Die Genehmigung des Kunst- und Gedenkprojektes Lauftext ist nach zweijährigem Bestehen abgelaufen. Grüne, der Verein für Gedenkkultur und das Institut für Kunst im öffentlichen Raum bemühen sich seither um eine Verlängerung. FPÖ-Stadtrat Eustacchio bleibt davon unbeeindruckt.
Unkenntliche Buchstaben, frischer Asphalt, irritierte Blicke auf den Boden. Viel ist vom einst gut lesbaren Schriftzug, der an die Gräueltaten der Reichspogromnacht erinnert, nicht mehr übrig. Der „Lauftext“ ist ein Ausschnitt des Erlebnisberichts des Rabbiners David Herzog. Er kämpfte in der Nacht des 9. Novembers 1938, wie viele andere Jüdinnen und Juden, um sein Leben. Herzog wurde aus seiner Wohnung in der Radetzkystraße vertrieben, schwer misshandelt und bis zum Griesplatz gejagt. Doch er schaffte es zu entkommen und schrieb das Erlebte nieder. 2013 wurde ein Auszug dieses Textes von der Künstlerin Catrin Bolt auf genau diesem Weg aufgetragen. Da es zuerst einige Einwände der Behörden gab, wurde, unter anderem, rutschfeste Farbe verwendet.
Schon im Vorfeld der Genehmigung wollte die Künstlerin das Projekt bis zum 80. Gedenkjahr 2018 bestehen lassen. Das war aber nicht möglich. „Eine Genehmigung, die über zwei Jahre hinausgeht, wird und wurde nie erreicht. Nur mit Verlängerungen kann man ein Projekt weiterführen, aber Verlängerungen werden nur selten bewilligt“, so Elisabeth Fiedler vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark. „Projekte, die sich nur über ein paar Tage erstrecken, sind leichter umzusetzen. Aber auch hier ist meist eine lange Vorlaufzeit einzuberechnen.“ Ein Ansuchen Bolts für die Erneuerung des Schriftzugs lehnte das Straßenamt im Juni dieses Jahres ab. Darüber informiert wurde sie aber erst in einer E-Mail Ende August. „In dieser Mail stand, dass sich Verlängerungen in letzter Zeit ‚eingebürgert‘ hätten“, erklärt die Künstlerin. Sie erinnert sich, dass die zuständigen Behörden – schon bevor das Projekt erstmals genehmigt wurde – argumentierten, der Schriftzug könnte Firmen dazu veranlassen, auf diese Art Werbung zu schalten. „Es hieß, die Stadt könnte sich dann nicht mehr dagegen wehren. Anscheinend gestaltet sich eine nichtkommerzielle Nutzung des öffentlichen Raumes als sehr schwierig.“
„Schriftzug steht niemandem im Weg“
Daniela Grabe, Grüne-Gemeinderätin und Obfrau des Verein für Gedenkkultur, fühlt sich an die Gedenktafeln von Jochen Gerz erinnert: „Es ist traurig, dass es in Graz so wenige Orte des Gedenkens an die NS-Zeit gibt, aber vor allem gibt es einen Mangel an Denkmälern, die an die Opfer des zweiten Weltkrieges erinnern. Nach der Demontage des Gerz-Projektes hätte man eine Ausnahme machen müssen.“ Grabe selbst hat das Gedenkprojekt Stolpersteine ins Leben gerufen. Anfang Oktober wurde von den Grünen ein Dringlicher Antrag für die Verlängerung des Lauftext-Mahnmals, unterstützt von den Gemeinderatsklubs der SPÖ, der KPÖ und der Piraten, an den verantwortlichen Verkehrsstadtrat Mario Eustacchio (FPÖ) gestellt. Auch der städtische Fachbeirat Kunst im öffentlichen Raum sprach sich für eine Weiterführung der Arbeit aus und die Finanzierung wäre seitens der Stadt und des Landes gesichert. Doch die Dringlichkeit des Antrags wurde mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ abgelehnt.
Kulturstadträtin Lisa Rücker (Grüne) meint, dadurch werde die Gedenkkultur in Graz gestört. „Man muss gegenwärtige Zugänge schaffen, um den Grazerinnen und Grazern ihre Geschichte näherzubringen. Das Projekt Lauftext hatte eine ganz neue Vorgehensweise, es erzählte den Weg am Weg.“ Bei der Durchsetzung fehle es auch an politischem Willen: „Gedenkprojekte an den Nationalsozialismus zählen nicht zu den Lieblingsthemen der FPÖ und auch die ÖVP schaut lieber nach vorne als in die Vergangenheit.“ Grundsätzlich gäbe es eine ständige Debatte um den öffentlichen Raum in Graz, kommerzielle Nutzung hätte oft Vorrang, da blieben „unangenehme“ Erinnerungsprojekte oft auf der Strecke. „Doch in diesem Fall kann nicht einmal mit Platzmangel argumentiert werden. Der Schriftzug steht niemandem im Weg“, sagt Rücker.
„Versucht mich mit Moralkeule zu zwingen“
Stadtrat Eustacchio will von inhaltlichen Beweggründen nichts wissen: „Man versucht, uns bewusst etwas zu unterstellen. NS-Zeit und FPÖ – da passt ja wieder alles zusammen. Das war bei Gerz damals auch schon so.“ Kunstprojekte im öffentlichen Raum würden grundsätzlich nur temporär bewilligt. „Wenn man eine Arbeit verlängert, wollen das auf einmal alle anderen Künstler auch. Und im 80. Gedenkjahr heißt es dann: Warum nicht gleich bis zum 90. oder 100.? Man versucht mich hier mit der Moralkeule zu zwingen und das lehne ich grundsätzlich ab.“ Er werde auch in Zukunft Kunstprojekte nicht verlängern, egal welchen Inhalts. Nur wenn alte Arbeiten weichen, könnten neue entstehen.
Auch wenn das Ende des Lauftext-Mahnmals somit beschlossen ist und der Schriftzug langsam verblasst, bleibt der Verein für Gedenkkultur mit viel positivem Rückenwind an der Thematik. „Bei einer Gemeinderatsitzung hat man mir seitens der ÖVP zugesichert, dass es im Gedenkjahr 2018 neue Projekte geben wird. Und ich werde meine Kolleginnen und Kollegen regelmäßig daran erinnern“, so Grabe.