Wie der Grazer Historiker Georg Hoffmann gegen das Vergessen des Luftkrieges im Zweiten Weltkrieg ankämpft und was er plant, um Familien von ermordeten alliierten Fliegern ein würdiges Gedenken zu ermöglichen.
Georg Hoffmann, Historiker am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität, setzt sich seit Jahren mit den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg auseinander. Mit Projekten, die er gemeinsam mit Grazer Schulen gestaltet, möchte er eine öffentliche Debatte zum Thema Luftkrieg anregen, um unter anderem den sogenannten zweiten Opfermythos zu widerlegen. Dieser besagt, dass Österreich nicht nur Opfer Hitler-Deutschlands, sondern auch im Zuge der Befreiung Opfer der Alliierten wurde.
Sein aktuelles Vorhaben „Gedächtnisort Bombenkrieg“ beinhaltete unter anderem die Ausstellung „Bombenkrieg in Graz“, die im Dezember in der Stadtbibliothek zu sehen war und ganz allgemein die Schicksale alliierter Fliegersoldaten behandelte. Sein nächstes Projekt ist nun denjenigen unter diesen alliierten Soldaten gewidmet, die der Fliegerlynchjustiz der Nazis zum Opfer fielen.
Lynchjustiz macht Alliierte zu Opfern
Österreich 1945: Mit Andauern des Krieges verschlimmerte sich die Situation der Bevölkerung durch die fortwährenden Bombardements. Das NS Regime befürchtete damals, die Bürger könnten sich auflehnen, erzählt Hoffmann im Interview. Um die immer größer werdende Wut zu kanalisieren, wurde die sogenannte „Fliegerlynchjustiz“ legalisiert. Das bedeutet, dass es erlaubt war feindliche Soldaten, die abgeschossen wurden öffentlich zu lynchen, ohne strafrechtlich verfolgt zu werden.
Konkretes Beispiel für die Lynchjustiz ist der Mord an drei alliierten Bomber-Besatzungsmitgliedern am 4. März 1945. Ein US-Flieger mit zehn Insassen wurde getroffen und stürzte ab. Sechs Besatzungsmitglieder konnten sich mit Fallschirmen retten, wurden aber von Schaulustigen und SS Soldaten beobachtet und bereits am Boden erwartet. Hoffmann schildert die Situation an einer Bahnkreuzung in Straßgang, wo zwei US-Flieger landen: „Hunderte Menschen stehen um die beiden herum und beginnen sie zu beschimpfen. Ein SS- Untersturmführer tritt vor, zwingt die beiden auf die Knie und erschießt sie wortlos.“ Selbiges Schicksal ereilte kurze Zeit später auch einen dritten US-Soldaten. An dieser Stelle steht heute ein Gedenkstein.
Ein Ort der Trauer
Über 100 Fälle der Lynchjustiz sind in Österreich bekannt. Dennoch gibt es nur ein einziges Denkmal für die zahlreichen Opfer, das sich eben an jenem Ort in Graz-Straßgang befindet. Seit seiner Errichtung 1945 wurde es mehrfach beschmiert und zerstört. In den 80er Jahren gab es sogar einen Prozess gegen Neonazis, die den Gedenkstein beschädigten, indem sie die Inschrift mit Fliesenmörtel überdeckten. Bis heute sei es immer wieder Stein des Anstoßes, meint Hoffmann, denn nach wie vor gebe es Menschen die nicht verstehen, warum man Soldaten gedenken soll, die Angriffe auf das österreichische Volk geflogen sind, und die fordern, es abzureißen.
Deshalb arbeitet Hoffmann gemeinsam mit seiner Kollegin Nicole Melanie Goll in Zusammenarbeit mit Grazer Schulen an einer Neugestaltung des Denkmals. In den letzten Monaten wurden Entwürfe erarbeitet, die unter anderem vorsehen, Tafeln mit den Namen der Opfer aufzustellen und Figuren um den Gedenkstein herum zu platzieren, die die passive Menschenmenge rund um die Gelynchten symbolisieren sollen. Für 6. März ist eine große Gedenkveranstaltung geplant, bei der die SchülerInnen die Gelegenheit haben, ihre Ideen auch den Familien der Opfer zu präsentieren.
Auf die Frage, warum ihm so daran gelegen ist, das Denkmal gegen alle Widerstände neu zu gestalten, antwortet Hoffmann: „Ich möchte das für die Familien der Opfer machen, um einen Platz zu schaffen, an dem sie gedenken und trauern können und ihnen damit die Möglichkeit geben, endlich abzuschließen“. Dieses Denkmal soll nicht nur den Geschehnissen vor Ort gewidmet sein, sondern ein Zentrum der Erinnerung an alle Fälle der Lynchjustiz in Österreich
[infobox color=“#757575″ textcolor=“#ffffff“]Gedenkveranstaltung: 6. März 14:00 Uhr. Die Veranstaltung wird mit einer Gedenkfeier und mit einer Kranzniederlegung beginnen, anschließend stellen SchülerInnen des BRG Kirchengasse einen neuen Denkmalentwurf vor, und zu guter Letzt kommt es noch zu einer ExpertInnen-Podiumsdiskussion.[/infobox]