Von 5. bis 7. Mai 2017 fanden in Graz die alljährlichen Galerientage statt. Projektleiterin Tanja Gassler spricht über die Herausforderungen der Kunstvermittlung, die Rolle der Politik und die Schwierigkeiten in Graz eine Galerie zu führen.
Annenpost: Was ist das Besondere an den Galerientagen – im Vergleich zu anderen Kunstveranstaltungen?
Tanja Gassler: Wir sind offen für alle und schließen niemanden aus. Während der drei Tage sind alle Galerien zu den Öffnungszeiten frei zugänglich. Wir wollen die Leute dort abholen, wo sie sind, egal wie alt sie sind und welchen Bildungsstand sie haben. Die Veranstaltung soll zudem barrierefrei sein.
Ist es schwer Zugang zu Menschen ohne Kunstinteresse zu finden?
Gassler: Nein, nicht unbedingt. Wir haben heuer über 40 Programmpunkte, es gibt viele verschiedene Veranstaltungen. Wir haben auch immer Konzerte dabei und es gibt Partys für junge Leute. Oft schneit man vielleicht irgendwo zufällig rein und sagt dann: „Okay, ich schau mir das mal an.“
Viele Menschen sind verunsichert, wenn sie mit Kunst in Berührung kommen. Was glaubst du, woher dieses Gefühl kommt?
Gassler: Der Kunstbetrieb ist zum Teil selbst schuld daran. Viele Menschen besuchen eine Ausstellung und fragen sich: „Was soll das sein? Das ist mir viel zu kompliziert!“ Ich stelle dann immer folgende Frage: „Schau es dir mal fünf Minuten an, was fällt dir dazu ein?“ Es ist völlig egal, wem ich diese Frage stelle, es gibt niemanden, dem nicht irgendetwas dazu einfällt. Da merkt man dann, wie sich ein Schalter umlegt und plötzlich Interesse da ist. Das ist einer der schönen Momente der Vermittlung.
Der Fokus der Galerientage liegt auf zeitgenössischer bildender Kunst. Glaubst du, dass diese Art von Kunst einfacher vermittelt werden könnte?
Gassler: Zeitgenössische bildende Kunst ist jene, die man am besten verstehen kann. Sie hat am meisten mit uns zu tun, weil die Künstlerinnen und Künstler in unserer Zeit leben und damit arbeiten. Wozu kann ich leichter einen Zugang finden, als zu etwas, das sich mit meiner Umwelt beschäftigt? Zeitgenössische Kunst ist oftmals auch sehr politisch und hat mit der Gesellschaft zu tun, in der wir aktuell leben. Deshalb ist sie uns so wichtig.
Apropos Politik, die Stadt bekennt sich in der neuen Agenda Graz 22 zu den „großen Playern“ wie etwa Kunsthaus oder GrazMuseum, nicht aber konkret zu eurer Institution. Fühlt ihr euch benachteiligt?
Gassler: Es ist so: Oft wird kommuniziert, dass alles, was vom Kulturhauptstadtjahr 2003 übrig geblieben ist, das Kunsthaus bzw. Design ist. Aber erst durch das Engagement und die Initiativen aller Galerien und Institutionen in Graz wurden wir Kulturhauptstadt. Die Szene ist sehr lebendig und engagiert sich auch international stark. Würde sie das nicht tun, hätten diese „großen Player“ nicht die Möglichkeit, um auch wirklich arbeiten zu können. Uns wäre es ein Anliegen, dass diese Wertschätzung nicht nur in einem Satz abgehandelt wird, sondern tatsächlich auch nach außen transportiert wird.
Graz soll laut Agenda Graz 22 weiterhin ein „Zentrum der Volkskultur“ bleiben. Stehen die Galerientage nicht im Widerspruch dazu?
Gassler: Aufsteirern ist ein Selbstläufer. Da braucht man jetzt nicht noch weiß Gott wie viel Geld in Werbung stecken. Aber es wird gefördert und gefördert und wir müssen mit geringsten Mitteln arbeiten. Ich bin der Meinung, dass die Kulturpolitik einen Bildungsauftrag hat und die Galerientage sind meiner Meinung nach eine gesellschaftspolitisch wichtige Bildungsveranstaltung. Es ist natürlich wichtig, sich mit Herkunft und Tradition zu beschäftigen, aber ich sehe das nicht gerne in Konkurrenz.
Wie rechtfertigst du die Galerientage dennoch gegenüber der Konkurrenz?
Gassler: Es heißt immer: Wir haben nicht genug Geld und die Kunst ist ja ein elitärer Dienst, das können wir vor dem Steuerzahler nicht verantworten. Das ist Unfug! Das Geld, das wir bekommen, bleibt zu 99,9 Prozent in Graz, der Steiermark und Österreich. Das heißt, wir produzieren nichts, was nicht direkt der Wirtschaft zugutekommt. Viele Besucherinnen und Besucher der Stadt Graz kommen auch gezielt zu den Galerientagen. Die Kunst wird nie als Wirtschaftsfaktor gesehen. Die Künstlerinnen und Künstler, die Institutionen und wir werden immer als Bittsteller dargestellt. Das ist nicht richtig. Die Galerientage sind international und werden international rezipiert. Das ist genauso ein Wirtschaftsfaktor wie der Designmonat oder das Aufsteirern.
Findest du, dass die Kunstszene in Graz generell ausreichend gefördert wird?
Gassler: Das ist ein schwieriges Thema. Man wird natürlich nie bestmöglich gefördert, weil man immer mehr rausholen möchte. Die große Herausforderung liegt darin, die Qualität und den eigenen Anspruch halten zu können, bei immer geringer werdenden Mitteln. Früher hat es viel größere Förderungen und auch Messenförderungen für Galerien gegeben. In dieser Form gibt es das alles nicht mehr. In Graz traut sich jetzt kaum jemand mehr eine Galerie zu eröffnen. Es ist finanziell fast unmöglich. Die großen Sammler gehen alle nach Wien oder Basel um Kunst zu kaufen, nicht nach Graz. Es ist sehr wichtig, dass die Grazer Kunstszene stark bleibt, dass auch die Politik dahintersteht. Denn wenn es keine Galerien mehr gibt, werden die Künstlerinnen und Künstler noch stärker abwandern.
Das bedeutet, der Fokus sollte auf der Förderung von Künstlerinnen und Künstler gerichtet sein?
Gassler: Ja, ich finde Künstlerförderung wahnsinnig wichtig. Vor allem, weil wir keine Uni für eine Ausbildung zur Künstlerin bzw. zum Künstler in Graz haben. Wir haben die Ortweinschule, aber dann ist Schluss, dann müssen alle weg. Aber, wenn man nur die Künstlerinnen und Künstler allein unterstützt, untergräbt man damit eigentlich die Arbeit der Galerien.
Also doch die Galerien fördern, warum?
Gassler: Weil die Galerien dann die Künstler adäquat unterstützen können. Die Galerien haben eine Art Managementfunktion. Sie sind auf Messen vertreten und versuchen die Künstlerinnen und Künstler international bekannt zu machen. Dafür brauchen sie finanzielle Unterstützung.