Gestrandet an der Mur

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Was der Lendwirbel von Beginn an war, ist dieses Jahr offiziell Thema. Denn heuer wirbeln wir zum Motto „EIN SPIELFELD“. Ein Kunstprojekt setzt das besonders markant in die Tat um.

"EIN SPIELFELD"
© Lendwirbel

Heute wird der Lendwirbel mit dem großen Annenstraß’n Flohmarkt und dem Schlagergarten Gloria im Volksgarten eingeläutet. Am 2. Mai startet dann offiziell das vielseitige „Programm“ – Anführungszeichen deshalb, weil es eigentlich keinen fixen Plan gibt. Im Grunde kann jede und jeder mitmachen und mitwirbeln. „Wir laden die Leute, die dort wohnen oder künstlerisch tätig sind, ein, sich was einfallen zu lassen. Deshalb kann man das Programm im Vorhinein so schwierig fassen“, erklärt das Organisationsteam. „Es ist Straßenklamauk, gemütliches Beisammensitzen und Musik hören – alles wirkt nicht normal, brav und bieder wie sonst in Graz.“

Die Stars des Lendwirbels sind die Atmosphäre und der positive Ausnahmezustand. Es geht, wie auch schon die vergangenen Jahre, nicht um ein Projekt oder eine Band, sondern um die allgemeine Stimmung. Dabei kommt es natürlich auch darauf an, ob sich das Publikum vom Flair mitreißen lässt.

Ein Spielfeld
Viele der angemeldeten Projekte beziehen sich klarerweise auf das diesjährige vorgegebene Thema „EIN SPIELFELD“. Eines ist an dem Motto besonders interessant – es lässt viel Interpretationsspielraum. „Der Begriff Spielfeld ist eigentlich positiv behaftet und passt zum Lendwirbel, denn er ist an sich ein großes Spielfeld“, erklären die OrganisatorInnen die Wahl des Mottos. Der öffentliche Raum im ganzen Annenviertel kann und darf als Spielfeld bespielt werden.

Lendenwirbel 2015
Auch 2015 wurde der Lendwirbel als Spielfeld genutzt. © Lendwirbel

Seit Herbst 2015 hat „Spielfeld“ zusätzlich eine ganz andere Bedeutung. Der größte Grenzübergang zwischen Slowenien und Österreich steht symbolisch für alle Grenzorte, an denen Flüchtlinge erstmals bei uns ankommen.

„EIN SPIELFELD“ im ernsten Sinn, wird vor allem bei Kunstprojekten zum Vorschein kommen. KünstlerInnen setzen sich mit den verschiedensten Themen wie Flucht, Grenze oder auch Zäunen auseinander. Hierzu gibt es konkrete Projekte, aber auch das Publikum ist dazu aufgefordert, darüber nachzudenken und zu diskutieren. „Wir haben wie jedes Jahr ein Motto gesucht und gefunden, das möglicherweise ironisch ist, aber auch mit dem spielt, was wir thematisch vorhaben“, meinen die OrganisatorInnen. Aber egal, ob man sich auf die eine oder andere Assoziation bezieht, beide seien gewollt und auch beide würden ersichtlich sein. Das Thema soll inspirieren, positiv stimmen und vor allem gesellschaftsrelevant sein.

„Wir bringen das Thema hierher ans Wasser“
Besonders Konzeptkünstlerin Gudrun Kosmajer und Choreograph Altin Huta nehmen das Thema Flucht in ihrer kontroversen Installation auf. Die Künstlerin und der Künstler bringen jene Geflohenen, die in der Realität möglicherweise keine Sicherheit in Österreich gefunden haben, jetzt symbolisch hierher ins Annenviertel. Originalgegenstände aus Lesbos, Idomeni, Lampedusa und Calais – egal ob Kleidungsstücke, einzelne Schuhe, zerfetzte Bootteile oder Schwimmwesten – fanden durch das Künstlerduo ihren Weg zu uns. Sie bringen diese in eine künstlerische Form, in der sie im öffentlichen Raum, gerade in Österreich mit der derzeitigen Situation, zum Diskurs gestellt wird.

Niemand weiß, wem diese Schuhe gehörten - ob er oder sie noch lebt oder nicht. © Clemens Istel
Niemand weiß, wem diese Schuhe gehören – ob er oder sie in Sicherheit ist? © Clemens Istel

Zu sehen ist das Projekt schon seit gestern direkt an der Mur – der Böschung zwischen Erzherzog-Johann-Brücke und Mursteg, neben dem Kunsthaus. „Was installiert ist, hängt sehr stark von den vorhandenen Verhältnissen ab – wie es auch den Flüchtlingen geht“, so Kosmajer, die zum ersten Mal ein Projekt am Lendwirbel ausstellt.

Worum es dem Künstlerkollektiv vor allem geht, ist einerseits die Thematik „Spielfeld“ wieder in die Öffentlichkeit zu bringen, aber auch die Gesamtproblematik der 60 Millionen Schutzsuchenden weltweit. Denn seitdem Österreich die Grenzen geschlossen hat, sei dies nicht mehr der Fall. „Wir haben uns mit Spielfeld und der Durchreise befasst. Jetzt ist es so, als wäre nie etwas passiert. Es ist alles so weit weg, es berührt uns nicht mehr“, stellt die Künstlerin fest. „Wir machen etwas wieder zum Thema, das sich einfach nur verlagert und nicht gelöst hat, und bringen es hierher ans Wasser.“

Spielfeld gesellschaftsfähig machen
Für Kosmajer ist das Wesentlichste, dass der Lendwirbel ein politisches Thema aufgegriffen habe und in einer Art und Weise damit umgehe und assoziativ arbeite, dass es gesellschaftsfähig werde. Wichtig ist aber, dass der Lendwirbel keine Benefizveranstaltung für Flüchtlinge ist. „Alle sind eingeladen mitzuwirbeln, denn das ist Lendwirbel-Style“, erklären die OrganisatorInnen. Auch so kann Gesellschaft sein: ÖsterreicherInnen und Flüchtlinge feiern ein gemeinsames Straßenfest in Graz.

Trägt das Herz auf der Zunge, Reden ist eine ihrer größten Leidenschaften. Die Exilkärntnerin verliebt sich jeden Tag aufs Neue in ihre aktuelle Heimatstadt. Von der Wanderlust getrieben, findet man die Perfektionistin jedoch regelmäßig auf "ihren" Kärntner Bergen und allen interessanten Orten dieser Welt.

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