Anfang November beendete die Flüchtlingshilfsaktion Borderless ihre Arbeit am Hauptbahnhof. Nach acht Wochen Akuthilfe konzentriert sich die Freiwilligeninitiative nun auf Spendenkonvois und Integrationsarbeit.
Zu Beginn organisierten die AktivistInnen von Borderless Spendenkonvois nach Nickelsdorf, Ungarn und Traiskirchen. Als nach und nach immer mehr Schutzsuchende am Bahnhof in Graz ankamen und dort ohne Erstversorgung ausharren mussten, wurde Borderless gegründet, eine Verbindung von Freiwilligen, welche die ankommenden Flüchtlinge mit Essen, Trinken und Kleidung versorgten. Auch DolmetscherInnen standen bereit, um den Flüchtlingen die Lage zu erklären.
Acht Wochen Akuthilfe
Die Aufgaben von Borderless waren hauptsächlich die Versorgung der Schutzsuchenden mit Nahrung und Trinkwasser sowie mit Hygieneartikeln. Da Borderless nicht offiziell als Verein angemeldet ist, kamen die Spenden dafür anfangs zum größten Teil aus dem Familien- und Bekanntenkreis der Freiwilligen, später aber auch von anderen Privaten. Zusätzlich wurde Borderless von weiteren Institutionen unterstützt, darunter auch Train of Hope Graz, die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ), das Islamische Kulturzentrum, die Junge Generation Steiermark und der Verein TAKVA.
Carola Ponjevic, Vorstandsmitglied der MJÖ, und selbst wochenlang im Einsatz am Bahnhof, erzählt von Privatpersonen, die teilweise sogar aus England finanzielle Unterstützung anboten. Auch die Mitglieder der MJÖ kauften Spenden mit ihrem eigenen Geld. „Für uns gehört die Flüchtlingshilfe zu den Grundwerten. Das ist nicht zu diskutieren“, so Ponjevic. Die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen funktionierte einwandfrei, sagt Ponjevic. Die MJÖ bereitete an vier Tagen in der Woche zwischen 500 und 1.000 Hilfspakete mit Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln vor, der Verein TAKVA übernahm an den anderen Tagen. Das Islamische Kulturzentrum stellte seine Räumlichkeiten als Lagerraum für Sachspenden zur Verfügung. Die Freiwilligen von Borderless kümmerten sich direkt am Bahnhof um die Ankommenden. Besonders von Vorteil war die unterschiedliche Herkunft der HelferInnen – sie konnten die Ankommenden daher in Arabisch, Farsi, Dari und natürlich Englisch begrüßen.
Durch den direkten Kontakt mit den Schutzsuchenden lernten die HelferInnen die Menschen, von denen man sonst nur in der Zeitung liest, persönlich kennen. Medina Catakovic, eine der Organisatorinnen von Borderless und selbst Mutter, erzählt von einem kleinen Mädchen mit stechend grünen Augen, das sie sofort ins Herz geschlossen hat. „Das könnte genauso mein Kind sein, oder deines!“. Genau dieser persönliche Kontakt war für viele Freiwillige schlussendlich jedoch mit Grund, die Arbeit am Bahnhof aufzugeben. „Neben Jobs, Studium und Privatleben ist diese Arbeit einfach nicht möglich“, erzählt Catakovic. Die Schicksale der Flüchtlinge, die harte Arbeit und der hohe Zeitaufwand ließen die Gruppe schließlich von mehr als 100 HelferInnen auf eine Kerngruppe von nur mehr 25 Personen schrumpfen, die sowohl körperlich als auch seelisch an ihre Grenzen stießen. Das Ziel von Borderless, ein Ansprechpartner für die Schutzsuchenden zu sein, war unter diesen Umständen langfristig nicht zu verwirklichen.
Obwohl es an Unterstützungserklärungen nicht mangelte. Auf Facebook bedanken sich nach wie vor Dutzende in Kommentaren für die Arbeit von Borderless. Auch die Grazer Vizebürgermeisterin Martina Schröck (SPÖ) stattete den HelferInnen einen Besuch ab und bedankte sich für deren großartige Leistungen. Außerdem gewann die Freiwilligeninitiative für ihre Arbeit am Bahnhof die Couragette, den von den Grünen ausgeschriebenen Preis für Zivilcourage.
Trotzdem schwingt bei all der Anerkennung auch Bitterkeit mit. So hofft Catakovic, die 8 Wochen lang beinahe täglich am Bahnhof mithalf, mit dem Beenden der Arbeit dort auch für die Politik ein Zeichen zu setzen, dass man sich gerade in einer Notsituation wie der aktuellen nicht nur auf Freiwillige verlassen kann. Borderless hätte sowohl finanzielle als auch personelle Hilfe benötigt, um die Arbeit fortzusetzen, sagt sie.
Wie geht es nun weiter?
Nachdem die Flüchtlingshilfe am Bahnhof keine Option mehr ist, sucht jede Initiative nach neuen Aktivitäten. Ob sich dabei wieder eine Zusammenarbeit ergibt, wird nicht ausgeschlossen.
Borderless will weiterhin aktiv in der Flüchtlingshilfe tätig sein, vorrangig bei der Organisation von Spendenkonvois. Ein solcher wurde bereits gemeinsam mit Graz:Spendenkonvoi durchgeführt. Ziel war Dobova an der slowenisch-kroatischen Grenze. Dort unterstützten sie wiederum die freiwilligen HelferInnen am Bahnhof mit mitgebrachten Spenden. Auch das Transitlager im Schwarzl Freizeitzentrum wurde bereits mit Waschmittelspenden unterstützt.
Des Weiteren hat Borderless es sich zum Ziel gemacht, bedürftigen Flüchtlingsfamilien, die bereits in Graz leben, Starthilfe zu geben. Sie versorgen sie hauptsächlich mit Grundnahrungsmitteln, aber auch Socken und Schuhe werden gekauft. Jede Aktion, die Borderless durchführt, wird auf Facebook gepostet. An den Kommentaren leicht ersichtlich: Die Arbeit der HelferInnen wird geschätzt.
Die Muslimische Jugend Österreich plant derzeit ein Projekt, um Asylsuchenden langfristig zu helfen. Dadurch will die MJÖ vor allem jugendlichen Flüchtlingen Perspektiven ermöglichen. Wie genau dieses Projekt aussehen wird, wird die Organisation in nächster Zeit bekanntgeben.
Die OrganisatorInnen der Plattform Train of Hope legen ebenfalls verstärkt ihren Fokus auf weiterführende Integration. Die AsylwerberInnen sollen die österreichische Kultur und ihre Traditionen kennenlernen und auch in diese miteinbezogen werden. So wurden beispielsweise gemeinsame Fußballspiele, Feuerwehrfeste und Aktionen wie „Maibaum-Stehlen“ organisiert.
[…] Ende der Akuthilfe: Annenpost vom 1.12. 2015 […]