Viele der Helfer, die sich in der Schwarzl-Halle oder am Hauptbahnhof um die Neuankömmlinge aus Syrien oder Afghanistan kümmern, sind selbst ehemalige Flüchtlinge, Asylsuchende oder sogar noch auf der Flucht. Ein Augenschein.
Wer sich dieser Tage im Flüchtlings-Notquartier am Schwarzlsee umsieht, erkennt auf einen Blick, dass hier einiges anders abläuft als erwartet. Die Stimmung wirkt gelassen, es scheint, als hätten sich die Geflüchteten mit den Zuständen dort abgefunden. Unter den zahlreichen Helfern mit roten und gelben Warnwesten, laufen auch viele herum, die kein Wort Deutsch sprechen. Denn viele dieser Helfer sind selbst Flüchtlinge, die zum Teil erst seit wenigen Stunden österreichischen Boden unter den Füßen haben. Sie helfen, obwohl sie selbst noch Hilfe brauchen. „Die Versorgung der Menschen in den Camps würde ohne Hilfe der Refugees höchstwahrscheinlich in sich zusammenfallen“, sagt Paige Baralija, Studentin, die freiwillig im Einsatz ist. Schließlich bringen sie Kompetenzen und Fähigkeiten mit, die vor Ort dringend benötigt werden.
So fungieren zahlreiche Flüchtlinge als Dolmetscher oder helfen beim Sortieren und Verteilen der Sachspenden mit. Baralija betont, dass die Geflüchteten gerne helfen, denn sie haben den ganzen Tag nichts zu tun und können nur darauf warten, dass sie in ein neues Camp gebracht werden oder dass ihr Asylantrag in weiterer Folge genehmigt wird. „In der überfüllten Halle ist es fast unmöglich sich auszuruhen oder zu schlafen.“, berichtet sie von ihren Erfahrungen. In ihrer Wartezeit wollen sich die Flüchtlinge nützlich machen, denn oft schämten sie sich, anderen Helfern beim Arbeiten zuzusehen. Baralija selbst kümmert sich ebenfalls seit Wochen liebevoll um die Flüchtlinge, die sie längst ins Herz geschlossen hat und als Freunde bezeichnet.
Hoffnung durch helfende Flüchtlinge
Auch am Grazer Hauptbahnhof sind helfende Flüchtlinge längst fixer Bestandteil des täglichen Geschehens. Ob in der Bahnhofshalle oder direkt am Bahnsteig, die Helfer eilen umher, um die Ankommenden zu informieren und ausreichend zu versorgen. Motiviert bereiten sie Lunchpakete vor und heißen die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft mit einem freundlichen Lächeln willkommen. Stolz berichtet Senida Alibegovic, dass bis dato 15.000 bis 16.000 Lunchpakete verteilt wurden. Selbst flüchtete sie im Alter von drei Jahren mit ihrer Familie aus Bosnien, heute ist sie bei der Hilfsorganisation Borderless tätig. Bemerkenswert an Borderless ist, dass unter den dreißig fixen Helfern einige ehemalige Flüchtlinge zu finden sind, etwa drei ehemalige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Syrien. „Man weiß selbst, wie es ist zu fliehen. Es ist unsere Aufgabe, den Flüchtlingen zu helfen. Unsere Aufgabe als Bürger. Unsere Aufgabe als Menschen“, sagt Alibegovic. Dabei spielt für sie und ihre Mithelfer auch das Wetter keine Rolle. Selbst bei Kälte und Nässe wird bei Bedarf mit angepackt. Dennoch begegneten einem Flüchtlinge bei der Ankunft manchmal mit Misstrauen, meint Alibegovic. Auf ihrer Flucht sind sie meist einem äußerst inhumanen Umgang ausgesetzt, daher fällt es ihnen schwer, fremden Helfern blind zu vertrauen. Sind die Helfer jedoch selbst Flüchtlinge aus den jeweiligen Ländern, schöpfen die Neuankömmlinge Hoffnung, dass auch sie bald ein neues Leben anfangen können.
Für ein schnelles und faires Asylverfahren
Ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen – das war auch die Intention der Flüchtlinge, die tagelang am Paulustor campierten und vergangenen Samstag (17.10.) einen friedlichen Marsch durch die Grazer Innenstadt organisierten. Am 24.10. wollen sie erneut am Jakominiplatz demonstrieren. Hauptthema der ersten Kundgebung waren die Familien der Asylsuchenden, die noch in der Heimat sind. Von arabischer Musik und einer Ansprache am Hauptplatz begleitet, taten sich rund 350 Menschen zusammen. Flüchtlinge wiesen mit Plakaten darauf hin, dass ihre Familien zuhause noch immer in Gefahr sind. Die Organisatoren der Demo setzen sich vor allem für ein schnelles und faires Asylverfahren ein. Sie wollen aber durch ihren Marsch auch den Grazern zeigen, dass sie gebildete Menschen sind, die in ihrer Heimat ein Leben hatten, das sie lediglich aufgrund des Krieges zurückließen.
Das Vorurteil, die Flüchtlinge seien nur hier um Sozialhilfen zu beantragen, ist laut Organisatoren der Demo für sie sehr schmerzvoll. In Wirklichkeit wollen sie sich nützlich machen, sobald sie eine Studien- und Arbeitserlaubnis erhalten. Indem sie beweisen, dass sie ihren Teil zur Gesellschaft beitragen wollen, hoffen sie, positive Stimmung gegen die Hetze erzeugen zu können.