Nicht nur einen vorübergehenden Schlafplatz, sondern auch ein vorübergehendes Zuhause finden Bedürftige im VinziTel, der „Notschlafstelle mit Hotelcharakter“. Im Mai feiert die Eggenberger Einrichtung ihren 15. Geburtstag und sucht bis dahin noch nach Unterstützern.
Es ist warm und gemütlich. Licht dringt durch die sauber geputzten Fenster in den Raum. Auf einem Tisch steht ein Korb, gefüllt mit frischen Backwaren. Eine Sitzecke aus bunt zusammengewürfelten Stühlen lädt zum Verweilen, zum Diskutieren und zum Nachdenken ein. In der Mitte des Raumes ein Tresen, der an eine Hotelrezeption erinnert. Zwar findet, wer hier eincheckt, keinen Traumurlaub, dafür aber Hoffnung und eine Perspektive für die Zukunft.
Die andere Notschlafstelle
Das VinziTel in der Eggenberger Lilienthalgasse, das heuer seinen 15. Geburtstag feiert, ist keine gewöhnliche Notschlafstelle. 24 Stunden am Tag nimmt sie Personen auf, die sonst keinen Schlafplatz haben. Diesen bietet sie nicht nur eine Übernachtungsmöglichkeit, wie es in klassischen Notschlafstellen der Fall ist, sondern auch einen Ort, an dem sie tagsüber bleiben können. „Viele glauben, VinziTel steht für Vinzi-Telefon. In Wahrheit soll der Name auf den Hotelcharakter der Einrichtung hinweisen“, sagt Andreas Kleinegger, Leiter des VinziTel. Tatsächlich können Gäste, ähnlich wie in einem Hotel, in Einzel-, Doppel- und Vierbettzimmern, allesamt ausgestattet mit Dusche und WC, wohnen. Sogar ein Pärchenzimmer steht zur Verfügung.
In der Regel bietet das VinziTel Platz für 25 Gäste. „Manchmal wohnen bei uns auch 28 oder 30 Personen“, sagt Kleinegger. In solchen Fällen werden Notbetten und Matratzen aufgestellt. „Wir wollen, dass niemand draußen übernachten muss.“ Frühstück oder Abendessen gibt es im VinziTel aber nicht. „Lebensmittel kommen über Spenden von Konditoreien und von Privatpersonen herein“, sagt Kleinegger. Auch der VinziBus, der seinen nächtlichen Stehplatz vor dem VinziTel hat, liefert übriggebliebene Lebensmittel ab.
Aufgenommen wird im VinziTel jeder, der vor der Tür steht, ungeachtet der Herkunft, des sozialen Standes und der religiösen Einstellung. Mehr als 80 Prozent der Bewohner sind männlich. Nach einer Nacht erfolgt in der Regel die Weitervermittlung in eine andere Grazer Sozialeinrichtung. Österreichischen Staatsbürgern dürfen auch länger bleiben. Für einen symbolischen Betrag von einem Euro pro Nacht können Bewohner bleiben, bis eine neue Wohnmöglichkeit gefunden ist.
„Nach oben hin sind keine Grenzen definiert, im Schnitt bleiben unsere Bewohner weniger als 30 Tage“, meint Kleinegger. Seine Aufgabe als einer von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern ist es, den Bewohnern bei der Suche nach einer langfristigen Unterbringung zur Seite zu stehen. Zusätzlich helfen 35 Ehrenamtliche im VinziTel mit.
Schöne und unangenehme Momente
Mit der Obdachlosigkeit gehen oftmals auch andere Probleme einher, mit denen sich die Mitarbeiter der Notschlafstelle auseinandersetzen müssen. Am häufigsten habe man mit Drogen- oder Alkoholabhängigkeit und psychischen Problemen zu tun. Obwohl es manchmal auch zu Reibereien unter den Gästen komme, würden sie sehr gut damit umgehen und sich teilweise auch gegenseitig in Schutz nehmen. „Unsere Bewohner haben große soziale Kompetenz im Umgang mit schwierigen Personen. Teilweise können sie besser damit umgehen als wir“, sagt Kleinegger. Daher seien auch Raufereien oder andere Formen der Gewalt fast nie ein Thema.
„Es gibt viele schöne Momente, die man mit den Bewohnern erlebt“, sagt Kleinegger. Er hat jedoch auch unangenehme Aufgaben zu erledigen. So fällt es ihm zu, Gäste, die zu oft mit der Hausordnung in Konflikt geraten sind, über ihren bevorstehenden Auszug zu informieren. „Manchmal werde ich dann beschimpft, weil ich in den Augen des Bewohners etwas Inadäquates gemacht habe.“ Muss ein Bewohner das VinziTel verlassen, wird er jedoch nicht auf die Straße gesetzt. „Wir versuchen, eine andere Unterbringung für die Person zu finden“, sagt Kleinegger.
Herbert Schwarz* ist eine dieser Personen, die das VinziTel nach mehreren Übertretungen der Hausordnung verlassen müssen. Für ihn wurde eine Unterkunft im VinziDorf organisiert. Er zeigt sich einsichtig, er sei sehr zufrieden mit seiner Zeit in der Eggenberger Notschlafstelle. „Hat man keine Perspektive, dann ist das VinziTel sehr gut.“ In seinen Augen würden Bewohner, die das Angebot der Einrichtung nicht wertschätzen, keine wahre Armut gespürt haben. „Wenn man nichts mehr hat, isst man auch Ziegel.“ Der 47-Jährige war früher auf Montage in der ganzen Welt unterwegs. Nach eigener Aussage habe ihn eine schwierige Scheidung in diese Situation gebracht.
„Wenn man nichts mehr hat, isst man auch Ziegel.“
15 Jahre VinziTel
Wie Herr Schwarz haben in den letzten Jahren zahlreiche Bedürftige das Angebot des VinziTel genutzt. Seit ihrer Eröffnung im Jahr 2002 war die Einrichtung nahezu immer vollständig ausgelastet. Dies hat sich auch auf den allgemeinen Zustand der Einrichtung ausgewirkt. „Es ist an der Zeit, die Zimmer zu renovieren, damit man wieder 15 Jahre darin wohnen kann“, sagt Andreas Kleinegger. Dafür sei jedoch viel Hilfe notwendig. „Ein großer Teil des Geldbedarfs muss über Spenden aufgetrieben werden.“
Man will daher das 15-jährige Jubiläum des VinziTel in diesem Jahr zum Anlass nehmen, um finanzielle Mittel für den dringend notwendigen Umbau zu lukrieren. „Es wäre schön, wenn wir das Spendenziel bis zu unserer Jubiläumsfeier im Mai erreichen würden“, sagt Kleinegger. Man hofft, spätestens Anfang 2018 mit dem Umbau beginnen zu können.
[infobox] Hier kann man spenden und zum Umbau des VinziTel beitragen.* Der Name von Herrn Schwarz wurde zum Schutz seiner Privatsphäre von der Redaktion geändert. [/infobox]