Badekultur und Integration haben nichts miteinander zu tun? Zeynep Aygan-Romaner ist anderer Meinung – sie hat erforscht, welche positiven Auswirkungen ein türkischer Hamam in Graz haben könnte.
Was, wenn es in Graz einen Ort gäbe, an dem sich Menschen zwanglos treffen könnten um zu plaudern, zu entspannen, gemeinsam Zeit zu verbringen? Ein Ort, an dem die Herkunft und die Religion keine Rolle spielten und niemand das Gefühl hätte ein Außenseiter zu sein? Im Moment ist das noch ein Wunsch, ein Gedankenexperiment, das in Form eines Hamams, also eines türkischen Bades, Wirklichkeit werden könnte. Das glaubt zumindest Zeynep Aygan-Romaner, die Architektur studiert hat und sich vor einiger Zeit im Rahmen ihrer Diplomarbeit intensiv mit den Potenzialen eines Hamams für die Stadtentwicklung auseinandergesetzt hat. Die Idee beschäftigt sie bis heute.
Brücken bauen und vermitteln
„Ich wollte schon immer an der Schnittstelle zwischen Architektur und Soziologie arbeiten“, erzählt Aygan-Romaner. Für sie hat Stadtentwicklung nicht nur mit Architektur zu tun sondern immer auch mit sozialen Entwicklungen. In der derzeitigen Diskussion über die Integration von MigrantInnen sieht Aygan-Romaner sich als Brückenbauerin: Sie ist gebürtige Türkin, wuchs ab ihrem fünften Lebensjahr in Reutte in Tirol auf und lebt seit mittlerweile 25 Jahren in Graz. Sie sei schon immer zwischen den Kulturen gestanden, empfindet das aber nicht als belastend: „Ich habe bemerkt, dass es für mich viel positiver ist, wenn ich mich als Vermittlerin sehe und nicht als jemanden, der immer zwischen zwei Stühlen sitzt.“ Diese spezielle Situation hat sie schließlich auch auf die Idee eines Hamams gebracht.
Vom Baderitual zum neuen Selbstbewusstsein
In einem türkischen Bad gibt es kein stehendes Wasser, sondern nur kleine Waschbecken, an denen man sich selbst mit Wasser übergießt. In der Mitte des meist runden Raums befindet sich ein großer warmer Marmorstein, auf dem man sich massieren lassen kann. Zu einem Hamam-Besuch gehören außerdem traditionelle Waschrituale, zum Beispiel das Abrubbeln der Haut mit einem rauen Handschuh. „Hier kennen sich die Türken und Türkinnen aus, nehmen die ÖsterreicherInnen an der Hand und zeigen ihnen, wie alles funktioniert“, sagt Aygan-Romaner. „Das ist so natürlich übertrieben dargestellt, heißt aber im Grunde: Wenn man sich in einem sicheren Bereich bewegt, in dem man sich auskennt, bekommt man Selbstbewusstsein.“ Die Mutter von drei Kindern ist überzeugt, dass dieses neugewonnene Selbstbewusstsein essentiell sei um den Schritt aus bekannten Kreisen hinauszuwagen und sich im Alltag zu engagieren. „Der Hamam ist sozusagen ein Vehikel um das Selbstbewusstsein zu steigern, und fördert dadurch die Integration.“ Überdies kann man an einem Ort wie einem Hamam keiner Unterhaltung ausweichen, sondern kommt automatisch ins Gespräch. „Die größte Angst haben die, die keinen Kontakt zu einer fremden Kultur haben. Denn im Alltag gibt es keine Möglichkeit zusammenzukommen und zu reden. Das wäre aber ganz wichtig um gegenseitiges Verständnis zu fördern.“
Zwischen den Kulturen
Dass das Einfühlungsvermögen in die Welt der „anderen“ oftmals fehlt, ist nicht nur im aktuellen Gemeinderatswahlkampf zu spüren. Die negative Wahrnehmung der türkischen Kultur sei vor allem aus der Furcht vor dem osmanischen Reich entstanden und bis heute im kollektiven Gedächtnis verankert geblieben, sagt Aygan-Romaner. „Eine äußere Gefahr steigert den inneren Zusammenhalt.“ Trotzdem ist sie der Meinung, dass besonders die türkische Musik, das Essen und eben der Hamam von den ÖsterreicherInnen sehr positiv wahrgenommen werden. Er wäre deshalb ideal als kulturelle Schnittstelle, die das Zusammenleben fördert.
