Gertrude Schloffer, die frisch gewählte KPÖ-Bezirksvorsteherin von Gries, hat sich mit der Annenpost zu einem Gespräch über Integrationsprobleme, Schwarz-Blau in Graz und kommunistische Grundsätze getroffen.
Mit einem knappen Ergebnis von neun zu acht Stimmen wurde Gertrude Schloffer vor zwei Wochen zur neuen Bezirksvorsteherin von Gries gewählt, womit sie den langjährigen ÖVP-Vorsteher Johann Haidinger ablöste. Sie traf sich mit der Annenpost, um den BewohnerInnen des Bezirks Gries einen Einblick in die Persönlichkeit, Weltanschauung und Pläne ihrer neuen Bezirksvorsteherin zu geben.
Annenpost: Frau Schloffer, sämtliche Versuche, den Kommunismus als dauerhaft funktionierende Gesellschaftsordnung einzuführen, sind im Laufe der Geschichte gescheitert. Was bewegt jemanden dazu, sich trotzdem einer kommunistischen Partei anzuschließen?
Schloffer: Ich sehe die Arbeit der KPÖ nicht unbedingt verbunden mit dem großen, weltweiten Kommunismus. Unser Ziel ist, dass wir die unterste Gesellschaftsschicht vertreten, also jene Menschen, die sonst keine Lobby haben. Schauen Sie sich zum Beispiel an, wie viele Menschen es in Graz gibt, die sich um eine Sozialwohnung anstellen müssen, obwohl sie acht Stunden am Tag arbeiten – die durch den Rost fallen, weil sie keine wirkliche Vertretung haben. Diesen Leuten wollen wir als KPÖ eine Stimme geben.
Fühlen Sie sich persönlich einer gewissen Richtung des Kommunismus zugehörig? Leninismus, Trotzkismus, Marxismus?
Nein, mit dieser Frage habe ich mich ehrlich gesagt niemals beschäftigt. Ich könnte auch die verschiedenen Schwerpunkte all dieser ideologischen Vordenker nicht nennen, da ich mich mit ihren Werken nie wirklich auseinandergesetzt habe. Mir geht es eher um die Praxis. Ich sehe mir an, wo die Probleme der Leute liegen und versuche genau dort zu helfen. Ob das jetzt mit der Einstellung Lenins, Trotzkis oder jemand anderem einhergeht, ist mir persönlich egal.
Warum wollen Sie gerade hier in Gries kommunistische Politik machen?
Weil ich seit dem Jahr 1991 hier lebe und das Viertel sehr lieb gewonnen habe. Unlängst bekam ich einen Anruf von einem Mann, der mir zur Wahl gratulierte und sagte: „Frau Schloffer, die Leute wissen gar nicht, wie schön es in Gries ist!“ Mein Wunsch wäre es, dass diese Schönheit nicht nur für die Anrainer, sondern endlich auch für die Bewohner anderer Viertel sichtbarer wird.
Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Besonders wichtig ist mir, dass der Bezirk nicht noch mehr verbaut wird. In Gries verschwinden immer mehr grüne Flächen und der Individualverkehr stößt an seine Grenzen, da die Infrastruktur nicht mit dem Wachstum mithalten kann. Unser Herr Bürgermeister ist zwar immer sehr stolz darauf, dass jährlich so viele Leute zuziehen, aber das ändert nichts an diesen Problemen. Ein weiteres Ziel ist, dass wir bezüglich der Sauberkeit unserer Straßen mehr bewirken, da sehe ich noch viel Aufholbedarf.
Wie denken Sie, wird sich die schwarz-blaue Stadtregierung auf Gries auswirken wird?
Ich hoffe, dass bald eine Entscheidung über die Neugestaltung des Griesplatzes fallen wird.
Glauben Sie, dass die Übergabe des Wohnbauressorts an die FPÖ besondere Auswirkungen auf den Bezirk haben wird?
Nein, das glaube ich nicht. Ob es weiterhin Sprechstunden, wie bei Elke Kahr, geben wird, ist fraglich. Grundsätzlich glaube ich aber, dass es vor allem auf die Menschen ankommt, die als Bittsteller um eine Sozialwohnung anstehen und nicht auf die Partei des Ressortleiters.
Gries lag bei einer Lebensqualitätsumfrage in Graz 2014 auf Platz 2 der meistgefürchteten Bezirke. Alles nur surreale Ängste oder berechtigte Skepsis?
Zum Teil ist es eine berechtigte Skepsis, da es vermehrt zur Bildung von Gruppen kommt, die sich untereinander bekämpfen. Dabei handelt es sich – so ehrlich muss man sein – meistens um Personen mit Migrationshintergrund. Wenn man dann noch quasi jeden Tag in der Zeitung liest, was in Gries nicht schon wieder alles passiert ist, werden klarerweise viele Grazer skeptisch. Ich persönlich fühle mich hier aber sicher und bin auch noch nie in eine brenzlige Situation geraten.
In der St. Andrä-Volksschule in Gries haben es im Jahr 2015 nur fünf SchülerInnen ins Gymnasium geschafft. Schwimmunterricht für Mädchen sorgt oft für Gesprächsstoff und einen Elternverein gibt es aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse der Eltern auch nicht. Wie kann man solchen Entwicklungen entgegenwirken?
Uns im Bezirk bleibt da meiner Meinung nach nur eine Option, nämlich, die Lern-Cafés finanziell stärker zu unterstützen. Dabei handelt es sich natürlich um keine echten Kaffeehäuser, sondern um Einrichtungen, wo Menschen mit Migrationshintergrund Deutsch lernen können. Die Leute sind zwar gesetzlich dazu verpflichtet, die Sprache zu lernen und wollen das auch, aber es fehlen leider oftmals die Angebote. Dem müssen wir entgegenwirken. Es darf nicht sein, dass Leute monatelang auf einen Platz in einem Deutschkurs warten müssen.
Letzte Frage. Was ist Ihrer Meinung nach wichtiger: die Freiheit des Individuums oder die Gleichheit der Gesellschaft?
Ich glaube, man kann hier das eine nicht vom anderen trennen. Alle Menschen sollten grundsätzlich die gleichen Grundvoraussetzungen haben. Arbeit, ein Zuhause und ein gesichertes Einkommen. Aber es muss auch jeder die Freiheit haben, sich selbst nach seinen Bedürfnissen zu entfalten und mit seinem Geld zu machen, was er will. Gleiche Grundbedingungen, Freiheit in der Gestaltung. Das ist und war immer meine Devise.