Auf der Urban Future Conference in Graz diskutierten diesmal nicht nur BürgermeisterInnen und IT-ExpertInnen über die Stadt der Zukunft, sondern erstmals auch lokale StadtmacherInnen. Auch klein kann schlau sein!
Jede Woche eine Kiste mit frischem und regionalem Obst und Gemüse. Lokal angebaut und von Menschen produziert und geerntet, die man persönlich kennt. Was nach Leben auf dem Land klingt, ist inzwischen auch in Graz möglich. Die „Kleine Farm“ in Flamberg hat´s vorgemacht. Jetzt folgen nach und nach weitere Projekte, wie zum Beispiel das „Paradieschen“, eine „gemeinschaftsgetragene“ Landwirtschaft in Hatzendorf, die auf der Solidarität zwischen Bauer und Abnehmer aufgebaut ist. Kristel Junesch als Initiatorin des Projekts ist mit den 25 TeilnehmerInnen mehr als zufrieden, die sie heuer ab Mai, im ersten Jahr der Initiative, beliefern wird. “Der Maßstab soll menschlich und familiär bleiben, das entspricht uns“, sagte Junesch, Architektin und Hobbygärtnerin mit großen Visionen, bei einer Diskussion über smarte Ressourcennutzung, die das Stadtlabor Graz am Rande der UFC organisiert hatte.
Zum ersten Mal nahmen heuer – neben 180 CEOs, BürgermeisterInnen und ExpertInnen aus aller Welt – auch „StadtmacherInnen“ aus Österreich an der zweitägigen Konferenz Anfang März in der Stadthalle teil. Denn „StadtmacherInnen“ sind wir schließlich alle. Und was wäre eine „smarte Stadt“ ohne schlaue BürgerInnen? Beide wird es brauchen, um den enormen Wandel, dem Städte derzeit weltweit unterliegen, zu gestalten. Immer mehr Menschen drängen in die Innenstädte, der Platz wird knapper, Mobilität, Energieversorgung, Ressoucennutzung und Kommunikation müssen ganz neu gedacht werden.
Ist Ressourcennutzung im 21. Jahrhundert smart?
Wie das gehen könnte und welche Ansätze es dazu bereits in Graz und anderen österreichischen Städten gibt, versuchte das Stadtlabor – im Auftrag des Klimafonds und des BMVIT – am Rande der „großen“ Diskussionen und Vorträge der UFC sichtbar zu machen. Mit Exkursionen in „smarte“ Stadtentwicklungsgebiete wie Reininghaus oder Waagner-Biro oder in das „naturschlaue“ Annenviertel, mit einem Open Space, zwei Diskussionen und einer Leistungsschau lokaler Inititativen zum Thema „lebenswerte Stadt“ in einem etwas im Off gelegenen Foyer der Stadthalle. Die Annenpost betrieb dort eine „Urban Journalism Lounge“, der Lendwirbel teilte seine Erfahrungen mit Zwischennutzungen im Lendhaus. Und mit dem Lastenrad, dem Repair Café oder dem Projekt Re-Use von BAN waren weitere Initiativen hautnah zu erleben, die urbane Mobilität und Ressourcennutzung heute schon anders denken. Oder eben das „Paradieschen“ auch. In heimeliger Wohnzimmeratmosphäre diskutierte Junesch am ersten Konferenztag mit VertreterInnen weiterer Initiativen darüber, inwiefern sich Ressourcennutzung im 21. Jahrhundert smarter gestalten ließe. Mit Gabriella Fassold zum Beispiel, die im Vorjahr den Allerleihladen mitbegründete, der den Ressourcenverbrauch durch Wiederverwendung und sorgsamen Umgang reduzieren möchte. Oder mit Gregor Scheipl von JOANNEUM RESEARCH, der erklärte, wie intelligente Sensoren den städtischen Alltag informieren und effektiver gestalten könnten. Oder mit Architekt Andreas Goritschnig, der sich mit seiner Studio AG dem Design von Transformationsprozesse verschrieben hat und von seinem jüngsten Projekt in Graz Reininghaus berichtete, wo er im Rahmen eines „open.lab“ spielerische Formen der „urban bricolage“ erprobt. So sammelt er alte Baumaterialien, die im Zuge der Umgestaltung abfallen, um dereinst damit Neues zu schaffen.
Es muss eben nicht gleich die „große“ Vision für die Zukunft sein, die nicht selten die Diskussionen auf der UFC bestimmte. Was das „Paradieschen“ plant, ist jetzt schon umsetzbar: Eine Landwirtschaft, die auf der Solidarität zwischen Bauer und Abnehmer aufgebaut ist, das ist die Vision von Kristel Junesch und ihres Lebensgefährten. Inzwischen haben sie 25 AbnehmerInnen für ihr regionales und saisonales Obst und Gemüse gefunden und somit ihr Ziel erreicht. Ein bisschen Wachstum ginge sich noch aus, meint Kristel Junesch. Das Konzept sieht vor, dass die AbnehmerInnen ihren Verbrauch vor dem Anbau bezahlen, somit nichts verschwendet wird und das Saatgut gekauft werden kann. Es entsteht kein Überschuss und die KundInnen wissen, dass das Obst und Gemüse speziell für sie angebaut wurde. Mit „small is beautiful“ als Grundsatz lebt es sich auf diese Art und Weise nachhaltig und smart.
Borgen und borgen lassen
„Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit ist vor allem im städtischen Raum eigentlich gerade eh recht hip. Es ist schon sexy, sich damit zu befassen“, weiß Gabrielle Fassold, eine der vier GründerInnen des AllerLEIHladens. Oft werden Dinge, die noch einwandfrei funktionieren, weggeworfen, weil sie nicht mehr so schön sind oder einfach durch ein neueres Modell ersetzt werden. Dieser Art der Verschwendung wirkt der im Büro der Nachbarschaften eingerichtete AllerLEIHladen am Andrä-Platz entgegen. Das Konzept: Dinge, die man nur einmal oder selten braucht, nicht kaufen und dann wieder entsorgen, sondern ausborgen. Oder Dinge, die man selbst nicht mehr braucht, herborgen. Gabrielle Fassold sieht jeden Tag, dass es gar nicht am Bewusstsein der Menschen, sondern an der Zugänglichkeit der Lösungen scheitert. „Ich höre ganz oft, dass Leute durchaus den Wunsch haben, ihren Lebensstil nachhaltiger zu gestalten, aber dass auch ganz schnell Hürden und Barrieren da sind.“ Sie würde an der Niederschwelligkeit der Zugänge ansetzen: „Wie geht’s denn nun leicht?“