Das ist eine von vielen Taktiken hinter den Guerilla-Aktionen von Mike Bonanno. Der Yes Man gibt sich auf Kongressen als Konzernchef aus und bringt dabei mit jeder Menge Ironie Firmenskandale an die Öffentlichkeit. Bonanno war auf Besuch im Kunsthaus.
„Als wir mit The Yes Men starteten, wussten wir nicht, warum und was wir da genau machen“, erzählt Mike Bonanno und stellt die Plattform „Action Switchboard“ vor. Die Idee dahinter? Menschen, die mit dem kapitalistischen System unzufrieden sind, zusammenzubringen. Mit einem System, in dem Konzerne zur Profitsteigerung „alle Werte verschlingen“, so Bonanno. Unzufriedenheit alleine reiche eben nicht, die Menschen müssten aktiv werden. Dabei gehe es auch darum, „einfach mal Blödsinn zu machen“. Für politischen Aktivismus brauche es aber mehr als zwei Menschen – das sei „nicht wie Babymachen“, grinst der Yes Man. Deshalb fordert er das junge Publikum dazu auf, im Workshop kreativ zu werden.
„Strache konvertiert zum Islam“
„Viel zu viele Leute nehmen das kapitalistische System als etwas Natürliches an. Überzeugt sie vom Gegenteil!“ Mit diesen Worten motiviert Mike Bonanno die TeilnehmerInnen, Themen auszuarbeiten, die ihnen unter den Nägeln brennen. Im Anschluss sollen gemeinsam Überschriften ausgearbeitet werden. Überschriften, die Aufmerksamkeit erregen, zum Nachdenken anregen und vor allem eines sind: zu gut, um wahr zu sein. „Strache konvertiert zum Islam – er findet SteirerInnen im Jihad ‚urleiwand‘“, lautet der Titel von David, einem der Teilnehmer. „ Die Europäische Zentralbank wird zu einer Bank für Gemeinwohl“, schlägt Marlies vor. Eine andere Gruppe wiederum entscheidet sich für die Überschrift: „EU und USA realisieren, dass sie bereits freien Handel betreiben.“ Das Thema dahinter ist das Freihandelsabkommen, auch bekannt als TTIP, das in der letzten Zeit immer wieder für Schlagzeilen sorgte. TTIP war auch das Stichwort, bei dem sich der Yes Man in ein Gespräch verwickeln ließ:
Annenpost: Vor ein paar Wochen gingen in Graz viele Menschen gegen das Freihandelsabkommen TTIP auf die Straße. Was kann, soll, muss man noch dagegen tun?
Mike Bonanno: Alles, was nur geht. Was wir sehr unterstützen, ist microphone hijacking. Das ist ziemlich störend, aber auch ziemlich lustig. Du gehst zur nächstbesten größeren Konferenz und recherchierst davor ein bisschen, worum es dort geht. Zieh‘ einen Anzug an und schau so aus, als würdest du dazugehören. Dann stehst du einfach auf und hältst eine Rede gegen das TTIP. In der erinnerst du daran, dass wir das TTIP nicht unterzeichnen müssen, weil es nur ganz wenigen Leuten etwas bringt.
The Yes Men sprechen oft über „identity correction“ – hat das etwas damit zu tun?
Dabei geht es darum, sich als offizieller Vertreter eines Konzerns auszugeben, um den Leuten klar zu machen, wie schlecht deren Politik ist.
Was wollen Sie mit solchen Aktionen bewirken? Die Welt verändern?
Alle Menschen, die ich kenne, wollen die Welt irgendwie verändern. Okay, es gibt ein paar Ausnahmen. Mir geht es darum, unsere Werte zu überdenken. Anthropologen reden ständig von einem Kultur- und Werteverlust. Das liegt daran, dass der Kapitalismus als Wertesystem in kürzester Zeit jegliche Kultur verschlungen hat, die sich in den letzten zehntausend Jahren gebildet hat.
Welche Aktion hat Ihnen selbst am besten gefallen?
Meine Lieblingsaktion ist die, mit der unser neuer Film („The Yes Men Are Revolting“, Anm.) endet. Wir haben uns als Teilnehmer einer Sicherheitskonferenz der US-Regierung ausgegeben und öffentlich verkündet, dass die fossilen Rohstoffe endgültig verbraucht sind. Wir haben behauptet, dass die Vereinigten Staaten ab sofort auf Wind- und Sonnenenergie umstellen und dass alle Kraftwerke ab nun dem Volk gehören. Da die meisten Wind- und Sonnenkraftwerke auf Grund und Boden von Native Americans stehen, würde das eine komplette Umverteilung der Ressourcen bedeuten. Sozusagen eine Reparationszahlung für den Genozid an den Natives und gleichzeitig eine gerechte Energiewende.
Apropos Wende: Aktivismus statt oder zusätzlich zu einer Revolution?
Ich hoffe, wir brauchen keine gewaltsame Revolution, aber wir brauchen eine. Unser System ist momentan auf Profit und Aktienkurse aufgebaut. Wir müssen aus dem Denkschema herauszukommen, dass einzig wirtschaftlicher Wachstum wünschenswert ist.
Herr Igor Vamos, Sie nennen sich Mike Bonanno…
Genau (lacht). Mein echter Name klingt noch lächerlicher als mein Fake-Name. Als wir mit unseren Aktionen begannen, arbeiteten wir noch mit unseren wirklichen Identitäten. Wir brauchten lange, bis wir bemerkten, dass wir uns falsche Namen zulegen sollten.
Und was bringt Sie eigentlich nach Graz?
In Österreich bin ich komischerweise, weil ich nach Polen muss. Ich halte hier ein paar Workshops und mache Filmvorführungen. In Polen wird unser neuer Film „The Yes Men Are Revolting“ auf einem Festival gezeigt. Die Reisekosten muss ich übrigens selbst übernehmen, das ist schon hart – Filmgeschäft eben. Es wirft meistens mehr negativen als positiven Profit ab (lacht). Das Präsentieren und Vortragen macht das aber wieder wett.
[box] Einer der erfolgreichsten Aktionen von The Yes Men war der Auftritt von Andy Bichlbaum auf BBC World als ein Sprecher des Chemiekonzerns „Dow Chemical“. Jener Konzern kaufte „Union Carbide“ auf, die für das Bhopal-Unglück 1984 in Indien verantwortlich waren. (Bei dem Unfall traten mehrere Tonnen giftiger Stoffe in die Atmosphäre, 3.000 Menschen starben, weitere 120.000 wurden verletzt.) Vor 300 Millionen TV-ZuschauerInnen vermeldete Bichlbaum Folgendes im Namen von „Dow Chemical“: „Ich bin sehr glücklich, dass ich heute mitteilen kann, dass Dow erstmals die volle Verantwortung für die Katastrophe in Bhopal übernimmt. […] Wir haben beschlossen, Union Carbide zu liquidieren, diesen Albtraum für die Welt, der Dow Kopfschmerzen bereitet.“ Daraufhin sank der Wert des Konzerns an der Börse um circa zwei Milliarden Dollar. [/box]Interview und Text: Sara Noémie Plassnig
Mitarbeit: Paul Krisai