Doch nicht nur ein Hamam kann eine solche Schnittstelle sein, sondern auch Menschen wie Zeynep Aygan-Romaner selbst. Seit knapp einem halben Jahr arbeitet sie im Büro der Nachbarschaften, einem Stadtteilzentrum in Gries, das vom StadtLABOR betreut wird. Zweimal pro Woche ist sie dort, um Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen zu helfen oder mit ihnen bei einer gemütlichen Tasse Kaffee Ideen für das Annenviertel zu sammeln. Zu ihrer Arbeit gehört auch die Organisation des wöchentlich stattfindenden „Restl-Essens“. Bevor Aygan-Romaner ihre Arbeit im Büro der Nachbarschaften aufnahm, war sie in vielen kleinen Vereinen als Dolmetscherin tätig. „Mein längerfristiges Ziel ist es aber, dass Dolmetsch-Tätigkeiten nicht mehr notwendig sind. Ich hoffe, dass die Integration von Türken in 50 Jahren kein Thema mehr sein wird!“
„Alle sind willkommen!“
Aygan-Romaner glaubt, dass sie besonders durch ihre Begeisterung für das Projekt andere davon überzeugen kann. In Umfragen hat sie bereits herausgefunden, dass auch die Türken und Türkinnen einen Hamam in Graz sehr begrüßen würden. Das sei wichtig, denn das Bad soll keine touristische Attraktion werden, wie es in anderen Großstädten der Fall ist. Zwar hat sie für ihre Diplomarbeit hauptsächlich türkische Frauen befragt, will aber niemanden ausschließen: „Alle sind willkommen!“ Das soll sich auch bei den Eintrittsgeldern zeigen: Aygan-Romaner denkt das Projekt als gemeinnützige Stiftung an, das gemeinsam mit der Stadt betrieben wird und so jedem die Möglichkeit eines günstigen Besuchs bietet.
Das entspricht der Idee der Volksbäder, die es seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa gibt. Da es damals kaum private Badezimmer gab, herrschte stets großer Andrang auf die billigen Waschgelegenheiten. Auch in Graz gab es ein solches Volksbad, ein „Tröpferlbad“, und zwar dort, wo heute das Museum der Wahrnehmung im Augarten ist. Aygan-Romaner hat herausgefunden, dass Teile der Anlagen weiterhin von der Stadt Graz betrieben werden und besonders von älteren Anwohnern genutzt werden. Sie könnte sich deshalb gut vorstellen, den Hamam in die vorhandene Infrastruktur einzugliedern. Als andere mögliche Standorte nennt sie in ihrer Diplomarbeit die Bezirke Lend und Gries, da dort der größte Teil der Türken und Türkinnen lebt. Wann genau es einen Hamam in Graz geben wird, ist noch unklar – Zeynep Aygan-Romaner will ihre Idee aber auf jeden Fall in den nächsten Jahren verwirklichen.
[infobox color=“#a3a3a3″ icon=“info“]Das StadtLABOR sammelt Ideen rund um das Thema urbane Lebensqualität. Diese werden in diversen Projekten, wie etwa dem Büro der Nachbarschaften in der Kernstockgasse 20 im Bezirk Gries umgesetzt. Gemeinsam mit den Bewohnern soll die Lebensqualität in Graz erhöht, die Vernetzung gefördert und die Stadt ein bisschen „smarter“ gemacht werden.[/infobox]