Stadtrat Michael Ehmann tritt als Spitzenkandidat der SPÖ bei den Gemeinderatswahlen an. Die Annenpost hat mit ihm über gleiche Bildungschancen für alle, leistbares Wohnen und seine persönlichen Wahlziele gesprochen.
Annenpost: „Ich stehe dafür, härter zu arbeiten“ – so Ihr Wahlkampfslogan. Was machen Sie nach einer arbeitsreichen Zeit, um sich zu entspannen?
Ehmann: Dass ich richtig faul bin, kommt eher selten vor. Den Großteil meiner Freizeit verbringe ich derzeit mit meiner Familie, weil für diese während dem Wahlkampf leider zu wenig Zeit ist.
Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an das Annenviertel denken?
Das Annenviertel ist ja schon seit Jahren immer wieder im Gespräch, vor allem wenn es darum geht, neue Wege zur Aufwertung des Stadtbildes zu finden. Momentan habe ich das Gefühl, dass es einen tatsächlichen Aufbruch gibt. Nehmen wir zum Beispiel den Lendplatz, der sehr stark im Wandel war und für mich mittlerweile etwas vom Wiener „Naschmarktflair“ hat. Ich glaube, in diesem Viertel kann und soll auch noch weiterhin viel Gutes entstehen.
Sicherheit war in den vergangenen Monaten ein wichtiges Thema, auch im Annenviertel. Wie sehen Sie die derzeitige Situation?
Ich bin sehr viel im Annenviertel und in Graz unterwegs, auch zu Fuß, und ich persönlich fühle mich nicht unsicher. Natürlich darf man das Thema Sicherheit aber auch nicht negieren, wenn Menschen sich unsicher fühlen, dann ist das ernst zu nehmen. Am besten sollten wir diesem Thema mit sozialer Sicherheit begegnen. Wenn Menschen eine Beschäftigung haben, von der sie gut leben können, haben sie auch seltener den Antrieb kriminelle Energie zu entwickeln. Soziale Sicherheit ist in Wahrheit der beste Garant für physische Sicherheit. Aber wir müssen auch dorthin sehen, wo kriminelles Verhalten sich momentan verstärkt entwickelt. Hierbei geht es vor allem darum, die mobile Sozialarbeit, die sehr gute Arbeit leistet, weiter zu unterstützen und die Exekutive aufzustocken.
Die derzeitige Arbeitslosenquote in Graz liegt bei knapp dreizehn Prozent. Welche konkreten Maßnahmen hat die SPÖ geplant, um diese Zahl zu verringern?
Wir haben einen Pakt für Arbeit geschlossen, der Projekte wie den Grazer Fond für Aufstieg und Entwicklung unterstützt. Menschen mit geringem Einkommen, unabhängig ob sie selbstständig oder unselbstständig sind, können hier ansuchen und bis zu 1. 000 Euro Weiterbildungsförderung erhalten. Vor wenigen Wochen ist es uns außerdem gelungen, ein Pilotprojekt nach Graz zu bringen, bei dem Menschen, die drei Jahre vor ihrer Regelpension stehen und langzeitarbeitslos sind, mit einem Zuschuss des Bundes wieder in die Beschäftigung zurückgeführt werden. Das Resort Arbeit und Beschäftigung wird dadurch gestärkt und Betrieben kommen diese Arbeitskräfte ebenfalls zugute.
Unter den wichtigsten Punkten des SPÖ-Programms ist auch das Thema Stadtentwicklung aufgelistet. Dort steht, dass ein engerer Diskurs mit der Bevölkerung angestrebt werden soll. Wie soll dieser Diskurs aussehen?
Wir haben vor, die Bezirksparlamente besser zu unterstützen. Ich war selbst einmal Bezirksrat, habe auf der kommunalen Ebene mein Handwerk gelernt und kenne diese Arbeit dadurch sehr gut. Hier wollen wir Bürgerinitiativen stärken indem wir Infrastruktur bereitstellen, die es den Menschen erlaubt sich ohne Konsumzwang zu treffen und für sie wichtige Themen zu besprechen. Weiters arbeiten wir an dem Konzept einer Fragestunde pro Gemeinderatssitzung, bei der wir BürgerInnen vor Ort die Möglichkeit geben wollen, Fragen zu stellen. Momentan wenden sich viele Menschen mit Grauen von der Politik ab, aber nicht aus fehlendem Interesse, sondern weil sie das Gefühl der Ohnmacht verspüren. Es gilt, das Vertrauen der Menschen in unser Tun zurückzugewinnen und alle BürgerInnen verstärkt einzubinden.
