Erstes Kennenlernen und Erfahrungsaustausch der Teilnehmer. Foto: Ana Lagger

Film ab für „Kinokabaret“ am Griesplatz

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Mit KinoCuntra startet der Kulturverein am Griesplatz den ambitionierten Versuch, die Grazer Filmkultur zu beleben. Ein historischer Ort: Hier entstand einst das legendäre Filmmagazin blimp.
Erstes Kennenlernen und Erfahrungsaustausch der Teilnehmer. Foto: Ana Lagger
Erstes Kennenlernen und Erfahrungsaustausch der Teilnehmer. Foto: Ana Lagger

Die Stimmung in der Cuntra ist entspannt, irgendwer hat den Schriftzug „Lounge“ an die Wand gesprüht. Teppiche, bunt zusammengewürfeltes Mobiliar, Räucherstäbchen, die den scharfen Lackgeruch überdecken. Gut 15 Gäste aller Altersklassen sind an diesem Tag der Einladung der Cuntra-Filiale am Griesplatz gefolgt, um gemeinsam Filme zu machen.

„Viele wissen nicht, wie man kreative Ideen realisieren und verwirklichen soll. Genau diesen Menschen wollen wir eine Plattform bieten.“ So beschreibt Peter Lutz das Projekt KinoCuntra. Der Filmworkshop findet zum siebten Mal in Graz und zum ersten Mal in der Cuntra la Cultra statt.

Lutz ist Organisationsteamleiter und hat selbst schon an derartigen „Kinokabarets“ teilgenommen.

Die so genannte Kino-Bewegung entstand 1999 in Montréal, Kanada. Seitdem hat sich das „Kinokabaret“ weltweit in etwa 70 Städten etabliert. Das Konzept ist denkbar einfach: Es treffen sich erfahrene Filmemacher, Schauspieler und Techniker, um zusammen mit noch unerfahrenen Teilnehmern innerhalb von drei Tagen und ohne Budget Kurzfilme zu produzieren. „Ich bin in die Organisation reingerutscht. Ich möchte kreativen Menschen einen Platz bieten, um sich auszuprobieren“, sagt Lutz. Er ist für die Organisation der Workshops und das Equipment verantwortlich.

KinoCuntra belebt die Filmtradition
In der Grazer Filmgeschichte kommt dem Griesplatz eine besondere Rolle zu. Zwischen 1985 und 2001 veröffentlichte hier eine Gruppe lokaler Filmenthusiasten rund um Bogdan Grbic, Peter Zach und Heinz Trenczak 44 Ausgaben des Filmmagazins blimp. Das Magazin war über Österreich hinaus ein relevantes Medium für Filminteressierte. Das KinoCuntra stellt nun den ambitionierten Versuch von Filmliebhabern dar, die Grazer Filmkultur weiter zu beleben.

Die Teilnehmer der Workshops an diesem Tag stehen freilich erst ganz am Anfang. In zwei Workshops zu jeweils 72 Stunden sollen sie Kurzfilme produzieren. Im Fokus steht nicht das Resultat, sondern der Entstehungsprozess. Getreu dem Motto der Veranstalter: „Do well with nothing, do better with little and do it right NOW.“

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Ordnung im Chaos. Dave Lojek strukturiert die Ideen der Teilnehmer. Foto: Ana Lagger

„Es geht darum, ein Kind auf einem Spielplatz zu sein. Das Filmemachen ist unser Spiel. Natürlich stolpern wir hin und wieder, aber wir sollten keine Angst davor haben, Fehler zu machen. Wenn man nie eine Herausforderung annimmt, wird man nie Erfolg haben.“ Mit diesen Worten ermutigt Dave Lojek, Initiator des Kino Berlino, einer auf dem Konzept „Kinokabaret“ basierenden Plattform für Filmschaffende in Berlin, die Teilnehmer der ersten Session.

