Die Initiative Transition will aufzeigen, dass sich Graz für die Produktion von regionalen Lebensmitteln eignet.

Ein Markt, der alles möglich macht

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Eine essbare Stadt, in der nicht mit Geld bezahlt werden muss und in der Lebensmittel nicht unnötig entsorgt werden. Was nach Utopie klingt, wird von einigen Grazer Initiativen längst in die Tat umgesetzt. Am „Markt der Möglichkeiten“ im Volksgarten wurden Infostände aufbereitet, um unterschiedlichste nachhaltige Ideen und lokale Alternativen aufzuzeigen. 

Zeit ist bekanntlich Geld — wieso also nicht gleich die wertvolle Lebenszeit als Währung einsetzen? In der Mitte des bunten Marktgetümmels im Grazer Volksgarten wird diese Idee von der Initiative Talente-Tausch Graz vorgestellt. In einem Tauschkreis, bestehend aus mittlerweile mehr als 120 Mitgliedern, werden Talente und Fähigkeiten untereinander ausgetauscht. Das System dahinter ist leicht erklärt: Für einen Einsatz, wie zum Beispiel Rasenmähen, bekommt man Stunden auf das Konto des Tauschkreises gutgeschrieben, welche man dann wiederum für einen selbst gemachten Kuchen einlösen kann. Diese Initiative soll die Nachbarschaft stärken, da Lebenszeit für jeden Menschen gleich wertvoll ist. „Mein Traum wäre es, überhaupt kein Geld haben zu müssen“, erklärt der Obmann des Talente-Tausch, Rudolf Pezzei. Aus diesem Grund setzt er sich stark für diese erweiterte Nachbarschaftspflege ein, „denn die echten Werte verlieren leider im System“.

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In seiner Geldtasche hätte Rudolf Pezzei am liebsten nur seine eigene Währung: Zeit.

Aus demselben Grund wurde auch der „Styrrion“ ins Leben gerufen, ein regionales Zahlungsmittel, das den Euro weitgehend ersetzen soll. Stolz holt Rudolf Pezzei seine Styrrions aus der Geldtasche, die auf den ersten Blick wie gewöhnliche Stempelkarten aus einem Kaffeehaus aussehen. Dieser Gutschein, mit dem Vereinsmitglieder beispielsweise im Ginko oder in der Buchhandlung Wendepunkt in der Josefigasse bezahlen können, unterstützt vor allem kleine, regionale Betriebe. Laut Rudolf Pezzei „rostet“ dieses Zahlungsmittel außerdem nicht wie herkömmliche Währung: „Ware und Geld sind nicht gleichgültig, denn während die Lebensmittel verfallen, verdirbt der Euro nicht“. Mit dem Styrrion will man dem „Rosten des Geldes“ entgegenwirken und somit kleine Geschäfte unterstützen.

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In vielen Betrieben in Graz muss nicht mit Geld bezahlt werden. Man kann auch ein regionales Zahlungsmittel, wie zum Beispiel den Gutschein „Styrrion“, verwenden. ©Sara Plassnig

Rettung vor der Verschwendung

Die Problematik der verdorbenen Lebensmittel ist am Markt der Möglichkeiten auch von anderen Initiativen aufgegriffen worden. Bei einem Stand aus Bierbänken und Tischen werben Johannes Mauhart und Peter Morgan um mehr Mitglieder für ihr „Foodsaver-Team“.

Die "Foodsaver" retten Lebensmittel vor der Mülltonne.
Die Grazer „Foodsaver“ retten Lebensmittel vor der Mülltonne.

Die Aktion „Lebensmittelretten“ wirkt der heutigen „Wegwerfgesellschaft“ entgegen, indem sie sich aktiv gegen die Verschwendung von Essen einsetzt. Täglich entsorgen Betriebe Lebensmittel, die zwar noch vollkommen in Ordnung sind, jedoch nicht mehr verkauft werden dürfen. „Wir sind ganz flexibel organisiert. Wenn uns ein Betrieb Essen zur Verfügung stellt, holen wir es spontan ab und bringen es zu den Verteilern. Dort können sie von allen abgeholt werden“, schildert Johannes Mauhart die Aufgaben eines Foodsavers.

Über die Plattform foodsharing kann der Lebensmittelverschwendung auch auf privater Ebene entgegengewirkt werden. Denn jede/r kennt das Problem: Man will verreisen, hat aber noch einen vollen Kühlschrank. Anstatt die kostbaren Lebensmittel in den Restmüll zu werfen, kann man ganz einfach ein Foto davon auf die Website stellen und diese an andere Mitglieder verschenken.

Die Initiative Transition will aufzeigen, dass sich Graz für die Produktion von regionalen Lebensmitteln eignet.
Die Initiative Transition will aufzeigen, dass sich Graz für die Produktion von regionalen Lebensmitteln eignet.

David Steinwender nutzt den Lendwirbel, um seinen Traum von einer essbaren Stadt vorzustellen. Der Koordinator von Transition in Graz stößt mit seinem Plakat auf fragende Blicke. Unter einer essbaren Stadt kann sich fast niemand etwas vorstellen. Außer vielleicht Häuser aus Lebkuchen und Wälder aus Marzipan. Doch genau hier möchte er ansetzen. Die Initiative Transition leistet Bewusstseinsarbeit und will Alternativen aufzeigen, „um die Versorgung nachhaltig zu verbessern“. Statt Obst und Gemüse aus Spanien teuer beim Supermarkt zu kaufen, setzen sich die jungen Menschen für die Stadt als Produktionsfaktor ein. Öffentliche Gemeinschafts- und Naschgärten, in denen jede/r BewohnerIn die Möglichkeit hat, selbst etwas anzupflanzen und frisch zu ernten, sind nur einige von vielen Möglichkeiten, um Graz in eine essbare Stadt zu verwandeln.

Egal ob eine essbare Stadt oder eine Tauschbörse für Talente, der bunte Markt am Lendwirbel beweist, dass fast alles möglich ist oder eben werden kann. Die Grazer Initiativen setzen dort an, wo viele wegschauen, und bemühen sich gemeinsam nicht nur um eine nachhaltige Zukunft, sondern auch um ein besseres Miteinander.

Katrin Rathmayr ist das sprachbegabte Schreibtalent in der Annenpost-Redaktion. Mit ihren 22 Jahren hat sie bereits ihren Bachelor in Englisch gemacht und wertvolle Erfahrungen bei verschiedenen Zeitungen gesammelt. Wenn sie nicht schreibt, macht die interessierte Grazerin Sport, backt oder arbeitet.

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