So wie in normalen Gärten Pflanzen wachsen, gedeiht im Kleidergarten der Wert der Nachhaltigkeit im Vintagestil. Ein unscheinbarer Ort mit einem außergewöhnlichen Geschäftskonzept.
In Geschäften wird verkauft, damit Geld verdient wird. Möchte man meinen. Und trotzdem hat sich im Jahr 2008 – zunächst noch in der Sporgasse und seit 2015 in der Defreggergasse – ein Geschäft etabliert, dessen Ziel es keineswegs ist, Gewinn zu machen: der Kleidergarten. Streng genommen ist der Kleidergarten auch gar kein Geschäft, sondern ein Projekt, das dem Verein ECC (European Culture Club) entsprungen ist. Ziel ist es, Kreativität, Stil und vor allem die nachhaltige Verwendung von Kleidung zu fördern. Werte, die sich auch eine ganze Reihe weiterer Initiativen und Projekte im Annenviertel ins Geschäftskonzept geschrieben haben.
Mitten in der Defreggergasse versteckt sich das 15 Quadratmeter kleine Geschäft. Nach freundlichem Empfang und Smalltalk werden der Kundschaft Kuchen und frischgepresster Apfelsaft angeboten. Begleitet von sanfter Musik lässt es sich durch die Regale und Kleiderstangen stöbern, auf denen Kleider, Taschen und Accessoires farblich sortiert ausgestellt sind. Die zum Verkauf stehenden Produkte stammen aus längst vergangenen Zeiten und weisen dennoch kaum Gebrauchsspuren auf. Antonia Schneeweiß arbeitet regelmäßig im Kleidergarten und legt viel Wert darauf, gepflegte und eher ausgefallene Kleidungsstücke ins Sortiment aufzunehmen. Die Waren stammen von KundInnen, die ihre alten Sachen ins Geschäft bringen und einen bestimmten Betrag für sie fordern. Die Produkte werden dann genau um diesen Betrag weiterverkauft – somit macht der Kleidergarten selbst keinen Gewinn.
Tauschen, reparieren, neu interpretieren und wiederverwenden – dazu soll das Projekt die GrazerInnen animieren. Anstatt die Kleidung wegzuwerfen, wenn sie erste Makel aufweist oder sobald sie aus der Mode ist, soll man umweltfreundlich handeln und den kreativen Austausch fördern. Weil der Kleidergarten dem Prinzip „Qualität vor Quantität“ folgt, werden Begeisterte der Second-Sale-Kultur in der Regel schnell fündig. „Wir verkaufen viele Stücke, die Geschichten erzählen“, betont Schneeweiß, während sie stolz eine braune Ledertasche präsentiert. Diese habe dem Großvater einer Kundin gehört, der Bankier war. Daher hat die Tasche einige Geheimfächer für Bargeld. Auch Sammlerstücke aus der Parfümerie sind im Kleidergarten zu sehen – wie der Metallica-Duft von Guerlain, der als begehrte Rarität gilt. Produkte wie diese stehen jedoch nicht zum Verkauf, da sie als Ausstellungsobjekte in Verwendung sind. Fast alles andere ist zu Preisen von einem bis 30 Euro zu erwerben. Eine der wenigen Ausnahmen stellt ein Ledermantel dar, der 40€ kostet.
Liebe zur Mode als Treibstoff
Gemeinsam mit Claudia Schmidt, die das Projekt leitet, hegen und pflegen etwa zehn weitere ModeliebhaberInnen den Kleidergarten . „Wir haben versucht, den Kleidergarten laufen zu lassen und dabei auf starre hierarchische Strukturen zu verzichten“, sagt Schmidt. So soll das Gewerbe aus Liebe zur Mode und Lust an eigenverantwortlichem Tun laufen.
Im Schnitt hat der Kleidergarten drei Stunden in der Woche offen, entweder freitags oder samstags. Auf Facebook wird jede Woche eine Veranstaltung erstellt, um KundInnen über die Öffnungszeiten zu informieren. Die Kundschaft hält sich jedoch in Grenzen: Meist sind es dieselben StammkundInnen, die das Projekt aufrechterhalten. Dabei gibt es gar keine bestimmte Zielgruppe, die der Laden anspricht. Früher haben die KleidergärtnerInnen selbst dem Gewand vor Ort neues Leben eingehaucht. Heute werden den SchülerInnen der Ortwein Modeschule die Waren unentgeltlich zur Verfügung gestellt, damit sie mit ihnen experimentieren können. Da einige Stammkundinnen regelmäßig Kleidungsstücke spenden, macht das Geschäft durch die kostenlose Weitergabe an die Modeschule keinen Verlust – aber auch keinen Gewinn.
Ein paar Mal jährlich lädt der Kleidergarten zu größeren Veranstaltungen ein. Dazu gehören der frühsommerliche Heaven for Vintage Lovers, wo ausschließlich Kleidungsstücke aus vergangenen Dekaden verkauft und getauscht werden und der vorweihnachtliche Charity-Garten, dessen Einnahmen an die evangelische Gemeinde in Punjab, Indien, gespendet werden.
„Ich habe eine gewisse Affinität zur Mode, die ich hier, im Kleidergarten, gut ausleben kann“, betont Schneeweiß mit einem Lächeln im Gesicht.