„Eine gute Bildung/Ausbildung dürfen nicht vom Kontostand der Eltern abhängen“ – so steht es in Ihrem Wahlprogramm. Wie sollen diese gleichen Bildungschancen für alle geschaffen werden?
Graz braucht Ganztagsschulformen in erhöhtem Ausmaß quer über die Stadt verteilt. Meine ältere Tochter hat mittlerweile die verschränkte Schulform in einer Ganztagsschule durchlaufen und ich habe mir selbst von der Effizienz dieser Form ein Bild machen können. Nachhilfeunterricht findet dort zum Beispiel während des Unterrichts statt und ist noch dazu kostenlos. Im Durchschnitt zahlt eine Familie pro Jahr 630 Euro dafür, das sind alleine in der Steiermark über 9 Millionen Euro, die nur für Nachhilfe ausgegeben werden. Wir müssen uns hier vor allem an Familien richten, für die solche Ausgaben nicht möglich sind. Konkret haben wir deshalb gemeinsam mit dem Verein BIT Social ein Projekt auf die Beine gestellt, bei dem wir ab März zweimal wöchentlich kostenlose Nachhilfe im Lendpavillion anbieten.
Thema Wohnen: Ihre Partei will auch Wohnen wieder leistbar machen. Wie genau wird diese Wohnbaupolitik aussehen?
Einerseits sind wir in der glücklichen Lage, dass die Stadt zunehmend wächst. Seit 2012 hatten wir einen Zuzug von 20.000 Menschen. Das geht sich allerdings mit den vorhandenen 11.000 Gemeindewohnungen nicht aus. Daher müssen wir einerseits den Eigenwohnbau stärken, brauchen aber auch gemeinnützige sowie private Wohnbauträger. Wir sind hierbei alle gefordert, ein Konzept zu entwickeln, das leistbaren Wohnraum zukünftig besser anbietet.
„Es braucht gewisse Unaufgeregtheit um Marktschreiern und Populisten nicht auf den Leim zu gehen“, sagen Sie in einem Video auf Ihrer Homepage. Aber müssten Sie nicht lauter werden, um der SPÖ wieder Gehör zu verschaffen?
Natürlich ist es immer eine Gratwanderung. Parteiintern gibt es einige, die mir raten, viel mehr auf den Tisch zu hauen. Ich antworte dann, dass ich erst auf den Tisch haue, wenn es notwendig wird. Persönlich würde ich mich als realen Pragmatiker mit sozialem Gewissen bezeichnen. Ich versuche, Situationen zu analysieren, einen pragmatischen Lösungsansatz zu finden und dann an die Umsetzung zu gehen. Deshalb auch der Slogan „Weniger reden, härter arbeiten“. Denn irgendwann ist’s ausgeredet und man muss zur Umsetzung kommen.
Drei gute Gründe, warum Studenten Sie bzw. die SPÖ wählen sollten?
Weil wir für leistbares Wohnen, Bildung unabhängig der Geldbörse und fortschrittliche Sozialpolitik stehen und nicht für Bittstellerei.
[infobox color=“#a3a3a3″ icon=“info“] In Graz stehen am 5. Februar Gemeinderatswahlen an. Die Annenpost hat die SpitzenkandidatInnen aller Parteien im Gemeinderat zum persönlichen Interview über ihre Pläne und Visionen für Graz 8020 gebeten. Vizebürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ Graz), Michael Ehmann (SPÖ Graz), Tina Wirnsberger (Die Grazer Grünen) und Philip Pacanda (Piratenpartei Graz) haben diese Einladung angenommen. Der amtierende Bürgermeister Siegfried Nagl (Grazer Volkspartei) und Mario Eustacchio (FPÖ Graz) wollten sich hingegen vertreten lassen oder Fragen nur schriftlich beantworten. Darauf haben wir uns nicht eingelassen. [/infobox]