Lojek hat über zehn Jahre Erfahrung in diesem Bereich und produzierte in dieser Zeit mehr als 160 Kurzfilme. Zuletzt gewann er den Regiepreis des „International Shortfilm Festival of Independent Authors“ in Berlin 2016. Seine bisher erfolgreichste Produktion,„Das sprickwörtliche Glück“, wurde bereits 71 mal ausgestrahlt und gewann heuer bei den Deutschen Filmfestspielen in St. Ingbert den Filmpreis „Obelisk“. Lojek gewann mit dieser Produktion außerdem bereits zwölf weitere Preise. Der Film zeigt, wie die Protagonistin Annemarie ihren Freund Hanspeter kennen lernt. Das Besondere daran ist, dass der Kurzfilm von einem Sprecher mit Sprichworten kommentiert wird, der Film also mit der Doppeldeutigkeit von Sprichworten spielt. „Das sprichwörtliche Glück“ entstand übrigens ebenfalls im Rahmen eines Kinokabarets in Graz.

Klappe: Action
Nach einer ersten Vorstellungsrunde kommt Bewegung ins KinoCuntra. Die Schauspieler, Regisseure, Techniker und Autoren, die an dem Workshop teilnehmen, diskutieren über die Filmideen. „Ich brauche zwei Schauspieler, eine Kamera und Licht“, sagt ein Regisseur. Gleichzeitig diskutiert ein Autor mit Lojek, wie man die Rolle eines Kindes ersetzen könnte. „Vielleicht durch einen Hund?“, schlägt Lojek vor. Am selben Tag beginnen die Dreharbeiten. Nachdem alle Szenen gedreht wurden, müssen die Filme vor dem Screening noch geschnitten werden. Danach werden sie in der UCI Kinowelt Annenhof gezeigt. Der Schnitt dauert bei manchen Produktionen erfahrungsgemäß bis kurz vor der Vorstellung.

„Man kann sich connecten, lernt neue Leute kennen und kann sich verwirklichen, ohne selbst für Ressourcen wie Kameras aufkommen zu müssen“, sagt Johanna Lehner, die extra für den Workshop mit ihrer französischen Freundin Axelle Priou aus Slowenien angereist ist. Sie arbeiten derzeit zusammen an dem Film „Unborn.“

Bis zur letzten Sekunde wird an Lehners Film gearbeitet. Foto: Ana Lagger
Bis zur letzten Sekunde wird an Lehners Film gearbeitet. Foto: Ana Lagger

Insgesamt entstanden an den drei Workshoptagen sechs Kurzfilme, am 9. November wurden sie in der UCI Kinowelt Annenhof ausgestrahlt. Ein Film über tanzende Füße war ebenso darunter wie ein Horrorfilm über ein Monster unter dem Bett, das einen Einbrecher frisst, ein Film über einen Einbruch, gefilmt aus der Perspektive der Tasche der Verbrecher, und ein surrealer Film namens „Letzte Nacht“, der spontan in wenigen Stunden entstand. Das Highlight war allerdings Lehners „Unborn“.

„Unborn“ erzählt die Geschichte eines Mädchens, das im Mutterleib einen Zwilling hatte, der nie geboren wurde und die Protagonistin nun wie ein Schatten begleitet. Der Film zeigt das Mädchen in Alltagssituationen, beim Kaffeetrinken mit Freunden, beim Spazieren, beim Arbeiten. Immer wird sie dabei von ihrem Schatten beobachtet. „I am a part of you“ , sagt der Zwilling dann – mehr zu sich selbst als zur Hauptdarstellerin. Der Film ist für die Kürze der Produktionszeit überraschend gut geschnitten und erzeugt in nur drei Minuten eine fesselnde, fast beklemmende Stimmung. Ein gelungenes Beispiel dafür, dass aus „fast nichts“ alles werden kann.

[box] Alle Filme kann man sich auf der Vimeo Seite des KinoCuntra ansehen. [/box]

 

"Denn die Kunst ist die Tochter der Freiheit."
Hobbyfotografin, Portraitzeichnerin und Kunstliebhaberin mit einer Schwäche für Videospiele.

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