Die Annenstraße ist für ihre Vielfalt bekannt. Neben Gewürzläden und Modegeschäften gibt es daher auch Sexshops. Welchen Einfluss haben solche Einkaufsmöglichkeiten auf die Gesellschaft?
Bilder von halbnackten Frauen und Männern, Fahnen aus diversen Nationen. Das von außen mit Postern verklebte Geschäft in der Quergasse 1. An der Ladentheke ein alter Mann mit ergrautem Haar, der mit dem Verkäufer diskutiert. Wie viel soll der Pornofilm kosten? Die Eingangstür öffnet sich, es klingelt. Alle Blicke zur Tür. Ein weiterer alter Mann humpelt mit den Worten „Ich zahle später“ herein. Dann verschwindet er im zum Shop gehörigen Kino mit den etwas anderen Filmen. Denn das Kino ist für diejenigen gedacht, die den teuren Film nicht sofort wie die Katze im Sack kaufen möchten.
In der namensgleichen Quergasse zur Annenstraße versteckt sich eine vielen von uns fremde, kleine Welt, die maßgeblich dem Sinn und Zweck der Luststeigerung, Penetration und Ergötzung innewohnt. Die Rede ist vom Laden namens Sexworld. In der Ecke rechts hinten sind die Sexpuppen gelagert. Direkt gegenüber ein Bücherregal. Überall lächeln hübsche, junge Männermodels von den Portraits an der Wand. Der Verkäufer, Wolfgang Kogl, hat sie selbst fotografiert und ist stolz auf seine Poster.
Das Klischee um den Porno
Die zum Shop gehörige Homepage lässt aufgrund der Fotos und des Titels „Gayshop“ den Eindruck erwecken, als wäre das Geschäft nur für homosexuelle Männer gedacht. Doch dem ist nicht so. Jede sexuelle Orientierung wird toleriert, weshalb dementsprechend die unterschiedlichsten Waren zur Verfügung stehen. Laut dem Verkäufer werden die Sexpuppen besonders gerne als Gag für Polternächte und Geburtstage gekauft. Ob diese Anlässe nur ein Vorwand für geheime Experimente sind, weiß natürlich niemand. Auch der aufzukurbelnde Weihnachtsmann, dessen erregter Zustand beim Kurbeln immer deutlicher sichtbar wird, dient als Scherzartikel. Allerdings gibt es neben Spielzeugen auch Bücher und Filme zu erwerben, die laut Kogl eher in der ästhetisch-erotischen, als in der pornographischen Gattung einzuordnen sind.
Obwohl die Umsätze im vergangenen Jahrzehnt um etwa 70% zurückgegangen sind, läuft der Shop immer noch gut. Das Geschäft stützt sich mittlerweile, wie Kogl erklärt, auf drei Säulen: Online-Shop, Laden und Kino. Insbesondere am Vormittag wird dabei das Klischee der Kundschaft erfüllt, denn es sind vorwiegend in die Jahre gekommene Männer, die das Kino aufsuchen. Kogl ist es ein Anliegen, die Anonymität der Kundschaft zu wahren. Es kämen oft beispielsweise Familienväter vorbei, die sich die Filme zu Hause zum Schutz ihrer Kinder nicht ansehen können oder wollen.
Von Zirkus und Conchita Wurst
Im Rahmen des Lendwirbels 2016 fand Ende April der „große, große Annenstraß’nflohmarkt“ in der – oh Wunder – Annenstraße statt. Ebendiese Straße wird von einigen EinwohnerInnen des Annenviertels liebevoll als „die freundlichste Einkaufsstraße“ in Graz bezeichnet. Kogl selbst sei es nach eigenen Angaben ein Anliegen, die Annenstraße wieder zu beleben. Im Zuge des Flohmarktes dekorierte er den Gehweg vor dem Geschäft mit Regenbogenfahnen, um der Freundlichkeit und Offenheit des Viertels noch mehr Ausdruck zu verleihen. Bei älteren Generationen fand die bunte Aufmachung allerdings eher wenig Anklang. Kogl zitiert eine empörte Dame mit den Worten:
„Das sieht ja aus wie in einem Zirkus!“
Nach wie vor wird das Geschäft von außen mit Fahnen diverser Nationen geschmückt.
Aus welchen Gründen alte Menschen weniger offen sind als junge, bleibt ungeklärt. Der Verkäufer ist sich sicher:
„Das Unbekannte ist das, was den Leuten Angst macht.“
Deshalb sei gute Bildung umso wichtiger. „Ich denke, je gebildeter die Menschen sind, desto offener sind sie auch“, so Kogl, der sogar einen akademischen Abschluss hat. Conchita Wurst habe mit ihrer künstlerischen Erscheinung einen wertvollen Diskurs zur Offenheit ausgelöst. Bei ihren Auftritten waren auch Kinder zu beobachten, die sich einen Bart aufmalten und klassischen Geschlechterbildern damit trotzten.
Was trotz allem jedenfalls auffällt, ist die zunehmende Toleranz in unserer Gesellschaft. Wolfgang Kogl meint dazu, dass man nicht alles auf die Sexualität heruntersetzen dürfe. Jeder und jede wird in seinem Geschäft mit sprichwörtlich offenen Armen empfangen.