Als Leiterin der Frauennotschlafstelle der Caritas in Eggenberg hat Maria Bauer vielen Frauen in aussichtslosen Situationen neue Hoffnung geschenkt. Aufgrund ihrer jahrelangen Arbeit wurde sie am 8. März mit dem zweiten Platz des Grazer Frauenpreises ausgezeichnet.
Herzlich, einfühlsam und stark. So wird die diplomierte Sozialarbeiterin und Leiterin des früheren Haus Elisabeth von ihren KollegInnen beschrieben. Eben jene KollegInnen waren es auch, die sie mit der Nominierung für den Frauenpreis der Stadt Graz überraschten. Am Weltfrauentag wurde Bauers soziales Engagement für Frauen in Not mit dem zweiten Platz neben 18 anderen Personen und Projekten honoriert. „Es war mir direkt unangenehm plötzlich in der Öffentlichkeit zu stehen“, sagt Bauer, „aber die Reaktionen waren sehr berührend für mich. Es ist besonders schön, die Auszeichnung als Abschluss sehen zu können.“ Denn Anfang April wird Maria Bauer nach zehn Jahren als Heimleiterin ihr Amt niederlegen. „Das Haus FranzisCa war wie ein Kind für mich“, sagt Bauer schweren Herzens.
Eine warmherzige Realistin
Die Entscheidung für einen Beruf im Sozialwesen stand für Maria Bauer schon im jungen Alter von 16 Jahren fest. „Ich tue genau das, womit ich meine innere Haltung gegenüber Menschen zum Ausdruck bringen kann. Ich höre ihnen zu, ich helfe ihnen. So habe ich das Gefühl, etwas bewirken zu können.“ Sie absolvierte die Ausbildung an der Sozialakademie in Graz und leistete dann sieben Jahre psychologische Betreuung für Inhaftierte in der Justizanstalt Graz-Jakomini.
Nach einer Karrierepause entschied sich die dreifache Mutter wieder in das Berufsleben einzusteigen. Zunächst war sie bei der Caritas als Sozialarbeiterin tätig und übernahm dann die Heimleitung des Hauses FranzisCa. „Seit zehn Jahren bin ich jetzt schon Leiterin und es war noch kein Tag wie der andere“, sagt Bauer. „Die vielen Geschichten, die ich hier erleben durfte, sind berührend. Sie machen demütig und einfach dankbar für die eigene Situation.“ Unter Bauers Leitung ist die soziale Einrichtung drei Mal umgezogen, gewachsen und erfährt auch aktuell eine Erweiterung. Im Zuge einer Kooperation zwischen den Franziskanerinnen und der Caritas wurde das Haus Elisabeth in „Haus FranzisCa“ umbenannt.
Soziale Netze kennen keine Grenzen
Das Haus FranzisCa vereint die Notschlafstelle, fünf Familienwohnungen und das Frauenwohnhaus mit zwei Wohngemeinschaften unter einem Dach. Maria Bauers Team besteht aus acht Mitarbeiterinnen und einem Mitarbeiter. „Leider sind wir sehr gut frequentiert“, sagt die Heimleiterin mit trauriger Miene. Im 24-Stunden-Betrieb betreuen sie gemeinsam rund 400 Frauen. Die Abläufe in der Notschlafstelle sind klar geregelt: Ganz egal, um welche Uhrzeit Frauen den Summer am eisernen Tor drücken – jede von ihnen wird an einem Ort der Sicherheit empfangen. „Wir haben ein Bezugsbetreuungssystem“, erklärt Maria Bauer. „Das heißt, wenn eine Frau kommt, übernimmt ein Mitarbeiter deren Betreuung für die gesamte die Zeit des Aufenthaltes.“
Für jede Frau steht drei Wochen lang ein Zimmer zur Verfügung, damit sie zur Ruhe zu kommen kann. In dieser Zeit wird in regelmäßigen Gesprächen aber auch ein individueller Zukunftsplan erstellt. Von Job- und Wohnungssuche, über das Ansuchen für Förderungen bei den richtigen behördlichen Stellen, bis hin zu medizinischen Untersuchungen und psychologischer Betreuung. Die Zusammenarbeit mit anderen Stellen ist dabei essentiell. Das Haus FranzisCa ist sehr gut mit anderen Sozialeinrichtungen der Caritas vernetzt, wie beispielsweise der Schwangerenberatung oder DIVAN, der Frauenspezifischen Beratungsstelle für Migrantinnen. Zu den wichtigsten AnsprechpartnerInnen außerhalb der eigenen Organisation zählen das Sozial- und das Jugendamt, das Landeskrankenhaus sowie das Frauenhaus und die Vinziwerke.
Entwicklungen in der Notschlafstelle
„Seit ich hier Leiterin bin, hat sich die Klientel stark verändert“, sagt Bauer. Der gesellschaftliche Wandel macht sich auch im Haus FranzisCa bemerkbar. „Am Anfang bot die Notschlafstelle vor allem Platz für obdachlose Frauen mit Alkoholproblemen. Das gibt es heute kaum noch.“ Es werden viel mehr alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern aufgenommen. Vor 13 Jahren wäre es eine ganz große Seltenheit gewesen, dass eine Frau mit Kindern gekommen wäre. „Inzwischen haben wir über 100 Kinder, die wir zusätzlich betreuen.“ Grund dafür ist einerseits die bessere Erreichbarkeit, durch ausgebaute Infrastruktur und Vernetzung. Aber auch jüngste Entwicklungen wie die Flüchtlingskrise sind ausschlaggebend. Außerdem steigt die Zahl der Frauen mit Migrationshintergrund.
Der Weg in die Unabhängigkeit
„Früher haben sich viele Frauen in der ausweglosen Situation vorgefunden, von ihren Männern finanziell abhängig zu sein: Mein Mann säuft und schlägt mich, aber ich muss das durchhalten, weil ich kein eigenes Einkommen habe“, sagt die Gewinnerin des Frauenpreises. Doch es hat sich viel getan: Frauen sind laut Bauer mutiger geworden. Mit Stolz bemerkt sie, dass auch Frauen mit Migrationshintergrund immer mehr Mut zur Eigenständigkeit entwickeln. Es ist nicht leicht, in der europäischen Gesellschaft Fuß zu fassen, wenn man aus einem patriarchalisch geprägten Land, wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan kommt.
„Ich sehe auch, dass unser Frauenbild für Männer mit Migrationshintergrund teilweise bedrohlich ist. Die fürchten sich regelrecht. Da denke ich mir: Richtig so!“ Für sie generiert das gesellschaftliche Frauenbild immer mehr Aufmerksamkeit. „Sehr geehrt hat mich, dass der Direktor der Caritas zur Frauenpreisverleihung gekommen ist. Das ist ein Zeichen, das die Caritas nach außen setzt und sagt: Auch wir stehen für Frauenrechte ein.“ Aus Bauers Sicht können und müssen auch Männer ihren Teil zur Frauenbewegung beitragen.
[infobox color=“#a3a3a3″ icon=“info“]Noch im April wird Maria Bauer in Pension gehen und sich vom Haus FranzisCa verabschieden. Die Führung der Frauennotschlafstelle übergibt sie an Carmen Brugger, die aktuell als Referentin für Freiwillige Mitarbeit in der Hauptzentrale der Caritas verantworlich ist. [/infobox]