Erinnern, um nie zu vergessen

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Über acht neue Gedenksteine werden Grazerinnen und Grazer in Zukunft stolpern und dabei an die Vergangenheit erinnert werden. Als Auftakt galt das Gedenken an die jüdische Familie Salzmann, deren Wohnung am Griesplatz einst von den Nazis beschlagnahmt wurde.

 

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Griesplatz 4: Hier erinnern drei Stolpersteine an einstige Bewohner, die jüdische Famile Salzmann.

 

Daniela Grabe, die Obfrau vom Verein für Gedenkkultur, liest beim Auftakt der Stolpersteinverlegung am Griesplatz aus den Schilderungen des NS-Opfers Harald Salzmann: „Es wird nicht lange nach dem 13. März 1938 gewesen sein, da kamen zwei junge Burschen, nach Sturmläuten, bewaffnet und mit Hakenkreuzarmbinden, wahrscheinlich zwei SA-Leute, zu uns. Unter dem Vorwand, nach kommunistischen Schriften zu suchen, machten sie in unserer Drei-Zimmerwohnung am Griesplatz 4/III eine Hausdurchsuchung. Natürlich gab es nichts Kommunistisches bei uns. Aber meine kleine Schüler-Bibliothek hatten sie bald entdeckt, so beschlagnahmten sie einige jüdische Bücher. Den Wäscheschrank meiner Mama räumten sie völlig aus, warfen alles auf einen großen Haufen und riefen dabei: ‚Aha, die Jüdin trägt Seidenwäsche!‘ “ Die jüdische Familie Salzmann wohnte noch, bis zu ihrer Flucht nach Marokko 1939, am Griesplatz 4/III.

 

Daniela Grabe initiierte als Obfrau vom Verein für Gedenkkultur die Stolpersteine in Graz.
Daniela Grabe initiierte als Obfrau vom Verein für Gedenkkultur die Stolpersteine in Graz.

 

Die Geschichte einer jüdischen Familie im Nationalsozialismus

Simon Salzmann übersiedelte während des ersten Weltkriegs nach Graz, wo er Elsa Freudmann kennenlernte. Die beiden heirateten und 1921 wurde ihr Sohn Harald geboren. Sein Vater Simon führte erfolgreich einen Malerbetrieb. Harald besuchte die jüdische Volksschule, anschließend die Pestalozzi-Realschule sowie die Kepler-Realschule. Zu jener Zeit nahm der Antisemtitsmus kontinuierlich zu. Nach der absolvierten Lehre im Betrieb seines Vaters, überlegte Harald deshalb nach Palästina auszuwandern.

Im Zuge des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland,wurde der Familienbetrieb 1938 beschlagnahmt und etliche Konten der Salzmanns gesperrt. Simon Salzmann wurde in das Konzentrationslager Dachau deportiert, wo er sich mehrere Wochen lang in Haft befand. Nachdem die Wohnung im Gries konfisziert wurde, suchte die Familie nach Fluchtwegen. Rosa Reisz, die Halbschwester von Harald, besorgte Simon Salzmann einen Arbeitsvertrag für Tanger. Die Familienmitglieder erhielten Visen und flüchteten. Im Juli 1939 erreichten sie Marokko.

Acht Jahre später kehrten Harald und Simon Salzmann nach Graz zurück. Elsa war 1943 in Tanger verstorben. Vater und Sohn begannen wieder als Maler in Graz zu arbeiten. Harald wechselte später in den Beruf des Bibliothekars und war mehrere Jahre im Rat der israelischen Kultusgemeinde. Im Jahr 1990 verstarb Harald Salzmann in Graz.

 

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Erinnern kennt kein hitzefrei.

 

Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist

Die Namen der Salzmanns ziert nun eine Gedenktafel aus Messing, die im Gehsteig vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie eingelassen wurde. Neben diesem neuen Stolperstein wurden sieben weitere gelegt. Auf die ganze Stadt verteilt bedeutet das, dass mittlerweile 30 Gedenksteine an WiderstandskämpferInnen, Roma, homosexuelle und jüdische Menschen erinnern, die während des Nationalsozialismus vertrieben, deportiert oder ermordet wurden.

 

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Name, Wohnort und Geburtsjahr der NS-Opfer auf den Stolpersteinen erinnern an tragische Schicksale.

 

Verwirklichung und Verunstaltung

Die Idee, Stolpersteine in Graz zu initiieren, kam von der Gemeinderätin Daniela Grabe. Zu diesem Zweck gründete sie 2012 den Verein für Gedenkkultur. Im Jahr 2013, 75 Jahre nach dem Beginn des Nazi-Terrors in Österreich, wurden die ersten Gedenksteine in Graz gelegt.

Im Februar haben Unbekannte die Steine in der Oeverseegasse, sowie weitere im Bezirk Geidorf mit Säure verunstaltet. Die Ermittlungen vom Verfassungsschutz wurden mittlerweile allerdings wieder eingestellt, da keinerlei Hinweise gefunden worden waren. „Unser nächstes Vereinsziel ist die Sensibilisierung für Vandalismus mit rassistischen Hintergründen bei der Polizei. Dafür haben wir vor, Einheiten bei den Polizeischulungen zu gestalten“, so Grabe.

 

[infobox]Die ursprüngliche Idee der Gedenksteine kommt  von dem Künstler Gunter Demnig aus Köln und wurde bereits in Belgien, Norwegen, Tschechien, Ungarn und anderen europäischen Ländern umgesetzt. Im Annenviertel stolpert man über die Gedenksteine unter anderem in der Volksgartenstraße, der Afritschgasse, der Annenstraße sowie am Südtiroler Platz. An die 30 Stolpersteine gibt es in Graz, über 50.000 europaweit. Jeder Bürger und jede Bürgerin kann für die Produktion und die Verlegung eines Steins eine sogenannte „Patenschaft“ übernehmen.[/infobox]

 

Sara Noémie Plassnig

 

Rasende Reporterin. Konsequent kritisch. Liest. Schreibt. Koffein in den Adern. Buchstabensalat im Kopf. @saplanot

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