Das Künstlerkollektiv „Das Voyeur“ feierte nach viereinhalb Jahren seinen Abschied vom Lendplatz. Ein Rückblick auf eine Zeit voller aufregender Projekte, neuer Bekanntschaften und professioneller „Hang-Arounds“.
Noch ist es ruhig am Lendplatz 40. Gernot Passath stellt sich auf die Party ein, einmal soll an diesem Abend noch ordentlich gefeiert werden, bevor die fünf Künstler, die das Kollektiv „Das Voyeur“ die letzten Jahre am Laufen hielten, Abschied vom Lendplatz nehmen. Zum „letzten Tanz“ hatten sie eingeladen, die Einladung ähnelte einer Pate. Ganz so traurig wurde der Abend am Ende aber nicht.
Gemeinsam mit Georg Dinstl, Thomas Pokorn, Mischa Mendlik und Clemens Plank-Bachselten verbrachte Passath seit der Gründung des Kollektivs am 15. März 2012 viele Stunden in der Voyeur-Werkstatt, arbeitete an gemeinsamen oder an Solo-Projekten. Malerei, Poster- und Siebdruck, Wandgestaltungen: Das Voyeur bot nahezu alles an, was mit analogem, künstlerischem Arbeiten zu tun hat. Auch Grafikdesign war Teil des Portfolios. Wichtig ist dem Kollektiv zu betonen, dass sie als Einzelpersonen agierten. „Die Leute glaubten teilweise, wir wären eine Firma gewesen. Waren wir aber nie“, meint Passath. „Wir waren eben ein Kollektiv, mehrere Leute, die an einem Ort zusammengearbeitet haben. Und bei verschiedenen Projekten hat sich das überschnitten.“
Zumindest der gemeinsame Ort – im hinteren Bereich eine Werkstat, im vorderen Büro und Besprechungsraum – ist demnächst aber Vergangenheit. „Da wir nicht so straight arbeiten, wurde das Voyeur über die Jahre zu einem zweiten Wohnzimmer“, lacht Passath. „Es hatte sich eingebürgert, dass wir einen Haufen ,professioneller Hang-Arounds‘ gehabt haben. Das hat den Arbeitsprozess manchmal inspiriert, manchmal aber auch gelähmt.“ Um einen Platz für ruhiges Arbeiten abzutrennen, dafür sei der Raum aber zu klein gewesen. Daher machten sich die Künstler eben auf die Suche nach einem neuen Ort. „Wir haben versucht, etwas zu finden, das für jeden passt. Weil sich auch jeder weiterentwickelt hat, weil sich die Formation verändert hat“, erklärt Passath. Letztendlich seien sie zum Entschluss gekommen, den Ort aufzulösen und zu „schauen, was auf uns zukommt“.
Resümee einer schönen Zeit
Der 32-Jährige, der an der FH Joanneum Informationsdesign studiert hat, nimmt aus der Zeit im Voyeur vieles mit. „Es ist total viel passiert, es waren viele coole Projekte dabei, viele Erfahrungen, die man gesammelt hat.“ Auf die Frage nach seinem Lieblingsprojekt in den letzten Jahren lacht er. „An sich lag mir am meisten am Herzen, wie das alles hier funktioniert hat. Und wie die Leute, die gekommen sind, das angenommen haben. Richtig cool war es damals, gemeinsam das Lendhaus zu bemalen.“ Gegründet hatten Passath und Dinstl das Voyeur ursprünglich, weil sie in der Stadt einen entsprechenden Bedarf orteten. „Wir haben uns damals gedacht, dass es in Graz niemanden gibt, der professionelle Gestaltung anbietet. Dann haben wir gesagt: Machen wir das!“, erinnert sich Passath. Nach und nach seien dann die weiteren Mitglieder dazugekommen.
In den letzten Jahren haben die Künstler eine Reihe von Aufträgen im Gestaltungsbereich übernommen. Street Art war da ebenso dabei wie Innengestaltung von Shops und Bars wie dem Pfiff & Töne, Events wie das Rostfest in Eisenerz oder diverse Ausstellungen, etwa im Vorjahr im Café Mitte. „Wir haben Arbeitsspitzen gegenseitig abgefangen, Riesenprojekte auch einmal zu zweit oder zu dritt gemacht“, sagt Passath.
Blick in die Zukunft
Wie die Zukunft des Kollektivs aussehen wird, nachdem die Künstler mit Monatsende ausziehen, ist noch etwas unklar. „Jetzt schaut jeder einmal, in welche Richtung er selbst gehen will. Wir werden aber sicher weiterhin Projekte zusammen machen“, meint Passath. „Was genau mit dem Namen passiert, wissen wir noch nicht. Entscheidend ist, dass der Ort für uns quasi tot ist.“ Jeder der Künstler hat sein eigenes Gebiet, auf das er sich in Zukunft konzentrieren möchte. Passath, der in seinem Auslandssemester an einer spanischen Kunstuniversität seine Vorliebe für analoges Arbeiten entdeckt hat, will weiterhin im Gestaltungsbereich tätig sein – drucken, malen oder illustrieren.
Auch bei Veranstaltungen im Annenviertel, wie zum Beispiel dem Lendwirbel, wollen die Künstler weiter aktiv dabei sein. „Wir werden dem Ganzen sicher nicht verloren gehen“, versichert Passath. Ob er traurig sei, dass es zu Ende geht, beantwortet Passath entspannt: „Nein, ich bin nicht traurig, weil ich nicht finde, dass etwas zu Ende geht. Es ist einfach eine Veränderung und Veränderung heißt immer, etwas Neues zu versuchen. Wenn du deine Komfortzone verlassen musst, ist das aufregend. Und aufregend ist immer gut.“
Ab halb 10 beginnt sich das Voyeur, das sich für die allerletzte Party in eine Art Live-Stage gewandelt hat, langsam zu füllen, eine halbe Stunde später drängen sich hier Freunde und Bekannte der Künstler. Zuerst spielt die Band Baguette, danach die Löve Icons, mit Georg Dinstl als Leadsänger. Der letzte Tanz gerät durchaus ausgelassen. Gute Reise!