Wie „grün“ oder „fair“ sind unsere Frühstücksflocken? Existieren überhaupt noch Nahrungsmittel ohne Palmöl? Beim Launch der Map-Your-Meal-App im Spektral gab es Antworten.
In freundschaftlicher Atmosphäre lud die NRO Südwind zum gemeinsamen Foodspektakel ins Spektral. Wie auf ihrer Homepage ersichtlich, setzt sich die Nichtregierungsorganisation Südwind seit über 35 Jahren für Nachhaltigkeit, Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen ein. Unter anderem unterstützt sie Aktionen wie System Change, not Climate Change und die jüngste Großdemo gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Im Spektral drehte sich alles um den Blick hinter die Kulissen der Lebensmittelindustrie. Verschiedenste Stationen und Projekte rund um das Thema „Greenness“ und „Fairness“ von Lebensmitteln warteten auf die vielen neugierigen BesucherInnen.
Mit vom Parks Graz gesponserten Snacks gestärkt, wagten sich gleich zu Beginn die ersten Mutigen auf das Smoothierad. Dabei handelt es sich um ein umgebautes Fahrrad, das im Stand einen Mixer antreibt. Die Zutaten hat man ebenso im Griff, wie das Mixen selbst. Eigens fabriziert schmecken die kleinen Vitaminbomben natürlich besonders köstlich.
Die Hauptattraktion war aber ganz klar der Europastart der Map-Your-Meal-App. Mit ihr können VerbraucherInnen nun herausfinden, was der wahre Preis für die beliebtesten Nahrungsmittel ist. Gemeinsam mit den NGOs C.E.G.A. (Bulgarien), Fair Trade Hellas (Griechenland), CDEC (UK), Future Worlds Center (Zypern), sowie Partnern aus zwei afrikanischen Ländern, hat Südwind den neuen Einkaufshelfer seit 2015 entwickelt. Teclaire Ngo Tam von Südwind erinnert sich an die ersten Überlegungen: „Was wird überhaupt gegessen?“ Die App decke in erster Linie die Bedürfnisse junger Leute ab. „Bekannte Marken und bekannte Produkte“ stünden im anfänglichen Fokus. Zum Probieren liegen deshalb Produkte von Marken am Infopoint auf, die wohl die meisten von uns schon einmal gesehen haben. Leibniz Butterkekse, Duplo, Crunchips, oder Studentenfutter von Spars Eigenmarke S-Budget. Bisher wurden ein paar hundert Artikel in der Datenbank erfasst. Viele weitere sollen folgen. Bis 2018 solle das Projekt laut Südwind weiterentwickelt werden. Geplant sei auch, dass künftig VerbraucherInnen selbst etwas zur Datenbank beitragen können. Finanziert wird das Projekt dabei zum Teil von der Europäischen Union, zum Teil von Seiten der NROs.
Die Installation über den jeweiligen Appstore erfolgt sowohl mit IOS als auch Android problem- und kostenlos. Sobald das Programm installiert ist, funktioniert es wie eine Supermarktkassa. Das Interface erinnert dabei an die Scanner für QR Codes, wie sie etwa bei der Webversion von Whatsapp verwendet werden. Einfach den Barcode des Produktes vor die Kamera des Handys halten und schon ertönt ein Piepton. Zugegeben, das Scannen funktioniert nicht immer auf Anhieb. Aber welches Programm kommt heute schon ohne Kinderkrankheiten auf den Markt? Alternativ lässt sich der Code auch manuell eintippen. Daraufhin schnellen auf dem Display zwei Balken in die Höhe. Sie zeigen an, wie fair und „green“ das Produkt ist. Durch Antippen eines der Balken öffnet sich die Detailansicht. Lisa Weichsler von Südwind erläuterte der Annenpost die einzelnen Faktoren hinter dem Ranking, nachdem sie noch schnell zwei Drinks am Smoothierad erstrampelt hatte.
