Wenn Martin Grabner stundenlang Scheiben putzt, damit er am Abend in seiner „Pop Up Gallery“ ausstellen kann, erahnt man die Leidenschaft hinter dem Projekt. Für je eine Woche verwandelt sich ein leerstehendes Geschäftslokal in der Annenstraße dabei zu einer Galerie.
Vor der Annenstraße Nummer 53 hat sich eine Menschentraube gebildet. Aus den Häusern auf der anderen Straßenseite stecken Neugierige ihre Köpfe aus den Fenstern. Mit Bier und Säften in Plastikbechern und bulgarischer Musik im Hintergrund wird angeregt geplaudert. Über das Wetter, die Annenstraße, aber vor allem über Kunst. Denn in der Auslage, die normalerweise staubig und leer ist, ist von einem Tag auf den anderen eine Galerie ‚aufgepoppt‘.
Mit Kunst hatte die Auslage des Geschäftslokales in der Annenstraße 53 bis jetzt wenig zu tun, seit Wochen ist es ungenutzt. Zusammen mit vielen anderen Gebäuden reiht es sich in die traurige Reihe der leerstehenden Auslagen der Annenstraße. „Seit einiger Zeit fahre ich durch die Annenstraße zur Arbeit, und mir ist aufgefallen, hier gibt es einfach den auf den Punkt gebrachten Leerstand,“ erklärt Martin Grabner. Das habe den Fotografen, der auch auf der Fakultät für Architektur an der Universität forscht und lehrt, auf eine Idee gebracht: Könnte man nicht die Möglichkeit, Kunst auszustellen, mit der Beschäftigung mit dem Leerstand in der Stadt verbinden?
Martin Grabner hat mit seiner „Pop Up Gallery“, im Rahmen des Architektur Sommers 2015, den Versuch dazu gestartet. Wenn Martin Grabner mit Wischmop und junger Fotokunst anrückt, verwandeln sich leerstehende Geschäftslokale in mobile Galerien. Vier Ausstellungen konnte er so in der Annenstraße organisieren. „Jedes Mal ein anderer Künstler an einem anderen Ort – eine Woche lang“, erklärt Grabner die Idee. „’Pop Up‘ ist ein Konzept, das gerade hip wird, und in Graz sind wir damit unter den ersten. Viele dachten, wir machen hier eine „Pop Art Gallery“, schmunzelt er.
19 leerstehende Geschäftsstellen habe er in der Annenstraße gezählt, vier davon hätten sich schlussendlich bereit erklärt mitzumachen. „Und eines ist eigentlich geschummelt, weil es der Verein Jukus ist“, gibt Martin Grabner grinsend zu. Viel Überzeugungsarbeit sei notwendig gewesen. „Wir haben ja kein Geld! Sie müssen uns also die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellen. Aber die meisten freuen sich dann im Nachhinein sehr über die frisch geputzten Scheiben. Die reinigen wir nämlich davor oft stundenlang!“ Den ganzen Tag vor einer Ausstellung bereitet Martin Grabner die leerstehenden Geschäftslokale mit seinen Künstlern vor. „So ist das hier. Ich bin Initiator, Kurator, Organisator und Mensch, der die Scheibe putzt“, erzählt er lachend.
Martin Grabner hätte im Vorhinein mehrere Förderungen für seine „Pop Up Gallery“ beantragt. Schließlich hätte er ein bisschen Unterstützung vom Citymanagment und dem „Annenviertel“ Verein bekommen. „Damit es sich mit dem Strom und den Getränken ausgeht.“ Die Rückmeldung vom Kulturamt ist jedoch noch offen. „Ich hoffe sehr, dass das klappt. Dann könnten wir den Künstlern wenigstens ein kleines Honorar zahlen.“ Bis jetzt könne er ihnen nichts für das Ausstellen ihrer Bilder bezahlen. Die meisten von ihnen kenne er von der Universität oder der Ortweinschule. Ihm sei es besonders wichtig, junge Künstler zu fördern. „Da habe ich dann einfach überlegt, wen ich fragen könnte. Von vielen kannte ich die Kunstwerke schon recht lange.“
Der junge Künstler, der am Donnerstagabend in der Annenstraße 53 ausstellt, ist Georgi Petev. Zum ersten Mal sind seine Bilder in einer Galerie zu sehen. In seinen Werken lässt der aus Bulgarien stammende Architekturstudent menschliche Schatten mit architektonischen Bauwerken verschmelzen. Sein persönliches Lieblingsbild nimmt fast ein ganzes Schaufenster ein. Georgi Petev steht bei seinen Bildern und erklärt den Galeriebesuchern die Geschichten dahinter. „Die Idee des Fotos ist leicht provokativ, es ist nämlich mit einer aktuellen Diskussion in meiner Heimatstadt verbunden. Der obere Teil zeigt ein Mädchen, das betet, und darunter ist das Denkmal ‚1300 Jahre Bulgarien‘ im Zentrum von Sofia.“
Seit dem Ende des Kommunismus in Bulgarien verfällt das Denkmal und es entstand eine hitzige Diskussion darüber, was mit ihm passieren sollte. „Für diejenigen, die die Demontage verlangen, ist das Denkmal hässlich und erinnert an die verhasste kommunistische Herrschaft. Die anderen meinen, dass man über das Denkmal und über den Kommunismus denken kann, was man will, aber dass es ein Teil der bulgarischen Geschichte ist, den man nicht einfach so ausradieren könne. Auf jeden Fall vermeiden es die Bürger von Sofia, das Denkmal ihren Gästen zu zeigen.“
Langsam werden die Menschen auf dem Gehsteig vor der mobilen Galerie weniger. Martin Grabner ist zufrieden mit dem Abend. Doch eine Sache findet er dennoch schade: „Zwei, drei Leuten aus dem Haus hier haben mich vor der Eröffnung angesprochen, heute Abend ist dann aber keiner von ihnen gekommen. Es sind eigentlich wieder nur die Studenten von der anderen Murseite, die kommen und hier was machen, aber die Bewohner beteiligen sich daran nicht und kommen so auch nicht in den Genuss davon. Da muss man sich noch überlegen, wie man die besser ansprechen könnte.“ Nächste Woche Donnerstag findet der letzte der vier Galerietermine statt. „Und auch wenn es großen Spaß macht, freue ich mich dann ehrlich gesagt auch schon darauf, ein wenig Urlaub zu haben!“
[infobox]Die letzte Galerie im Rahmen der „Pop Up Gallery“ wird am 30. Juli um 19 Uhr in der Annenstraße 13/Vorbeckplatz eröffnet und ist bis zum 6. August zu sehen. Magdalena Gföllner, Richard Griletz, Nuša Košar, Thomas Taurer, Jutta Walker und Maria Zottler stellen ihre Werke aus.[/infobox]