Der Lendwirbel sieht sich im Kreuzfeuer akuter Kritik. Nebenbei müssen die banalen Probleme des Wirbelalltags geklärt werden – den Organisatoren reicht´s. Gründe für das drohende Ende des Lendwirbels.
Die Auslage der Scherbe ist zur Bühne geworden, das Fenster ist weit geöffnet, an der Schwelle zum Lokal singt eine junge Frau. Die Menschen, die sich um die Quelle der Musik geschart haben, reden und lachen. Mittlerweile ist es finster geworden und ein kühler Wind zieht auf. Dieser Lendwirbel war wechselhaft – zumindest sein Wetter. Man bräunt sich in der Sonne, man wringt die Haare aus vom Regen. Häufig bläst dem Lendwirbel ein kalter Wind entgegen. Das Straßenfest hat mit Problemen verschiedenster Art zu kämpfen, nun scheint das Fass übergelaufen, dieser Lendwirbel soll der vorletzte gewesen sein.
Die Probleme kamen als kleine Tropfen oder große Hagelkörner daher. Jedes für sich ist ein Punkt, warum das Organisationsteam zu dem Schritt gelangt ist, das Ende des Lendwirbels auszurufen. NachfolgerInnen sind allerdings herzlich willkommen, man müsse sich dabei jedoch klar sein, dass der Wirbel kaum mit einem Vollzeitjob vereinbar ist. „Wir wollen einfach noch unser 10-Jahre-Jubiläum feiern“, so Andreas Flach, Obmann des Vereins Lendwirbel. Immer wieder heißt es, man schreckt vor einer Institutionalisierung zurück. „Wir wollen kein steirischer Herbst werden“, meint Flach und stellt in den Vordergrund, worum es am Lendwirbel eigentlich geht. Man bietet eine Bühne und fordert Eigenverantwortung ein. Und dies ist einer der Tropfen, der das Fass füllt.
Vom Großen ins Kleine
Immer wieder muss der Lendwirbel mit Kritik umgehen. Gentrifizierung ist ein heikles Thema, bei dem die Gemüter hochkochen. Noch während des Wirbels besetzten GentrifizierungsgegnerInnen ein Haus in der Waagner-Biro-Straße – ein Spruchband wehte vom Dach des Hauses herab. Von Seiten des Lendwirbels hat man versucht, angemessen darauf zu reagieren. Die OrganisatorInnen haben die Gruppe eingeladen, an einer Diskussion rund um das Thema Tactical Urbanism teilzunehmen, ein Dialog sollte entstehen. Nicht nur mit den HausbesetzerInnen, sondern auch online mit allen Lendwirbel-Interessierten. Hierzu hat man einen Artikel zum Thema Gentrifizierung gepostet. Auf Probleme und Kritik dieser Art will das Team allerdings nicht überstürzt reagieren. Bereits im Vorfeld machte eine Werbung des Lokals Bierboutique Ärger, von der die VeranstalterInnen zuvor nichts wussten. Zwei Bierdosen und ein Buch rund um das Rotlichtmilieu sollten gemeinsam verkauft werden, dass ein Fest wie der Lendwirbel eine solche Aktion augenscheinlich unterstützt, löste einen Aufschrei aus. Auch das Werbesujet mit einer Comic-Prostituierten an der Stange wurde als sexistisch empfunden. Im Netz hagelte es negative Kommentare. Die OrganisatorInnen wollten nicht voreilig reagieren, erst einmal recherchieren und die Details abklären. Die Kritik hatte sich jedoch blitzschnell hochgeschaukelt, am Ende hielt man Abstand davon, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, erklären die Wirbel-Beauftragten. Franz Lammer sieht „Prostitution“ als Thema am kommenden Lendwirbel 2017. Die Jubiläumsausgabe und das voraussichtliche Finale könnten etwas anders daherkommen, als die bisherigen Feste – alles ist offen. Bei alledem gibt es aber auch sehr existentielle Problemfaktoren, die zu beachten sind.
Alles für die Mülltonne
Eine Dose rollt über die Straße, ein ganzer Haufen liegt neben den überfüllten Mülltonnen. So sah das Bild in den letzten Jahren aus. Für das diesjährige Fest hat man eine Kooperation mit der Holding Graz angefragt – und ist auf reges Interesse gestoßen. Gemeinsam soll auf das Problem Müllentsorgung aufmerksam gemacht werden. Die Holding finanziert dabei einen Teil der zusätzlichen Mülltonnen am Wirbel. Nachdem das Müllproblem überhandgenommen hatte, musste gehandelt werden. Das Lenwirbelteam errichtete zwei Trennsammelstellen und auf das aufgestockte Kontingent an Tonnen wird mit auffälligen Tafeln und Sprüchen hingewiesen. Man habe sie zudem bewusst im Weg platziert, sodass ich fast darüber stolpere und keine Tonne übersehe, so Franz Lammer vom Organisationsteam des Lendwirbels.
Bilanz ziehen – alles eine Frage des Geldes
Ebenfalls häufig ein kritischer Punkt, ist die Frage nach dem Geld. Jetzt, nachdem der Wirbel über die Bühne gegangen ist, soll Bilanz gezogen werden und die Finanzen offen sichtbar sein. Man legt Wert auf Transparenz, so die OrganisatorInnen. Häufig werde die Frage gestellt, wofür der Lendwirbel eigentlich sein Geld ausgebe. KritikerInnen ist es ein Dorn im Auge, dass das Straßenfest von der Stadt gefördert wird. Zahlreiche Kostenpunkte würden allerdings unterschätzt: 20 000 Euro geben die VeranstalterInnen allein für anfallende Gebühren wie Müll, Polizei und so weiter aus. Beim technischen Support sind sie mit 13 000 Euro dabei, würde man den AkteurInnen ein Honorar von lediglich 50 Euro auszahlen, wären weitere 18 000 Euro nötig. Diese seien allerdings gerne dazu bereit, unentgeltlich auf dem Fest zu spielen, so Lammer. Um mit den finanziellen Kapazitäten haushalten zu können, ist es von unschätzbarem Wert, dass das Team bei vielen HerstellerInnen halbe Preise bekommt.
Hat es sich endgültig ausgewirbelt?
Es sind viele kleine Dinge und einige größere, die die VeranstalterInnen dazu veranlasst haben, das nahende Ende auszurufen. Auf dem Kernteam lastet viel Verantwortung. „Jeder Konsument soll auch gleichzeitig Produzent sein“, meint Andreas Flach. Ein Konzept, bei dem jeder und jede etwas zum großen Ganzen beiträgt, birgt jedoch seine Tücken. Den AkteurInnen werden Möglichkeiten der freien Entfaltung und eine Bühne geboten, die Eigenverantwortung, die im Gegenzug eingefordert wird, sei nicht immer vorhanden. Vieles, das eigentlich abseits ihres Aufgabenbereichs angesiedelt ist, bliebe an den OrganisatorInnen hängen. Man ist frustriert und möchte als Fest und offene Bühne nicht als selbstverständlich erachtet werden. Würde man im Gemeinderat beschließen, dass der Lendwirbel gebraucht und gewünscht ist, sähe die Sache womöglich anders aus, kommt es aus dem Organisationsteam. Ein Wirbel im Auftrag der Stadt wäre eine völlig neue Ausgangslage, ist jedoch de facto nicht der Fall. Und so möchte das Kernteam nach zehn Jahren Wirbel mit dem Projekt abschließen. „Es gibt nicht Den Lendwirbel, deshalb kann man Den Lendwirbel auch nicht absagen“, so Lammer, „Aber behaupten kann man es ja mal.“