteilt Schwarzenegger mit einer Kollegin Rosen an Passanten, ein „Zeichen der Würde und Wertschätzung“.
Standortlogik und Sachzwänge
Den Abschluss des Tages der Arbeitslosen bildete am Abend eine Diskussionsrunde bei Radio Helsinki in der Schönaugasse, bei der über Sachzwänge und Standortlogik diskutiert wurde. „Die Wirtschaft diktiert. Ein Unternehmer hat die Kohle und kann damit machen und lassen, was ihm passt“, erklärt Margit Schaupp, was Sachzwänge für sie bedeuten. Ergänzend zum Begriff Standortlogik nennt sie ihre Forderung, eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich einzuführen. „Zur gerechten Verteilung könnte man sagen, dass die obersten Gehälter nicht angeglichen werden. Es ist ja ohnehin jetzt schon so eine große Spreizung zwischen den niedrigsten und den höchsten Löhnen.“ Vonseiten der Politik und Wirtschaft sieht Schaupp wenig Unterstützung. Ihre Hoffnung, dass sich die Situation für Arbeitslose in ganz Österreich bessert, gibt sie aber nicht auf.