Im Kunstzentrum <rotor> können die BesucherInnen der Ausstellung „Erzählungen aus der Ankunftsstadt“ derzeit erleben, wie es ist, im Annenviertel anzukommen – und herausfinden, welche Gemeinsamkeiten eine Ankunftsstadt mit einem Regenbogen hat.
Tosende Wellen brechen an hochaufragenden Klippen und treiben als Gischt in der Bucht. Die Sicht auf den Horizont ist getrübt von drückenden Wolken und Regen, der dicht und lautlos zur Erde fällt. Ein Meer aus Grautönen, aus dessen Mitte leuchtende Farben aufsteigen und einen Bogen zum bedeckten Himmel ziehen. Auf helles Holz gedruckt und an einer goldenen Wand befestigt, ist dieses Bild mit dem Titel „40 tägliche Regenbogen“ ein Geschenk für Graz. Geschenke für Graz – so nennt die Künstlerin Nayari Castillo ihren Teil der Ausstellung NEW GRAZ / Teil 2 – Erzählungen aus der Ankunftsstadt, die seit dem 7. Dezember im Kunstzentrum <rotor> zu sehen ist. Die Ideen dafür sammelte Castillo im Zuge des Projektes Haus der offenen Tore, das den Volksgarten-Pavillon im Rahmen des steirischen herbst in das Herz der Ankunftsstadt Graz verwandelte.
Welches Geschenk würdest du Graz machen?
Der Inbegriff dieser Ankunftsstadt ist zweifellos das Annenviertel, gibt es doch in diesem Teil von Graz seit jeher die meiste Zuwanderung. Von 24. September bis 16. Oktober 2016 konnten die BesucherInnen des Hauses der offenen Tore also Vorschläge für Geschenke an diese Ankunftsstadt Graz in Form von Zeichnungen und Texten zu Papier bringen. Zu einigen davon hat Nayari Castillo inzwischen kleine Objekte zusammengestellt und Abbildungen gedruckt, die sich nun an der goldenen Wand als „40 tägliche Regenbogen“, Miniatur-Riesenrad oder Holzmaske wiederfinden.
So unterschiedlich die Geschenkideen der GrazerInnen auch waren, alle verdeutlichen, dass sich Menschen Gedanken zu ihrer Lebensumgebung machen, egal ob sie nun schon in dieser aufgewachsen oder erst im Laufe ihres Lebens zugezogen sind. Dass „Ein Haus der offenen Tore für immer“ eine der vielen Geschenkideen war, zeigt jedenfalls, wie das dreiwöchige Projekt von den Menschen im Annenviertel angenommen wurde.
„Von dem Kunstprojekt zum Thema Ankunftsstadt war ich schnell begeistert“, sagt Nayari Castillo, „auch weil ich mich in Graz selbst angekommen fühle.“ Die Künstlerin stammt aus Venezuela, ist amerikanische Staatsbürgerin und lebte zuletzt in England – verfügt also über gute Voraussetzungen, um verstehen zu können, was es heißt, sich in einer neuen Umgebung zurecht finden zu müssen.
Immer wieder Ankunft
Auf die Frage, welches Geschenk sie selbst der Stadt Graz machen würde, zeigt Castillo auf die Abbildung „40 tägliche Regenbogen“ und sagt: „Regenbogen, weil sie mich an Venezuela erinnern – davon gibt es dort oft mehrere zur gleichen Zeit, in Graz jedoch nur selten einen einzigen.“ In einer Zeit, in der allzu oft von „Flüchtlingswellen“ oder Negativszenarien zu Flucht und Integration die Rede ist, sind Projekte wie die „Erzählungen aus der Ankunftsstadt“ ein kleiner Lichtschimmer.
Die Ausstellung erzählt aber nicht nur von den hellen, sondern auch von den Schattenseiten des Ankommens. „Das Herz bleibt immer zuhause. Wir kommen nie an.“, steht auf einem grellpinken Papierbogen, der von der Gruppe public works in Zusammenarbeit mit dem Verein DruckZeug erarbeitet wurde. Der Text basiert auf Gesprächen mit Zsolt und Viktor Berki, zwei Männern, die seit vielen Jahren regelmäßig aus der Slowakei nach Graz kommen, um hier Geld zu verdienen. Die beiden kommen immer wieder im Annenviertel an und fühlen sich doch nie wirklich als Teil davon.
So unterschiedlich die Arten des Ankommens im Annenviertel sind, so verschieden sind auch die Erwartungen an Graz als Ankunftsstadt. Während manche der Ankommenden sich bewusst für eine begrenzte Zeit in Graz niederlassen, haben andere im Annenviertel längst eine neue Heimat gefunden, die sie mit ihren Lokalen und Geschäften sichtbar mitgestalten. „Ich probiere zurückzugeben“, steht auch auf einem der neonfarbenen Plakate.
Verschiedenste Erlebnisse zum Thema Ankunft im Annenviertel macht die Ausstellung „NEW GRAZ / Teil 2 – Erzählungen aus der Ankunftsstadt“ im Kunstzentrum <rotor> – noch bis 22. Dezember 2016 – sicht-, hör-, greifbar.