Die Fairness
„Wir haben uns gefragt, was eigentlich fair bedeutet“, erklärte Lisa den Ausgangsgedanken. In die Berechnung des Fairnessindikators spielen zum Beispiel die Arbeitsbedingungen hinein, unter denen ein Produkt und seine Bestandteile erzeugt werden. Ist gar Kinderarbeit im Spiel, sinkt das Ranking entsprechend massiv. Ebenfalls Abzüge gibt es für tierische Inhaltsstoffe, umso mehr, je schlechter die Haltung der Tiere ist. Die größten Schwierigkeiten offenbaren sich dem Projekt beim Punkt Transparenz. Über manche Hersteller sei wenig herauszufinden, klagt Lisa Weichsler ihr Leid. Die Bildungsreferentin Teclaire Ngo Tam unterstreicht die Problematik: „Es ist wirklich mühsam, Infos zusammen zu bekommen.“ Auf Anfragen zu den jeweiligen Produkten hätten sie von diversen Unternehmen des Öfteren einfach keine Antwort bekommen. Zum Aspekt Transparenz zählt nicht nur die Offenheit eines Unternehmens, respektive seiner Homepage, sondern auch seine Zugehörigkeit zu Lobbys oder Institutionen. Außerdem berücksichtigt dieser Teil noch, ob klar ersichtlich ist, woher die Zutaten eines Produkts stammen. Dabei sollten sich Herkunftsort und Produktionsort möglichst nicht unterscheiden. Wer ein besonders hohes Ranking in Sachen Fairness anstrebt, sollte sich seine Zugehörigkeit zu multinationalen Konzernen ebenfalls gut überlegen. Je nach Land bewertet die App auch regionale Gütesiegel, wie das Heumilch Abzeichen in Österreich.
Die Greenness
Der zweite Balken ist wenig überraschend grün. Auch dahinter verstecken sich verschiedenste Kriterien auf dem Weg zu den maximal erreichbaren 100 Punkten. Erster Testfaktor: Der Wasserfußabdruck. Er ist ein Indikator dafür, wieviel Wasser wir in unserem täglichen Leben verbrauchen. Entweder aktiv, wie etwa beim Duschen, oder passiv, wie in der Herstellung von Verbrauchsgütern. Entscheidend ist für die App, wieviel Liter Wasser für ein Kilogramm eines Produkts verbraucht werden. Je weniger, desto besser. Die Verpackung wird in diesem Fall nicht berücksichtigt. Als zweites Kriterium steht ein altbekanntes Thema auf der Liste: Die Genmanipulation. Nur gentechnikfreie Produkte haben eine Chance auf ein hohes Ranking. Aspekt Nummer drei in Sachen Greenness ist die Produktion. Hier kommt es etwa darauf an, ob bei der Herstellung Pestizide verwendet wurden. „Wir rechnen auch den Transport ein“, stellt Lisa den nächsten Punkt vor. Eine besonders lange Reise vom Produktionsort zu den VerkäuferInnen schlägt mit Punkteabzügen zu Buche. In die Kalkulation fließen dann noch die Faktoren Müll, nachhaltiger Fischfang und regionale Zertifikate, wie das AMA Gütesiegel, ein. Dem wahrscheinlich gravierendsten Sorgenkind ist sogar eine eigene Fotoausstellung im Spektral gewidmet: Der Verwendung von Palmöl.
Billiges Fett, hoher Preis
Mittlerweile enthält rund die Hälfte aller Lebensmittel das billige Fett aus der Palme. Unter anderem so klingende Marken wie Nutella. Auch in Kosmetika oder als Zusatzstoff für Bio-Kraftstoffe wird es verwendet. Indonesien und Malaysia sind zu den weltweit größten Produzenten des Öls geworden, obwohl die Palme ursprünglich in Afrika beheimatet ist. Mit beeindruckenden Bildern und Illustrationen zeigt der Fotograph Michael Kleinburger, wie die steigende Nachfrage nach Palmöl den Regenwald in Borneo gefährdet. Zuerst werden Straßen durch den Urwald gezogen. Anschließend kommen die Holzfäller. Was der neuen Palmölplantage dann noch im Weg steht, wird mittels Brandrodung vom Erdboden getilgt. Tiere verlieren ihre Lebensräume, Einheimische werden verdrängt und Pflanzen drohen auszusterben. In manchen Teilen Südostasiens führt das so weit, dass zum Beispiel der Eigenbedarf an Ananas nur noch mit Importen gedeckt werden kann, obwohl die Ananas in diesen Gebieten natürlich wächst.
Angesichts der ernsten Themen hätte man an diesem Tag viele düstere Mienen erwartet. Aber ganz im Gegenteil. Die auflockernde Tanzperformance der steyrischen Gruppe The Roses zur „bittersüßen Seite der Schokolade“ war nur eine der willkommenen Abwechslungen. Zeitgleich veranstalteten auch die Partner-NROs in ihren Ländern Foodspektakel und feierten den Start der Map-Your-Meal-App. Via Liveschaltung erreichten Graz immer wieder lachende Gesichter und Grußbotschaften. Immer wieder projizierte der Beamer Bilder von strahlenden Menschen an die Wand. Sie alle freuten sich über einen weiteren kleinen Schritt in Richtung bewussteres Einkaufen.
[box]Eine detailierte Auflistung in Englischer Sprache aller Greenness- und Fairnesskriterien der App gibt es hier: Assessment Methodology[/box]