Das Gesundheitswesen galt stets als letzte Bastion gegen den Vormarsch der Sozialen Medien. Das Annenviertler Startup „CredoWeb“ versucht das nun zu ändern und vernetzt ÄrztInnen und PatientInnen durch eine eigene Social Media-Plattform.
Graz, Neubaugasse 24. Hier befindet sich das SPACELEND. Einmal im Monat wird der Coworking Space zur Begegnungszone für JungunternehmerInnen und deren potenzielle InvestorInnen. In den Büroräumen arbeitet auch Gerald Bruchmann, der Marketingleiter der Social Media-Plattform CredoWeb. Das Besondere an diesem Sozialen Medium? CredoWeb ist speziell für den Gesundheitsbereich konzipiert. Hier können sich ÄrztInnen und ApothekerInnen untereinander austauschen, Fachliteratur für PatientInnen zugänglich machen und dadurch Likes und mögliche KundInnen für sich gewinnen.
Wie genau User CredoWeb nutzen, bleibt ihnen selbst überlassen. „Wollen zum Beispiel PrivatärztInnen das Interesse von potentiellen NeukundInnen wecken, werden sie Content erzeugen, der genau auf solche zugeschnitten ist“, erklärt Bruchmann. Interessierte können sich auf der Website anmelden, Beiträge lesen und kommentieren sowie ihre jeweiligen LieblingsmedizinerInnen liken. Das Erstellen von Inhalten sei allerdings medizinischen Fachleuten vorbehalten: „MedizinerInnen müssen sich bei der Anmeldung als ExpertInnen kennzeichnen und diesen Status auch verifizieren. Daher sind ‚Fake News‘ praktisch unmöglich“.
Stiller Anfang
Der Launch der Website erfolgte weitgehend unbemerkt: „Wir sind vor eineinhalb Jahren sehr still online gegangen. Medialen Wirbel zu veranstalten, macht für ein Soziales Medium ohne User wenig Sinn“, sagt Bruchmann. CredoWeb war ursprünglich als Publishing-Plattform für medizinische Schriftwerke gedacht, hat sich aber zu einer Social Media-Plattform weiterentwickelt. „Das liegt wohl daran, dass sich ÄrztInnen gerne untereinander vernetzen“, vermutet Bruchmann.
Das Team hinter CredoWeb besteht mittlerweise aus zehn Personen, die Content erstellen, User beraten und die Website managen. Die Seite leidet noch unter Startschwierigkeiten: Den insgesamt rund 3.300 ÄrztInnen stehen lediglich 219 PatientInnen gegenüber. „Viele Leute lesen die Artikel über Links, wofür sie sich nicht anmelden müssen. Deshalb generieren wir aktuell nur wenige AbonnentInnen. Die Inhalte müssen aber raus, damit wir bekannter werden“, sagt Bruchmann.
Hausarzt: Doktor Google
Lange war das Gesundheitswesen einer der letzten Bereiche, in den Soziale Medien noch nicht vorgedrungen sind. Immerhin ist direkter Kontakt mit PatientInnen − anders als etwa im Wirtschaftsbereich − für MedizinerInnen unumgänglich. Dennoch können sich auch ÄrztInnen den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht entziehen.
Der deutsche Chirurg Peter Feindt hatte 2014 in einem Interview mit dem Online-Medizinerportal Medscape erklärt, dass ÄrztInnen sich in einer starken Konkurrenzsituation befänden, wobei Onlinepräsenz jedoch helfen könne, sich von der Konkurrenz abzuheben.
Auch wenn ÄrztInnen online noch eher spärlich vertreten sind, finden sich Diagnosen jeder Art im Web: Dr. Google ist für gut 42% aller ÖstereicherInnen mittlerweile der erste Ansprechpartner, wie eine von CredoWeb im vergangenen Dezember herausgegebene Studie ergab. Circa 36 Prozent der Befragten unterließen aufgrund einer Online-Diagnose sogar den Arztbesuch, ein Wert den CredoWeb senken möchte, „indem wir den Arzt auch im digitalen Bereich wieder mehr in den Fokus rücken“, erklärt Bruchmann.
Vernetzung als Zukunftsvision
An welche neuen Features CredoWeb gerade arbeitet, möchte Bruchmann derzeit noch nicht verraten. Mittelfristig wolle man aber eine Jobplattform für MedizinerInnen einrichten. Auch die Art der Finanzierung möchte Bruchmann auf längere Sicht ändern. Ähnlich wie bei Facebook und Co. soll auf der privat finanzierten Website in Zukunft Werbung geschalten werden.
Auf die Frage, wo er das Unternehmen in zehn Jahren sehe, antwortet der Leiter von CredoWeb zuversichtlich: „Unsere Vision ist, dass sich alle möglichen Dialoggruppen auf unserer Plattform miteinander vernetzen, sich hier austauschen und auch ihre Leistungen und Produkte anbieten.“